Noch nie zuvor stand die KfW vor einer solchen Herausforderung wie in der Corona-Krise. Innerhalb kürzester Zeit mussten umfangreiche Finanzmittel transferiert werden. Für den Rechtsbereich bedeutete dies, neue Wege zu beschreiten, nicht zuletzt bei den in der Öffentlichkeit besonders sichtbaren komplexen Konsortialfinanzierungen: Mit der richtigen Mischung aus Agilität, Effizienz und guter Kommunikation wurden Belastungsspitzen gemeistert. Dennis Heidschmidt, Abteilungsleiter im Rechtsbereich der KfW (IPEX und Sonderengagements), gibt Einblicke in die Herangehensweisen bei den komplexen Finanzierungen und betont die Rolle der hochqualifizierten und hochmotivierten Syndizi dabei.
ZUJ: Der Rechtsbereich der KfW hat viel Lob für seine Rolle bei der Umsetzung der Corona-Sonderprogramme erhalten. Ihre Abteilung hatte einen maßgeblichen Anteil daran. Auch von der ZUJ einen herzlichen Glückwunsch!
DH: „Vielen Dank, das freut mich. Das Lob möchte ich allerdings sofort an die Kolleginnen und Kollegen weitergeben. Das betrifft natürlich meine Abteilung, aber auch die anderen beiden Abteilungen unter unserem General Counsel Dr. Karsten Hardraht sowie das dort angesiedelte Legal Operations Team. Alle hatten maßgeblichen Anteil an der gelungenen Umsetzung der Sonderprogramme sowie dem Meistern der zahlreichen weiteren Herausforderungen in diesem Jahr, die neben den komplexen Konsortialfinanzierungen viele weitere Elemente enthielten.“
ZUJ: Herr Heidschmidt, vor welchen Herausforderungen standen Sie plötzlich im März 2020?
DH: „Die Politik hat sich mit großer Entschlossenheit gegen die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie gestemmt. Innerhalb kürzester Zeit wurden große Summen bereitgestellt und deren Ausreichung durch die KfW öffentlich bekannt gemacht. Das war genau richtig, bedeutete für meine Abteilung aber, dass ein Teil der Kollegen noch an der Finalisierung der Programme mitgewirkt hat, parallel erste Konsortialkredite verhandelt wurden, während gleichzeitig das Tagesgeschäft unvermindert weiterlief. Selbst bei einer Verstärkung der Teams mit Secondees und Projektjuristen konnten wir uns mit einem Dreisatz ausrechnen, dass wir im April vor dem Dilemma stehen würden, die Qualität der rechtlichen Beratung substanziell absenken zu müssen oder unseren Rechtsrat nicht mehr innerhalb des erforderlichen Zeitrahmens leisten zu können.“
ZUJ: Das klingt dramatisch – wie sind Sie dann mit dieser Herausforderung umgegangen? Konnten Sie dieses Dilemma durch die Anwendung agiler Methoden vermeiden?
DH: „Es ist richtig, dass der KfW agile Elemente bei der Konzeption der Sonderprogramme geholfen haben, mit den sich ständig entwickelnden Parametern und den sich täglich ändernden Anforderungen umzugehen. Das gilt auch für den Rechtsbereich mit allen seinen Themen. Beispiele sind die verschiedenen weitgehend autonom arbeitenden Teams, die abteilungsübergreifend alle jeweils benötigten Rechtsgebiete abdeckten. Oder die verschiedenen Dailies, also Kommunikationsformate mit denen wir den unmittelbaren Informationsfluss unabhängig von jeder Hierarchie sichergestellt haben. Wir haben uns allerdings nicht vorgenommen „das lösen wir jetzt agil“. Vielmehr haben wir diese Elemente eingesetzt, um am Ball zu sein und auch in noch nicht völlig klaren Lagen schon rechtlich steuern zu können. Im Bereich der kleineren Kredite konnte die KfW skalieren oder digitale Lösungen anbieten. Für die rechtliche Beratung der großen und komplexeren Transaktionen war aber nach dem ersten Fall schon klar, dass wir unseren internen Ressourcenverbrauch pro Transaktion mit anderen Mitteln drastisch reduzieren müssen. Und das hieß auch, nicht nur auf Agilität zu setzen.“
ZUJ: Wie haben Sie es dann geschafft nicht von der Antragswelle überrollt zu werden?
DH: „Sobald die Parameter einigermaßen fixiert waren, haben wir unser Augenmerk auf die Prozessoptimierung gerichtet, um die große Anzahl komplexer Transaktionen möglichst effizient in den Griff zu bekommen. Intern ist uns das durch die schnelle Entwicklung von Anforderungslisten und Mindeststandards sowie durch eine Neudefinition der Rolle der Syndizi in diesem Kontext gelungen. Gleichzeitig haben wir eine neuartige Kooperation mit unseren Panelkanzleien Clifford Chance und Linklaters ausgehandelt, um die erforderliche rechtliche Qualität zu jedem Zeitpunkt gewährleisten zu können. Mit Clifford Chance haben wir im Transaktionsbereich unsere internen Kommunikationsstrukturen gespiegelt, um den Informationsfluss sicherzustellen. Sowohl KfW intern als auch in der Zusammenarbeit mit Clifford Chance haben wir digitale Lösungen eingesetzt, um den Überblick zu behalten und die steuerungsrelevanten Fakten immer aktuell zur Hand zu haben. Schließlich haben wir diesen Prozess stetig verbessert und kontinuierlich versucht, uns noch besser an den Bedürfnissen unserer jeweiligen Kunden auszurichten sowie best practices zu etablieren. Diesen Zyklus haben wir in ähnlicher Form bei jedem neuen Programmelement wiederholt.“
ZUJ: Das klingt nach einer gelungenen Projektplanung.
DH: „Eine solche gab es aber nicht. Wir hatten schlicht keine Zeit zu planen. Mit einzelnen Elementen hatten wir schon Erfahrungen, beispielsweise mit der Aufstellung in weitestgehend unabhängige Teams von Syndizi, die als Gruppe alle jeweils erforderlichen Rechtsgebiete abdecken. In der Transaktionsberatung hatten wir 2019 gerade Mindeststandards definiert und Prozesse optimiert. Vor allem hatten wir aber das große Glück, auf hochmotivierte Kolleginnen und Kollegen zurückgreifen zu können, denen es Freude bereitet, autonom zu agieren. Und das Glück, dass sie dabei nie die unterschiedlichen Anforderungen der anderen Einheiten aus dem Blick verlieren und diese bei Bedarf einbinden. Die Dailies ergaben sich aus unserem Bestreben, Informationen täglich und ohne eine Kaskadierung über verschiedene Hierarchiestufen in die parallel arbeitenden Teams hinein zu kommunizieren. Gleichzeitig konnten wir uns hier unmittelbar über neue Entwicklungen und Erkenntnisse aus den Teams austauschen, voneinander lernen und auch Doppelarbeit vermeiden.“
ZUJ: Wie wurde die Kooperationsvereinbarung mit Clifford Chance und Linklaters für die komplexen Transaktionen ausgestaltet?
DH: „Die Kooperation enthielt zunächst klassische Elemente, wie Secondments. Hier war allerdings schnell klar, dass diese allenfalls im unvermindert weiterlaufenden „Tagesgeschäft“ der drei Teams meiner Abteilung würden unterstützen können. Um die Interessen der KfW zu vertreten, hat uns Clifford Chance Zugriff auf die Partner, Counsel und Associates ihrer Finance Practice zu guten Konditionen gewährt. Diese wurden durch die Syndizi der KfW gesteuert, wodurch es uns gelungen ist, diese Anzahl komplexer Transaktionen innerhalb oft enger Fristen zu meistern. Um den Informationsfluss auch hier sicherzustellen, haben wir die internen Kommunikationsstrukturen gespiegelt und Onboarding Pakete für die Clifford Kollegen zur Verfügung gestellt, damit diese ohne größere Verzögerung die Interessen der KfW vertreten konnten. Umgekehrt übermitteln uns die Kollegen von Clifford Chance regelmäßig Berichte. Für den Fall eines Interessenkonflikts bei Clifford Chance stand uns Linklaters zur Verfügung. Die Vereinbarung mit Linklaters umfasst auch die Beratung in beihilferechtlichen Fragen.“
ZUJ: Was war in der heißen Phase für Sie das Wichtigste?
DH: „Mir war wichtig, nicht nur auf die große Anzahl parallellaufender Themen zu reagieren, sondern in der Gestalterrolle zu bleiben. Dabei haben mich meine Teamleiterin und meine beiden Teamleiter enorm unterstützt. Unser Ziel war es, dass sich unsere Kolleginnen und Kollegen darauf verlassen können, dass wir Lösungen für die immer weiter steigende Anzahl an Themen und Transaktionen finden und umsetzen.“
ZUJ: Warum war Ihnen gerade das wichtig?
DH: „Jeder einzelne war sofort mit vollem Einsatz dabei, um die Transaktionen über die Ziellinie zu bringen oder auch, um das gesamte Tagesgeschäft eines im Sonderprogramm gebundenen Kollegen zu übernehmen. Es hat sich niemand versteckt. Diese Kraft hat mich beeindruckt und motiviert. Und motiviert mich auch noch heute. Es handelte sich ja nicht um einen Sprint, sondern um eine lange Phase, in der auch noch verschiedene andere Belastungen in allen Lebensbereichen zu bewältigen waren und die noch immer anhält.“
ZUJ: Wie haben Sie es persönlich geschafft, den Überblick zu behalten und über neue Ansätze nachzudenken?
DH: „Neben den bereits erwähnten digitalen Tools und den Dailies hat es mir persönlich auch enorm geholfen, dass ich mich auf die Kolleginnen und Kollegen komplett verlassen konnte. Denn um den Überblick zu behalten muss man im Detail loslassen.“
ZUJ: In einem Satz – was war also das Erfolgsrezept, um die Katastrophe zu vermeiden und weder bei der Qualität noch auf der Zeitschiene Kompromisse zu machen?
DH: „Die richtige Mischung aus Agilität, Effizienz und innovativen Kooperationsformen sowie vor allem der Einsatz und die Motivation jeder einzelnen Kollegin und jedes einzelnen Kollegen.“
ZUJ: Inwiefern haben sich Arbeitsalltag und Aufgaben durch die Geschehnisse verändert – und: bleibt das so?
DH: „Was sicherlich bleibt, ist die Gewissheit, als Team auch enormen Herausforderungen gewachsen zu sein. Wir können Belastungsspitzen aushalten, ohne den Überblick zu verlieren oder relevante Abstriche bei der Qualität zu machen. Auch, dass wir komplexen Situationen mit Offenheit, Neugier und Kreativität sowie agilen Elementen wie weitestgehend autonom arbeitenden Teams und einer guten Kommunikationsstruktur begegnen können. Und schließlich, dass wir gut daran tun auf Effizienz und Prozessoptimierung zu schauen, sobald die Parameter klar sind – nach der Coronakrise dürfte der Kostendruck bei den meisten Unternehmen ja eher steigen. Was hoffentlich nicht so bleibt, ist die Arbeitsbelastung der Kolleginnen und Kollegen. Diese haben im letzten Jahr wirklich Herausrangendes geleistet und sich Erholung verdient.“
ZUJ: Vielen Dank für die Einblicke und das spannende Interview!
Mit freundlicher Genehmigung der ZUJ – Zeitschrift für Unternehmensjuristen
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