Gründen

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Ein Papa Türk danach

Längst hat der Döner Kebap der deutschen Currywurst den Rang abgelaufen. Doch das schnelle Gericht kommt nicht ohne viel Knoblauch und Gewürze aus. Roman Will und Jan Plewinski aus Bremen haben ein Getränk entwickelt, das für frischen Atem sorgt. Für die innovative Limonade wurden sie 2017 mit dem KfW Award Gründen ausgezeichnet.

Preisgekrönte Kuss-Brause

Papa Türk: Wie aus der Idee ein Geschäft wurde (KfW Bankengrupppe/n-tv).

Roman Will und Jan Plewinski, beide Anfang 30, sehen in ihren Jeans und Turnschuhen aus wie zwei, mit denen man sich einen gemütlichen Abend in der Kneipe vorstellen kann. Oder ein Mittagessen in einem türkischen Imbiss. Dies sind auch die Orte, an denen ihre Geschäftsidee geboren wurde. Die beiden Freunde lieben gut gefüllte Fladenbrote, je würziger, desto besser. Wie wäre es, wenn es dazu auch ein ideales Getränk gäbe? Schließlich gehört zum Burger das Bier und zur Pommes die Cola. Was aber passt zum Döner?

Einmal ausgesprochen, lässt sie die Frage auch abends in der Bar nicht mehr los. Doch das Getränk soll auch einen Zusatznutzen haben und der liegt auf der Hand: Es muss den Atem erfrischen, damit nach dem Genuss der pikanten türkischen Fladenbrote noch ein Date oder ein Vorstellungsgespräch möglich ist.

Not macht erfinderisch

Welches Getränk erfrischt den Atem und passt perfekt zum Döner? Die Idee zu Papa Türk entstand in einem Imbiss.

Ihre Recherche beginnt bei arabischen Hausmitteln und endet in der Apotheke um die Ecke. Sie erfahren, dass in Ländern wie Marokko oder Tunesien viel Petersilie gegessen wird, um den Geruch von scharfem Essen zu neutralisieren. In unseren Breiten gibt es dafür Tabletten. Wie die Petersilie enthalten sie viel Chlorophyll, es wirkt der Entstehung von Mundgeruch entgegen.

„Wir haben ein Vermögen für diese Chlorophyll-Tabletten ausgegeben, sie zerstampft und mit Zuckerwasser und allen möglichen Gewürzen verrührt. Mit dem Sodamax haben wir die grüne Mischung dann mit Kohlensäure versetzt. Man roch tatsächlich besser, aber geschmeckt hat es furchtbar“, sagt Roman Will.

An den folgenden Wochenenden experimentieren sie in Jan Plewinskis WG-Küche weiter. Roman Will, der in den Niederlanden einen Master in Entrepreneurship macht, kommt dafür extra in seine Heimatstadt Bremen. Plewinski arbeitet in einer Kommunikationsagentur. Eine Gründung ist für die beiden nur nebenberuflich möglich.

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Papa Türk am Kiosk

Erste Verkostungen führte Roman Will (links) in einem Kiosk durch. Mit vielen Abnehmern verbindet die Gründer auch eine Freundschaft.

Sie sprechen einen Getränkeabfüller an, ob er das Produkt für sie entwickeln kann – zu aufwendig, zu teuer, er winkt ab. Doch er empfiehlt die Hochschule Ostwestfalen-Lippe. Ein Glücksgriff: Hier nimmt sich ein Professor dem Projekt an. Spezialisiert auf Getränketechnologie, erprobt er mit den Studierenden im Labor die Zusammensetzung der Aromen, setzt unterschiedliche Arten von Chlorophyll hinzu. Um für den Markt zugelassen zu werden, darf sich das Getränk in Farbe, Form oder Geschmack jedoch nicht verändern.

Ob sich Chlorophyll, das aus Brennnesseln, Luzernen und Gräsern extrahiert wird, überhaupt dafür eignet, ist unklar. Der Stoff reagiert empfindlich auf Sonne und Wärme. Aufwendige Tests in Brutkammern oder mit UV-Bestrahlung simulieren die Lagerung. „Wir mussten auch Rückschläge einstecken. Aber dafür kann ich heute über Mikroorganismen, Hefebildung und ausflockende Brause reden wie über Musik“, so Will.

Ein langer Weg

Mehrere Wochen lang reiste Roman Will, der in den Niederlanden einen Master in Entrepreneurship macht, in seine Heimatstadt Bremen, um gemeinsam mit Jan Plewinski an dem neuen Kultgetränk zu arbeiten.

Alle zwei Wochen fahren die Freunde in die Hochschule und probieren die Mischungen. Nach neun Monaten Entwicklungszeit schenken sie am Tag der Offenen Tür des Instituts Kostproben aus. „Wir fanden es einfach cool, unser eigenes Getränk zu haben. Und auch wenn unsere Existenz nicht davon abhing, unser Herz hatten wir schon längst an die Idee verloren“, erinnert sich Roman Will. Die ersten Flaschen schenken sie dem Verkäufer in ihrem Lieblingsdönerladen. „Wir haben ihn immer Papa Türk nennen dürfen. Und da hier alles begann, ist es auch der Firmenname. Auch eine Zeichnung von ihm ist auf der Flasche“, erzählt Jan Plewinski, der die Etiketten gestaltet hat.

Mit ihrem Produkt gewinnen die Gründer Preise bei Unternehmenswettbewerben und melden das europäische Patent an. Banken finanzieren ihr Vorhaben. Damit kann die Produktion der drei Geschmacksrichtungen Limette-Minze, Kola und Shisha-Doppelapfel starten. Im Herbst 2016 treten sie bei der Fernsehshow „Die Höhle der Löwen“ auf. Der Unternehmer Ralf Dümmel ist von Papa Türk überzeugt und bietet 400.000 Euro für 30 Prozent der Geschäftsanteile. Der Deal wird besiegelt, für Roman Will und Jan Plewinski gibt es nun ein Problem weniger. Denn für die Herstellung größerer Mengen müssen sie in Vorkasse gehen, da hilft das finanzielle Engagement weiter. Auch beim Aufbau des Vertriebsnetzwerks können sie auf die Unterstützung des Investors zählen.

Der Knobi-Killer und Co.

Die Macher von Papa Türk tüfteln an weiteren Produkten. Auch ein Fruchtgummi mit Chlorophyll ist in Planung.

Heute steht Papa Türk in allen real-Supermärkten im Regal, viele Imbiss- und Getränkeläden verkaufen die „Kuss-Brause“, wie sie auch genannt wird. Einer davon befindet sich im Steintorviertel in Bremen. Hier steigt Roman Will aus der Tram, steuert zwischen Geschäften, Kneipen, Shisha-Läden und Cafés auf den großen „Kiosko Amigos“ zu. Von Nageeb, der den Laden zusammen mit seinem Cousin betreibt, wird er mit einer herzlichen Umarmung begrüßt: „Wie geht es Dir, mein Freund? Wie laufen die Geschäfte?“

Der Kiosk war einer der ersten, der Papa Türk verkaufte, neben Shisha-Tabak, Bier und Chips. „Getränke mit Minze, das kennt man ja aus der Heimat. Und die Jungs machen das jetzt in Bremen, das unterstütze ich natürlich. Viele Kunden kaufen Papa Türk, weil es von hier kommt und etwas Besonderes ist“, sagt Nageeb. Dass sich das grüne Getränk auch prima mit Rum mixen lässt, bewies eine Verkostung im Kiosk. Ein bekannter Hip-Hopper trat auf und bald bevölkerte ein buntes Publikum die ganze Straße. Bis die Polizei auftauchte und die Party auflöste. Seitdem lassen es die „Amigos“ etwas ruhiger angehen.

Ein paar Meter weiter bereitet sich das „Ismet“ auf den Ansturm zu Mittag vor. Auf den Dönerspießen dreht sich Kalb und Huhn, schwarzer Tee wird in kleinen Gläsern ausgeschenkt. Ein Dutzend Sitzplätze und einen großen Fernseher mit türkischen Musikvideos hat der kleine Laden. An der Wand ist eine Urkunde aufgehängt – Papa Türk hat dem winzigen Restaurant die „Goldene Döner Auszeichnung“ und das Diplom „Kebap Summa Cum Laude“ verliehen. Der Besitzer freut sich über den Besuch und reicht einen üppig gefüllten Döner über die Theke.

Doch Roman Will hat heute wenig Zeit für einen Plausch. Vier Jahre nach der Gründung steckt Papa Türk mitten in der Umstrukturierung. Das Unternehmen legt den Geschäftssitz mit einer befreundeten Werbeagentur zusammen, die Gesellschafterstrukturen und auch die Kapitalgeber ändern sich.

Darüber will er noch nicht viel verraten, auch über die geplanten Produkte wie das Fruchtgummi mit Chlorophyll nicht. „Dieses Jahr wird Papa Türk profitabel abschließen, das ist ein Riesenerfolg. Und eins steht fest: Wir haben aus Spaß gegründet und den wollen wir nicht verlieren.“ Herzhaft beißt er in das Fladenbrot. Ein Papa Türk danach wird jeden Knoblauchduft vertreiben.