Die Lokhalle in Freiburg – ein Industriedenkmal 4.0

Wie ein historischer Bau den Sprung in die Gegen­wart schaffen kann, zeigt die 120 Jahre alte Lokhalle in Freiburg. Die Eigen­tümer sanieren momentan den letzten Bau­abschnitt nach höchsten Energie­effizienz­kriterien – und machen das Kultur­denkmal so fit für die Industrie 4.0.

Dass das Industriedenkmal einmal so genutzt werden würde, war nicht vorgesehen. Die Lokhalle – zwischen 1901 und 1905 erbaut – diente ursprünglich als Werk­statt. Bis 1983 warteten Beschäftigte der Bahn hier Waggons, darunter etwa den berühmten Orient-Express. Nachdem die Bahn ausgezogen war, avancierte das Bahnbetriebs­wagenwerk ab Mitte der 1990er-Jahre zu einem Veranstaltungs­ort.

Frank Böttinger und seine Veranstaltungs­firma Endless Event veranstalteten hier viele Groß­events wie Konzerte, Produkt­präsentationen und Mode­schauen. Im Jahr 2011, als das Gebäude zum Verkauf stand, entschieden sich Böttinger und sein Geschäfts­partner Lars Bargmann dafür, es zu erwerben. Ihre gemeinsame Vision trieb sie an: Sie wollten die Schönheit des Gebäudes wieder erstrahlen lassen und moderne Arbeits­plätze für eigene Mitarbeiter und Mieter­firmen schaffen.

„Die Herausforderung, das scheinbar Unmögliche zu verwirklichen, hat uns zusammen­geführt und angetrieben“, erzählt Böttinger. „Wir hatten uns in dieses einmalig schöne Gebäude verliebt und erkannten das Potenzial, es zu einer groß­artigen und einzig­artigen Location zu sanieren.“

Böttinger und Bargmann bekamen den Zuschlag. Zwar ging der ursprüngliche Plan nicht auf. Doch stattdessen sanierten sie das Kultur­denkmal Stück für Stück, um es zu einem attraktiven Standort für Unternehmen zu machen. Heute ist das knapp 14.000 Quadrat­meter große Areal der Firmensitz von mehr als 20 Betrieben aus Gastronomie, Kreativ­wirtschaft und Industrie.

„Es ist wahrscheinlich gut, dass wir am Anfang nicht ahnten, wie viel Arbeit und Hindernisse auf uns zukommen würden“, sagt Böttinger und lacht. „Dass das ein Sprung von der Industrie 1.0 zur Industrie 4.0 wird, war uns nicht klar. Wie man so sagt: Der Mutige erschrickt im Nachhinein.“

Für jeden Meter eine neue Lösung

Frank Böttinger zeigt alte Aufnahmen der Lokhalle Freiburg
Miteigentümer Frank Böttinger zeigt alte Aufnahmen der Lokhalle Freiburg

Besonders anspruchsvoll gestaltete sich die Koordination der verschiedenen Baufach­bereiche. Zu Beginn hielten Böttinger und Bargmann wöchentliche Treffen mit allen Gewerken sowie Fach­planerinnen und Fach­planern ab. Dabei trafen unter­schiedlichste Blick­winkel und Expertisen aufeinander: unter anderem Denkmal­schutz, Brand­schutz, Energie­beratung, Bauphysik, Statik und Gebäude­technik. Dies stets in der Abwägung der potenziellen Nutzungs­möglichkeiten, der nachhaltigen Bau­qualität und des Budgets.

Auf Bargmann und Böttinger kam die Aufgabe zu, immer wieder zwischen den Fach­leuten zu vermitteln. Denn Standard­lösungen gab es für das Projekt nicht. „Normaler­weise hat man in der Architektur Regel­schnitte, die zeigen, welche Detail­ausführung und Maße ein Bauteil haben muss, damit es im Bauwerk beliebig oft verbaut werden kann“, erklärt Lars Bargmann. „Hier gibt es das nicht. In der Lokhalle benötigen wir für jeden einzelnen Meter eine neue Lösung.“

So etwa bei den Shed­dächern. Fünf Monate brauchte es, um das erste 300 Quadrat­meter große Dach der Südhalle zu sanieren. „Wir haben zum Beispiel mitten im Prozess bemerkt, dass wir doch die Regen­rinnen ausbauen und neu unter­füttern müssen“, sagt Bargmann. „Das war trial and error at its best.“

Äußerst aufwendig war auch die Erneuerung der denkmal­geschützten Stahl­fenster. Da Anfang des 20. Jahrhunderts Bauteile noch nicht so genormt hergestellt werden konnten wie heute, variierten die Maße der Fenster im Millimeter­bereich. Um sie energetisch zu sanieren, war es deshalb nötig, die 120 Jahre alten Scheiben zu entfernen und einzeln zu kartieren. Die Rahmen mussten händisch entlackt und in Stand gesetzt werden. Auch das Glas machte Probleme, erläutert Böttinger: „Jede der Tausenden Scheiben in der Lokhalle ist ein Unikat, das unser Glas­hersteller eigens neu aus Isolier­glas anfertigen musste.“

Energieeffizienzgebäudestufe 55 – im Denkmal

Derzeit stehen die Bauherren vor der letzten großen Heraus­forderung: Als finalen Bauabschnitt sanieren sie den Nordteil des denkmal­geschützten Gebäudes nach höchsten Energieeffizienz­kriterien zu einem Energieeffizienz­gebäude 55. Ein komplexes Vorhaben, wie Energie­berater Hans-Uwe Klaeger am Beispiel der denkmal­geschützten Fachwerk­fassade erläutert.

„Wir haben hier die Problematik, dass wir einerseits die Optik erhalten sowie Bauschäden vermeiden und gleich­zeitig eine gute Dämmung erreichen müssen“, sagt der Experte, der seine Zertifizierung für „Energie­beratung im Denkmal“ mit seiner Arbeit für die Lokhalle erlangt hat. „Um sicher­zustellen, dass sie stets warm genug sind und keinen Schaden durch die Witterung nehmen, haben wir etwa eine Begleit­heizung an den Holz­verstrebungen zwischen den Klinker­ziegeln angebracht.“

Neben der Fassade werden auch in der Nordhalle die Shed­dächer, die Boden­platte und die Fenster und Tore saniert. Die Investitions­kosten können die Bauherren zur Hälfte mit einem Kredit aus der Bundes­förderung für effiziente Gebäude in Höhe von rund 6 Millionen Euro finanzieren – aufgrund des hohen Effizienz­gebäude­standards, der erreicht wird, mit einem hohen Tilgungs­zuschuss.

Eine Unterstützung von bedeutender Tragweite, wie Böttinger erklärt: „Wir haben das große Glück, dass wir mit der Sparkasse Freiburg eine Hausbank gefunden haben, die unsere Ideen und unsere Vision für dieses Gebäude mitgetragen hat. Ohne die KfW-Förderung wäre ein derartiges Projekt nicht möglich gewesen.“

2024 soll die Sanierung der Nordhalle abgeschlossen sein. Dann wird ein führender amerikanischer Fahrrad­hersteller mit seinem Forschungs- und Entwicklungs­zentrum einziehen. Bargmann und Böttinger freuen sich schon jetzt darauf: „Wir sind über­glücklich, dass wir es geschafft haben, die Lokhalle für zukünftige Generationen nutzbar und erlebbar zu machen“, sagt Bargmann. „Aber nach mehr als 12 Jahren Dauer­arbeit können wir eine Pause gut gebrauchen.“

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