Die Vereinten Nationen haben ihre Bevölkerungsprognosen deutlich nach oben korrigiert: Am Ende dieses Jahrhunderts soll es bereits 11,2 Milliarden Weltbürger geben. Menschen in Ländern mit hohen Bevölkerungswachstumraten drohen weitere Verarmung, Hungerkrisen und Konflikte. Eine Entwicklung, die den Flüchtlings- und Migrationsdruck in Richtung der Schwellen- und Industrieländer weiter erhöhen könnte, wenn nicht gehandelt wird.
Das Zusammenspiel von Geburten- und Sterberaten sowie internationalen Wanderungen bestimmt in allen Gesellschaften die Veränderung der Bevölkerungsgröße und -struktur. Während die Lebenserwartung in den meisten Ländern deutlich steigt, haben sich Verbesserungen in der Wirtschaft, bei der Gesundheitsversorgung und beim Bildungsstand bisher weit weniger stark auf die Dämpfung der Geburtenrate ausgewirkt, als von den Experten erwartet wurde. Die Prognosen über die Zahl der Menschen, die zukünftig auf und von der Erde leben werden, klaffen – abhängig von den jeweils unterstellten Annahmen – weit auseinander.
Entsprechend haben die Vereinten Nationen nun ihre Bevölkerungsprognosen deutlich nach oben korrigiert: Im Jahr 2017 lebten ca. 7,55 Milliarden Menschen auf der Erde, im Jahr 2030 werden es ca. eine Milliarde Menschen mehr sein und am Ende dieses Jahrhunderts soll es bereits 11,2 Milliarden Weltbürger geben. Ein weiteres Bevölkerungswachstum schließt die UN nicht mehr aus.
Hinter dieser globalen Entwicklung stehen sehr unterschiedliche regionale Trends: Während die Bevölkerungszahlen in Europa sinken und in Amerika und Australien relativ stabil bleiben, steigen sie vor allem in den ärmsten Ländern in Asien und Afrika weiter an: Vor 15 Jahren wurde für Subsahara-Afrika eine Bevölkerungszahl von 1,8 Milliarden im Jahr 2050 vorhergesagt, heute geht man davon aus, dass die jetzige Bevölkerung sich bis dahin auf 2,5 Milliarden verdoppeln wird.
Dies hat massive Auswirkungen insbesondere auf Länder mit hohen Bevölkerungswachstumsraten: Die Bevölkerungsdichte und der Druck auf die Umwelt werden steigen, die Ernährungssicherung wird schwieriger und die Basisinfrastruktur (Schulen, Gesundheitszentren, Siedlungsflächen, Trinkwasser- und Energieversorgung, Straßen etc.) muss deutlich schneller und umfassender ausgebaut werden als geplant.
Nach Schätzungen der UNESCO wird beispielsweise in Subsahara-Afrika die Zahl der Kinder im grundschulpflichtigen Alter bis 2030 um 38 Prozent steigen und die der sekundarschulpflichtigen Kinder sogar um 48 Prozent. Um diese Kinder angemessen zu beschulen, müssen 7,1 Millionen Lehrer und Lehrerinnen zusätzlich ausgebildet werden. Die Weltgesundheitsorganisation prognostiziert, dass im Jahr 2030 ungefähr 1,1 Millionen Ärzte in Afrika fehlen werden. Um diesen Bedarf zu stillen, muss die Kapazität der medizinischen Fakultäten verdreifacht werden. Schon heute fällt es vielen Entwicklungsländern schwer, den aktuellen Bedarf zu decken. Die neuen Zahlen stellen sie vor enorme Herausforderungen, die sie ohne externe Unterstützung kaum werden bewältigen können.
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1,4 Kinder
Durchschnitt pro Frau, 2010Quellen: World Development Indicators, The World Bank; UNCTADstat, eigene Berechnungen
Inzwischen mehren sich die Stimmen, die von der „demografischen Bürde“ in Afrika statt von einer „demografischen Dividende“ sprechen: In der Phase des demografischen Übergangs (in der sich die Geburtenzahlen langsam den gesunkenen Sterberaten anpassen) ergibt sich theoretisch die Chance, dass aufgrund der großen Jugendbevölkerung relativ viele Menschen im erwerbsfähigen Alter zu einer positiven wirtschaftlichen Entwicklung beitragen können, weil sie gleichzeitig nur für relativ wenige „Abhängige“ – Menschen unter 15 und über 65 Jahre – aufkommen müssen. Die Nutzung dieses temporären Effekts war beispielsweise eine zentrale Triebfeder für die wirtschaftliche Entwicklung der asiatischen Tigerstaaten in den 1970er-Jahren. Voraussetzung ist aber, dass gleichzeitig in einem dynamischen Privatsektor genügend produktive Arbeitsplätze entstehen, um die potenziell Erwerbstätigen auch zu absorbieren.
Wenn es den ärmsten Ländern nicht gelingt, gleichzeitig in Gesundheit, Bildung und genügend Jobs zu investieren, wird der Trend anhalten und es drohen weitere Verarmung, Umweltkatastrophen, steigende Krankheitslasten, Hungerkrisen und insgesamt wachsende Fragilität bis hin zu (militärischen) Konflikten. Wachsende Perspektivlosigkeit könnte auch den Flüchtlings- und Migrationsdruck in Richtung der Schwellen- und Industrieländer weiter erhöhen.
Für die internationale Zusammenarbeit und damit auch die deutsche (finanzielle) Entwicklungszusammenarbeit bedeutet dies, dass außer in die akute Krisenhilfe verstärkt auch in langfristige, strukturbildende Förderprogramme investiert werden muss, insbesondere im Bereich der nachhaltigen Wirtschaftsentwicklung (z. B. Finanzsystementwicklung, Unternehmensförderung, Marktzugänge, Berufsbildung) und in den sozialen Sektoren (z. B. Grundbildung, Basisgesundheit und soziale Sicherung). Einige Beispiele hierfür sind die von der KfW mit Mitteln der Bundesregierung geförderte „Beschäftigungsinitiative Nahost“ , die Berufsbildungsprogramme in Ägypten oder das soziale Sicherungsprogramm in Malawi.
Auf KfW Stories veröffentlicht am: Dienstag, 10. Juli 2018
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