Preisgekröntes Haus in Erfurt
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Bauhistorische Wundertüte

Ein mittelalterliches Bürgerhaus in Erfurt enthüllt bei der Restaurierung Spuren aus sechs Jahrhunderten. Fünf Jahre dauert der behutsame Umbau. Heute bietet das geschichtsträchtige Haus komfortables Wohnen. Porträt des Viertplatzierten beim KfW Award Bauen 2017.

Ein Haus mit Überraschungen

Wie der Bauherr den Umbau des historischen Bürgerhauses erlebte (KfW Bankengruppe/n-tv).

Ausgerechnet das Haus mit dem anspruchsvollen Namen „Zum Güldenen Stern“ war lange einer der trübsten Flecken der Erfurter Altstadt. Während ab 1990 ringsum ein bauhistorischer Schatz nach dem anderen gehoben und poliert wurde, gab sich der Stern von Jahr zu Jahr stumpfer. Die Eigentümer lebten weit entfernt und wussten mit dem Haus nichts anzufangen.

Ganz anders Frank Orschler aus Allendorf im Thüringer Wald: „Ich bin da mehrfach vorbeigekommen, es hat immer so desolat ausgesehen. Irgendwann habe ich es dann gekauft, aus Leidenschaft und nicht zum Geldverdienen.“ Dank seiner Leidenschaft strahlt der Stern neu, erzählt mehr als ein halbes Jahrtausend Stadtgeschichte und bietet musealen, zugleich komfortablen und technisch avantgardistischen Wohnraum.

Orschlers Firma stellt Implantate zur Reparatur von Knochen her – und mit dem Haus machte er etwas Ähnliches.

Der „Güldene Stern“ ist eins der ältesten Bürgerhäuser Erfurts – eins von ganz wenigen, die noch aus dem Mittelalter erhalten sind. Viel mehr wusste Orschler aber beim Kauf noch nicht. Einbauten und Anbauten, Farbe und Putz verbargen überall die historische Substanz. Rundbögen waren zugemauert, Außentreppen ans Gemäuer montiert, Pflastersteine von Asphalt überdeckt. Beim vorsichtigen Freilegen und Entfernen erlebte Orschler „andauernd neue Überraschungen“.

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Bauherren Preisträger KfW Award Bauen 2017
Glücklich

Bauherr Frank Orschler (Mitte), die Architekten Lichtenheld und Herbst.

Am augenfälligsten sind die Malereien – an Wänden und Decken, an Balken und Erkern, aus Renaissance, Barock, Klassizismus und diversen Epochen der Neuzeit. Es sind Ornamente, Blüten, Streifen oder Fragmente von Figuren. Einige sind fast vollständig und wirken frisch, von anderen gibt es nur noch blasse Reste. Und alle werfen Rätsel auf – denn über Erbauer und Bewohner in früheren Zeiten und ihr Gewerbe ist nach wie vor fast nichts bekannt.

Auch nicht über das Geschehen im Obergeschoss, das aus einem einzigen riesigen, mehr als vier Meter hohem Saal bestand. Hier ist auch heute wieder das Kernstück des Hauses: eine Mietwohnung mit einer mehr als großzügigen Diele zum Hof; zur Straße gehen die Wohnräume und der repräsentative Erker.

Von der Küche auf der Hofseite führt ein neuer Steg auf das Dach des Hinterhofschuppens aus jüngerer Zeit, der früher eine Autowerkstatt beherbergte. Darauf ist jetzt die Mieter-Terrasse – vielleicht der größte individuelle Außenraum, den eine Wohnung in der Erfurter Altstadt besitzt.

Preisverleihung 2017

Eindrücke von dem Gala-Abend in Berlin, auf dem die KfW Awards Bauen 2017 vor prominenten Gästen verliehen wurden (KfW Bankengruppe/n-tv).

Zwei kleinere Wohnungen liegen im Erdgeschoss. Alle haben modernste Technik – Elektronik, Dämmung, eine Lüftungsanlage und Fußbodenheizungen. Doch bis auf ein paar Steuerungen, Stecker und dezente Lüftungsrohre auf der Hofseite des Daches sieht man fast nichts davon.

Geheizt wird mit Fernwärme; dafür braucht es im Haus eine voluminöse Übergabestation. Damit sie nicht den mittelalterlichen Keller beeinträchtigte, ließ Orschler ein Rohr von der Straße in den Hof legen, installierte die Station in der Garage und führte von dort ein zweites Rohr ins Haus zurück. Das 500-jährige Pflaster kam wieder oben drauf.

Und vorn an der Straßenfassade strahlt und funkelt jetzt wieder der Stern. In 18-karätigem Blattgold, wie es sich für ein solches Haus gehört.

Quelle
Cover des Print-Magazins BAUEN & WOHNEN 2017

Das Preisträger-Porträt ist erschienen in bauen + wohnen 2017.

Zur Ausgabe

Das Projekt in Stichworten

Projekt: Restaurierung und Modernsierung des spätmittelalterlichen Hauses „Zum Güldenen Stern“
Lage: Erfurt, Allerheiligenstr. 11 (Altstadt)
Baujahr: 15. und 16. Jahrhundert, modernisiert 2012 - 2014
Bauherren: Frank Orschler, Allendorf
Architekten und Energieberater: Annegret Herbst und Hans-Ulrich Lichtenheld, Rudolstadt

Fläche: 815 Quadratmeter Grundstück, 600 Quadratmeter Gebäude, 306 Quadratmeter Wohnfläche
Baukosten/m2: k.A.

Qualitäten für die Bewohner: Wohnen im historischen Ambiente in der Erfurter Altstadt mit modernem Komfort
Qualitäten für die Gesellschaft: Restaurierung eines wertvollen Kulturdenkmals, Wohnraum im Kern der Stadt
Energiesparen: Dämmung soweit denkmalpflegerisch möglich, Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung, Wärmeschleier vor Wänden durch Sockelleistenheizung
Barrierearmut: Sanitärbereich, Bewegungsflächen, rutschfeste Beläge

Auf KfW Stories veröffentlicht am: Montag, 29. Mai 2017

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