Das digitalisierte Fitnessstudio von eGym
Innovation

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Die digitale Welt des Schwitzens

Zwei Gründer haben eine Software für elektronische Kraftgeräte entwickelt, die jedes Mitglied im Fitnessstudio via Chip erkennt und alle Daten von der Drückbank in einer Cloud speichert. Damit wollen die "eGym"-Gründer den Fitnessmarkt weltweit revolutionieren.

Das digitalisierte Fitnessstudio von eGym
Die Gründer

Philipp Roesch-Schlanderer und Florian Sauter sind die Köpfe von eGym. Gemeinsam haben sie ihr Start-up auf die Beine gestellt.

Florian Sauter hält sein schwarzes Armband mit Chip an die Seite eines Fitnessgeräts. Auf dem Display leuchtet sein Profil auf und die Maschine schiebt ihre Teile in die passende Höhe für seine Arme, seine Beine und seinen Rücken. Der Technik-Chef und Co-Gründer von eGym sitzt auf einem von 18 Kraftgeräten, die auf Holzdielen vor der Installation eines Münchner Künstlers stehen, in einem Prachtbau mitten in der Münchner Altstadt mit sandfarbenen Steinmauern und stuckverzierten Decken. Es ist der alte Sitz der Hypovereinsbank. Hier hat sich das Start-up eGym für zwei Jahre eingemietet, bevor das Gebäude abgerissen werden soll. Wo früher der Repräsentationssaal der Bank war, werden heute Fitnessgeräte vorgeführt.

„Statt kiloweise Gewichte aufzulegen, erzeugt ein Elektromotor Widerstand“, sagt Florian Sauter, während er auf der Rudermaschine sitzt und mit beiden Armen die Stangen vor- und zurückschiebt. Am Anfang muss jedes Studiomitglied einmal alle Grundeinstellungen an jedem Gerät durchführen, gemeinsam mit dem Trainer. Diese Werte werden via Chip in einer Cloud gespeichert, ab dem nächsten Training stellt sich dann alles automatisch auf den Sportler ein. Während die Muskeln arbeiten, darf der Kopf pausieren. Wie schnell man eine Bewegung machen soll, gibt das Gerät vor und auch, wann es Zeit ist aufzuhören. Florian Sauter verfolgt die Trainingskurve auf dem Display: „Gelingt es mir, die Punkte auf der Kurve einzusammeln, führe ich die Bewegung optimal durch.“ In die Software sind spielerische Elemente wie diese eingebaut, Gamification nennt sich das. „Das Training soll Spaß bringen und die Studiomitglieder zum Weitermachen motivieren“, so der 34-Jährige.

KfW Capital

KfW Capital investiert in deutsche und europäische Venture Capital-Fonds, die sich an Unternehmen in der Wachstumsphase in Deutschland beteiligen und so deren Kapitalbasis stärken.

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Sieben verschiedene Trainingsprogramme stehen zur Auswahl, etwa zum Muskelaufbau oder zum Abnehmen. „Mit jeder Bewegung generieren wir Daten“, erklärt Florian Sauter. Alle Geräte sind ständig mit dem Internet verbunden, die eigenen Fortschritte werden in einer App zusammengefasst. So kann man mit Freunden um die Wette trainieren. „Derweil können sich die Trainer in den Studios auf das Wesentliche konzentrieren.“ Auf Trainingspläne zum Beispiel, die sie in der ebenfalls über die Cloud vernetzten eGym-Trainer- App individuell anlegen und anpassen können.

Die Idee, Fitnessgeräte digital zu vernetzen, kommt von Philipp Roesch-Schlanderer, dem zweiten Gründer. Als er 2008 im Rahmen seines BWL-Studiums für ein Auslandssemester in New York war, stand er ein wenig ratlos vor den alten Maschinen im dunklen, stinkenden Kraftraum der Columbia University. „Ich konnte mir nicht merken, wie viel Gewicht ich auf welches Gerät legen soll oder wie hoch der Sitz gehört“, sagt der 35-Jährige. „Gerade war das erste iPhone auf den Markt gekommen und ich dachte über die vielen digitalen Möglichkeiten im Fitnessstudio nach.“ Damit war die Gründungsidee geboren.

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Das digitalisierte Fitnessstudio von eGym
Der kreative Visionär

Während sich sein Kollege Sauter um die technische Umsetzung von Ideen kümmert, ist Philipp Roesch-Schlanderer mit seiner kreativen Ader dafür zuständig, Investoren und neue Kunden für eGym zu gewinnen.

Zurück in München erzählte er Florian Sauter davon, seinem alten Schulfreund aus Sindelfingen, der damals Elektrotechnik studierte. Die beiden hatten schon länger überlegt, gemeinsam eine Firma zu gründen. Aber bisher wusste Florian Sauter an jeder Idee etwas auszusetzen. Bis zu diesem Moment, erinnert sich Philipp Roesch-Schlanderer: „Da spreche erst mal nichts dagegen, war die Reaktion von Flo. Für ihn war das ein Ausdruck höchster Euphorie!“ Die Rollenaufteilung ist bis heute die gleiche geblieben: Roesch-Schlanderer ist der kreative Kopf, der Visionär, der Investoren und Kunden für eGym gewinnt. Sauter ist der kritische Denker, der die Ideen prüft und technisch umsetzt.

2010 haben die Freunde eGym gegründet und sind kurz darauf mit einem selbst gebauten Prototyp quer durch Deutschland gefahren, auf der Suche nach Investoren. „Philipp ist es damals gelungen, acht verschiedene Geräte an ein Studio zu verkaufen, obwohl wir erst eins entwickelt hatten“, sagt Florian Sauter über seinen Partner. In ähnlichem Tempo ist das Unternehmen in den folgenden Jahren gewachsen. Rund 350 Angestellte arbeiten inzwischen hier, die meisten davon in München, ein paar Entwickler an einem zweiten Standort in Berlin. 70 Vertriebler sind deutschlandweit, im europäischen Ausland und inzwischen auch in den USA unterwegs. Neben Fitnessstudios zählen Physiotherapeuten und Firmen mit Betriebssportangeboten zur Zielgruppe. eGym-Geräte stehen heute in 1.100 Fitnessstudios, weitere 1.500 Studios nutzen die Software auf Partnergeräten. Welche es sind, kann man auf Studiosuche.de herausfinden. Das Portal wird von eGym betrieben.

eGym: Innovative Software für Fitnessstudios
Smarte Trainer

Zusammen mit Sportwissenschaftlern hat eGym das Trainingsprogramm „Metabolic Fit“ speziell für Diabetes-Typ-2-Patienten entwickelt.

Früher wussten nur Bodybuilder oder Fitness-Experten, wie man Kraftgeräte richtig bedient. Wollten Laien ihren Körper stählen, mussten sie sich einen Personal Trainer leisten oder riskierten grobe Fehler. „Wir haben eine Software für Leute wie uns entwickelt, die keine Lust haben, Sporthandbücher zu lesen, und trotzdem gefahrlos und erfolgreich trainieren wollen“, sagt Philipp Roesch-Schlanderer. Die Software-Lösung von eGym bezeichnet er daher gern als „Navi für Fitnessstudios, bei dem man einfach sein Ziel eingibt und drauflostrainiert“. Als typische Fitness freaks verstehen sich die Gründer nicht, obwohl beide inzwischen regelmäßig trainieren. Die Produkte entwickeln sie gemeinsam mit Sportwissenschaftlern. Für das neue Trainingsprogramm „ Metabolic Fit“ speziell für Diabetes-Typ-2-Patienten etwa hat das Unternehmen mit verschiedenen Hochschulen zusammengearbeitet, unter anderem mit der Uni Gießen.

Mehrere Finanzierungsrunden haben der jungen Firma zu ihrem Wachstum verholfen. Die größte kam 2016 mit 45 Millionen US-Dollar vom Fonds HPE Growth Capital, an dem auch die KfW beteiligt ist, und von bestehenden Investoren. „Wenn wir in ein Unternehmen investieren, schauen wir uns vor allem das Management-Team sehr genau an – speziell die Gründer“, erklärt Manfred Krikke, Partner bei HPE Growth Capital. „Bei Philipp und seinem Team haben wir genau das gefunden, was uns wichtig ist. Daraus ist eine wahre Partnerschaft voller Vertrauen entstanden, sodass wir als effizientes Team schnelle und hochwertige Entscheidungen treffen können.“

Derzeit versucht eGym, weitere Innovationen zu entwickeln und weltweit zu wachsen. Ebenfalls 2016 wurde die Firma fle-xx mit Geräten zur Dehnung der Muskellängen übernommen, deren Mitgründer in der Fitnessbranche eine bekannte Größe ist und bis vor Kurzem als Vertriebschef von eGym aktiv war. „Bewusst besetzen wir Management-Ebenen mit erfahrenen Mitarbeitern“, sagt Philipp Roesch-Schlanderer. In München ist er inzwischen nur noch selten anzutreffen. Vor allem hält er sich in den USA auf, um neue Partner und Kunden zu finden. Gerade hat er die US-Firma Netpulse aufgekauft. Tausende Fitnessclubs in den USA nutzen deren digitales Angebot zur Organisation und Motivation ihrer Mitglieder. Der ehemalige Geschäftsführer ist jetzt eGym-Chef für die USA. Weitere Übernahmen sind bereits geplant.

Wo es hingehen soll, formuliert Philipp Roesch-Schlanderer deutlich: „Wir wollen weiter den Fitness- und Gesundheitsmarkt durchdringen und Weltmarktführer werden!“ Insofern kann die räumliche Zwischennutzung des schicken Altbaus in München beinahe als symbolisch betrachtet werden für das, wo die Firma heute steht: eGym erfindet sich gerade noch mal neu – zwischen Hoodie und Anzug.

Auf KfW Stories veröffentlicht am 4. September 2018