Beschriftung von Teströhrchen im Labor von Centogene
Diagnostik

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Im Kampf gegen das Coronavirus

Verantwortung in Krisenzeiten: Ein Rostocker Unternehmen, das sonst seltenen Krankheiten auf der Spur ist, öffnet seine Labore für lebensrettende Corona-Tests. Bis zu 10.000 Abstriche können pro Tag untersucht werden.

Prof. Arndt Rolfs

Arndt Rolfs, Gründer und Vorstandschef von Centogene, stellt kurzfristig Laborkapazitäten für die aktuelle Virensuche zur Verfügung.

„Testen, testen, testen.“ Arndt Rolfs lässt keinen Zweifel daran, was er für das Gebot der Stunde in der Corona-Krise hält. Der Vorstandschef von Centogene hat Mitte März 2020 im eigenen Betrieb damit angefangen. Jede und jeder wurde auf das damals noch neuartige Coronavirus Covid-19 getestet. Nur eine Mitarbeiterin erwies sich als positiv. Sie ging in Quarantäne, doch die anderen konnten nach der Testreihe weiterarbeiten. Einige allerdings beschäftigen sich derzeit mit völlig anderen Dingen als zuvor: Sie analysieren Corona-Tests. Centogene hat die Initiative ergriffen und stellt Laborkapazität für die Virensuche zur Verfügung.

Die Proben stammen von Frauen und Männern, die für die vitale Infrastruktur der Gesellschaft von entscheidender Bedeutung sind: medizinisches Personal, Feuerwehr, Polizei. Auch in Altenheimen gab es ein Screening. Bisher konnten sich Bürgerinnen und Bürger aus Rostock, dem Sitz des biotechnologischen Unternehmens, testen lassen. Aber man will nach Rolfs’ Worten den Kreis größer ziehen. 5.000 bis 10.000 Abstriche pro Tag könnten die Labore von Centogene bewältigen.

Arndt Rolfs, 60, ist Professor der Neurologie und Unternehmer. Er hat Centogene 2006 als Spin-off der Rostocker Universitätsklinik gegründet und das Unternehmen im vergangenen Jahr an die New Yorker Technologiebörse Nasdaq gebracht. Vom eigentlichen Unternehmenszweck ist das Corona-Engagement denkbar weit entfernt: Centogene ist Weltmarktführer in der Diagnostik seltener angeborener Krankheiten und hilft jetzt, eine Seuche einzudämmen, die jeden betrifft.

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Das Labor für DNA-Sequenzierung in der Biotech-Firma Centogene

Wo für gewöhnlich Erbkrankheiten untersucht werden, kümmert sich das Team derzeit mit Hochdruck um den Nachweis von Covid-19.

Investitionen für die Gesundheit

„Wir haben eine gesellschaftliche Verantwortung“, sagt Hubert Birner, Managing Partner von TVM Capital. Die Risikokapitalgesellschaft aus München ist seit 2017 an Centogene beteiligt. Gerade hat sie Kapital für den Fonds TVM Capital Life Science Innovation II eingesammelt, der unter anderem Centogene finanziert. In diesen Fonds hat KfW Capital, die Beteiligungstochter der KfW Bankengruppe, 25 Millionen Euro investiert und finanziert damit auch Centogene. „Gerade in der jetzigen Situation wird klar, wie wichtig Investitionen in die Entwicklung von Wirkstoffen im Gesundheitsbereich sind“, sagt Jörg Goschin, Geschäftsführer von KfW Capital.

Das ungewöhnliche Engagement von Centogene in pandemischen Zeiten findet den Beifall von TVM Capital. „Rolfs hat dem Coronavirus den Kampf angesagt“, sagt Birner, und nutze dafür die Ressourcen seiner Firma, in enger Abstimmung mit den Investoren. Birner, zuständig für das Biotechnologieportfolio bei TVM Capital, ist mit der Entwicklung von Centogene überhaupt „sehr zufrieden“. Er hebt hervor, dass die Firma von Rolfs, den er einen „klassischen Unternehmer“ nennt, in den ersten zehn Jahren ohne Fremdkapital ausgekommen ist.

400 Centogene-Mitarbeiter erwirtschaften inzwischen einen Umsatz von 50 Millionen Euro. Er wird überwiegend in Amerika und Asien gemacht. Centogene sucht in seinen Rostocker Laboren in Patienten-DNA nach genetisch bedingten seltenen Krankheiten und verfügt über die weltweit größte Datenbank auf diesem Gebiet. Genetische Informationen von bisher einer halben Million Patienten aus rund 120 Ländern lagern dort.

Update

Prof. Arndt Rolfs hat den Vorstandsvorsitz bei Centogene inzwischen niedergelegt. Anfang Dezember 2020 übernimmt Dr. Andrin Oswald die Leitung des Unternehmens. Rolfs stehe Centogene in der Übergangszeit als Berater zur Verfügung, teilten die Rostocker mit.

Gebündelte Kräfte in pandemischen Zeiten

7.000 seltene Krankheiten gibt es, von denen 5.600 genetische Ursachen haben; nur für wenige gibt es bislang zugelassene Medikamente. In Verbindung mit der Expertise des jeweiligen behandelnden Arztes können die Rostocker Forscher anhand der Gene eines Patienten diagnostizieren, ob er an einer seltenen Krankheit leidet oder sie entwickeln kann. Das wiederum ist Grundlage einer Therapie.

Centogene ist ein allen internationalen Qualitätskriterien unterworfenes Labor mit Zertifizierungen der US-amerikanischen Aufsichtsbehörden, die typischerweise viel strenger sind als die deutschen. Das Unternehmen kann mit der vorhandenen apparativen Ausstattung in der genetischen Diagnostik kurzfristig auch den spezifischen und sensitiven Nachweis von Covid-19 vornehmen. Rolfs schätzt den Covid-19-Testbedarf in Deutschland insgesamt auf bis zu eine Million pro Tag. Menschen, die 70 Jahre und älter sind und unter Lungenkrankheiten leiden, müsse man vorrangig und umfassend testen, überhaupt in Altenheimen und natürlich die Berufsgruppen, die die soziale und medizinische Infrastruktur sichern.

„Die nächsten Wochen sind entscheidend“, sagt er. Für das Wohlergehen der Menschen, aber auch der Betriebe.

Auf KfW Stories veröffentlicht am 27. März 2020; aktualisiert am 26. Oktober 2020.

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