Illustration der Kläranlange
Infrastruktur

Infrastruktur

Wasser marsch!

Rund 20 Prozent aller Wasser- und Abwasserleitungen im öffentlichen Bereich weisen Schäden auf. KfW Stories zeigt Beispiele, wie mit sinnvollen Investitionen etwa die Wasserqualität verbessert und mit Kläranlagen Strom produziert werden kann. Ein Animationsfilm erklärt, wie Trinkwasser sauber und jederzeit verfügbar aus dem Wasserhahn kommt.

Hildburghausen: Mehr Strom für mehr Einwohner

Wie können wir effizient bleiben und gleichzeitig den Energiebedarf senken? Das war eine der zentralen Fragen bei der Planung zur Sanierung des Klärwerks Hildburghausen im Süden Thüringens. Antworten gab es viele. „Nie waren wir uns so lange unsicher, was der richtige Weg ist“, erzählt Werksleiter Henry Feigenspan. „Ein Grund ist die rasante technische Entwicklung auf dem Gebiet der Eigenstromerzeugung und Energieeinsparung.“ Womöglich wäre bei Fertigstellung bereits alles überholt? Nach intensiver Prüfung stellte sich heraus: Der Bau einer Hochlastfaulung ist zwar die teuerste, aber auf einen Zeitraum von 30 Jahren gerechnet die wirtschaftlichste Variante.

Trinkwasser – So läuft das

Wo kommt eigentlich unser Leitungswasser her (KfW Bankengruppe/nutcracker)?

Mit Unterstützung der KfW in Höhe von 2,15 Millionen Euro konnte nach eineinhalb Jahren Bauzeit nun die Hochlastfaulung in Betrieb genommen werden. „Bei einer Faulung bildet sich durch Erwärmen und Umrühren des Klärschlamms Methan, das durch eine Turbine in Gas umgewandelt wird“, erklärt Stefan Kost, Abteilungsleiter Abwasser, das Verfahren in den zwei riesigen weißen Türmen. Kläranlagen sind die größten Stromfresser innerhalb von Kommunen.

Dank der neuen Hochlastfaulung kann die Kläranlage Hildburghausen durch die Erzeugung von Methangas aus dem auf der Anlage anfallenden Klärschlamm nun sechzig Prozent ihres Strombedarfs selbst decken. „Das ist eine Entlastung für die Kommune“, sagt Stefan Kost. Außerdem kann die Menge des Klärschlamms um 36 Prozent verringert werden, was wiederum die Entsorgungskosten senkt. Die Kläranlage Hildburghausen reinigt mittlerweile Abwasser von rund 18 000 Einwohnern. In den kommenden Jahren sollen mehr Anwohner an die Kläranlage angeschlossen werden. Dem steht nun mit der neuen Hochlastfaulungnichts mehr im Wege.

Nürnberg: Abwasser marsch!

Es war nur ein kleines Stück gemessen an der Gesamtlänge der Nürnberger Kanalisation. Doch der Aufwand war groß. Nach 18 Jahren Bauzeit und 36 Millionen Euro Kosten wird der 4,5 Kilometer lange Südostsammler im April 2017 fertiggestellt. Als Sammler bezeichnet man einen Hauptkanal. Er stellt eine entscheidende Verbindung im 1460 Kilometer langen Nürnberger Kanalnetz dar. Die KfW unterstützte das Vorhaben mit sechs Millionen Euro.

Die KfW fördert

Die Kommunen Hildeburghausen, Nürnberg und Westerstede haben die Sanierung ihrer Infrastruktur jeweils mit Mitteln des Programms IKK - Investitionskredit Kommunen (208) finanziert.

Mehr erfahren

Vor dem Bau des Kanals floss das Abwasser durch den bereits 1902 fertiggestellten Hauptsammler. Bei Regen kam es immer wieder zu Rückstaus, das Wasser trat aus den Gullydeckeln. Der neue Südostsammler verbessert auch die Wasserqualität in der Pegnitz – dem Nürnberger Hausfluss. Denn der 2,5 Meter Durchmesser große Südostsammler hat nicht nur den Zweck, das Abwasser abzuleiten – er ist auch ein Stauraumkanal zur Speicherung von Wasser, das bei Regen in der Kanalisation abfließt. Das gespeicherte Wasser fließt erst nach Ende der Niederschläge im Kanalnetz weiter zu den Klärwerken und wird dort gereinigt. Bisher gelangte es durch Regenüberläufe ungereinigt in die Pegnitz.

So langwierig und so aufwendig die Bauarbeiten waren, so vergleichsweise gering waren die Beeinträchtigungen für die Anwohner. Es gab für jeden der sechs Bauabschnitte lediglich zwei Baustellen, eine am Start- und eine am Zielschacht. Von den schweren Arbeiten unter der Erde war nichts zu sehen. Grund dafür ist das Verfahren des unterirdischen Rohrvortriebs. Dabei wird ein Rohrstrang aus Betonrohren von einem Startschacht aus in den Boden gepresst. Die Vortriebsmaschine an der Spitze des Rohrstrangs baut den Boden ab. Ohne dieses Verfahren wären die Beeinträchtigungen erheblich gewesen. Und: Die Bauzeit hätte noch mal deutlich länger gedauert.

Westerstede: neues Herzstück am Wasserwerk

Monatelang hat der Oldenburgisch-Ostfriesische Wasserverband (OOWV) auf diesen Tag hingearbeitet. So war es ein besonderer Moment, als die Schwertransporter im Morgengrauen vor dem Wasserwerk in Westerstede vorfuhren. Ihre Fracht: vier riesige Filter – 4,3 Meter Durchmesser, bis zu 14 Meter hoch und 27,4 Tonnen schwer. Nur mit Hilfe von zwei Kränen konnten die Kesselfilter an ihren Standort gehoben werden. Die Filter bilden das Herzstück unserer Erneuerung am Wasserwerk. Mit ihnen können wir das Rohwasser von Eisen und Mangan befreien. Außerdem bauen wir einen zweiten Abgang vom Wasserwerk. Der zusätzliche Anschluss an das Leitungsnetz erhöht die Versorgungssicherheit im Falle einer Störung.

Kräne heben die Filter im Klärwerk Westerstede an ihren Bestimmungsort

Lange erwartet: Filter für das Wasserwerk in Westerstede.

Seit 1960 ist das Wasserwerk des OOWV in Westerstede in Betrieb und versorgt die Haushalte in der Region mit Trinkwasser. Der OOWV betreibt am Standort Westerstede elf Brunnen mit einer Tiefe von 40 bis 68 Metern. Zusätzlich hilft ein Speicher in den Stunden aus, wenn der Verbrauch besonders hoch ist. Morgens und abends zum Beispiel, wenn die Menschen kochen, duschen oder den Garten bewässern. In den letzten Jahren ist der OOWV am Standort Westerstede allerdings an seine Kapazitätsgrenzen gestoßen, besonders während der Hitzeperioden. Aufgabe des Versorgers ist es, die Wasserversorgung sicherzustellen. Und deshalb wurde der Ausbau des Was­serwerks in Westerstede notwendig.

Mit einem Kredit der KfW über 1,5 Millionen Euro zu dem insgesamt 3,5 Millionen Euro teuren Projekt konnte man endlich zur Tat schreiten. Der OOWV plant, im Sommer 2017 mit dem Probebetrieb beginnen zu können – und dann darf es gern auch wieder ein besonders sonniger Sommer werden.

Interview mit Professor Wagner über Sanierungsbedarf

Herr Professor Wagner, wie ist der Zustand der Rohre in Deutschland?

Wir haben bundesweit ca. 580.000 Kilometer öffentliche Kanäle. Zum Vergleich: Die Entfernung der Erde zum Mond beträgt etwa 385 000 Kilometer. Rund zwanzig Prozent aller Kanäle im öffentlichen Bereich weisen Schäden auf laut Umfragen der DWA (Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e.V.). Der Trend bestätigt sich seit mehr als zehn Jahren. Große Mühen und Anstrengungen haben nicht genutzt, den Trend zu stoppen.

Zur Person
Porträt von Professor Volker Wagner

Prof. Wagner hat einen Lehrstuhl in Siedlungswasserwirtschaft und Abfallwirtschaft an der Hochschule in Wismar.

Mehr Infos zur Person

Woran liegt das?

Die Kanäle sind teilweise 120 Jahre alt. Sie mussten viel aushalten. Beispiel Weltkriege. Hinzu kommt, dass sich dieLebensweise der Menschen ändert, Verkehr und Lasten nehmen zu. In den 60er Jahren im sogenannten Bauboom wurden auch Kanäle mit Mängeln gebaut. Erst ab den 70er, 80er Jahren kam das Bewusstsein, dass die Schäden nicht zu vernachlässigen sind. Auch Starkregen infolge des Klimawandels wird zunehmend zum Problem. Die Natur hält sich nicht an technische Vorgaben. Punktuelle Starkregen überfordern unsere Kanalisation.

Ab wann wird ein Schaden zum Problem und muss behoben werden?

Sobald ein Kanal undicht ist, muss gehandelt werden. Undichtheiten bedeuten, dass Grundwasser von außen eindringt (Infiltration) oder Abwasser nach außen läuft (Exfiltration). Abwasser darf nicht nach außen dringen, weil es unter anderem Reste von Medikamenten, Drogen und Hormonen enthält. Das soll nicht in Boden und Grundwasser gelangen. Denn aus dem Grundwasser holen wir unser Trinkwasser.
Der umgekehrte Fall ist genauso problematisch. Mit dem Grundwasser dringt auch Sand in den Kanal. Die Kanäle liegen in einem Sandbett, das ihnen Standsicherheit und Stabilität gibt. Ohne dass jemand davon etwas merkt, ändert sich die Bettungdes Rohres. Das Bauwerk Rohr-Boden kann die Lasten nicht mehr aufnehmen. Die Rohre liegen so tief, dass viele Meter Erde Druck ausüben. Es kommt zu Rissen. Das Rohr beginnt sich zu verformen, es können sich Hohlräume bilden. Jeder kennt die spektakulären Bilder, wenn sich ganze Löcher öffnen und ein Auto in die Straßeeinsackt.
Ex- wie Infiltration sind ein großes Problem. Deshalb sind wir so dahinter her, dass wir diese Kanäle sanieren. Und wenn wir sie sanieren oder neu bauen müssen, dann ohne aufzugraben.

Mit welchen Problemen müssen wir in der Zukunft rechnen?

Wir werden wohl in den nächsten Jahren nicht von den 20 Prozent runterkommen – trotz intensiver Bemühungen. Aber die Grundlagen sind geschaffen, gesetzlich und technisch. Aber darauf darf man sich nicht ausruhen. Personal fehlt, insbesondere in den Kommunen. Es gibt zu wenig Ingenieure und Techniker. Die Hochschulen müssen die Fächer „Sanierung der Infrastruktur“ im Bauingenieur- und Umweltingenieurwesen mehr in den Fokus nehmen. Wir müssen uns bewusst sein, dass wir wertvolle Bauwerke unter der Erde haben, die erhalten werden müssen. Es gilt daher: Sanieren, sanieren, sanieren.

Auf KfW Stories veröffentlicht am: Freitag, 3. März 2017

null

Alle Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen verabschiedeten im Jahr 2015 die Agenda 2030. Ihr Herzstück ist ein Katalog mit 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung, den Sustainable Development Goals (SDGs). Unsere Welt soll sich in einen Ort verwandeln, an dem Menschen ökologisch verträglich, sozial gerecht und wirtschaftlich leistungsfähig in Frieden miteinander leben können.