Christiane Laibach, KfW-Vorstandsmitglied
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"Fortschritte könnten verloren gehen"

Interview mit Christiane Laibach, Vorstandsmitglied der KfW, anlässlich des Weltfrauentags über die Bedeutung von Frauen in der Entwicklungszusammenarbeit und über Frauenförderung in der KfW.

Zur Person
Christiane Laibach Mitglied des Vorstands der KfW

Christiane Laibach steht als erste Frau an der Spitze der KfW Entwicklungsbank. Davor war sie die erste weibliche Geschäftsführerin der KfW-Tochter DEG und davor das erste weibliche Vorsitzende der Geschäftsführung der anderen Tochter KfW IPEX-Bank. Damit ist die gelernte Volkswirtin nicht nur in der KfW, sondern generell im Finanzsektor eine Vorreiterin.

Christiane Laibach

Frau Laibach, am 8. März ist Weltfrauentag. Was verbinden Sie mit diesem Tag?

Christiane Laibach: Ich finde diesen Tag wichtig, zumal er weltumspannend begangen wird. Er erinnert uns daran, dass wir noch so gut wie nirgends wirkliche Gleichberechtigung und gleiche Teilhabe von Frauen erreicht haben. Der Tag bietet die Möglichkeit zu reflektieren, wo wir stehen, was schon erreicht worden ist und was noch geschehen muss.

Ist denn schon viel geschehen? Manche meinen auch, die Entwicklung gehe wieder rückwärts. Wie sehen Sie das?

Meiner Ansicht nach sind schon viele Fortschritte erzielt worden. Manches geht vielleicht nicht schnell genug, aber ich sehe eine klare Entwicklung. Allerdings ist nicht gesichert, dass sie fortgeschrieben wird. Das zeigt uns nicht zuletzt die Corona-Pandemie, bei der wir erleben, auch bei uns, wie Frauen wieder stärker in ihre traditionelle Rolle zurückgedrängt werden. Deshalb müssen wir gerade in einer solchen Phase aufpassen, dass Fortschritte nicht verloren gehen.

Warum geht das alles so langsam? Nach Berechnungen des Weltwirtschaftsforums dauert es bei der jetzigen Geschwindigkeit weitere 135 Jahre, bis wir die sogenannte Gender-Lücke geschlossen haben.

Leider ist der Wert, auch durch Corona, sogar wieder gestiegen. Er betrug schon mal etwa 100 Jahre, was auch noch viel war. Andererseits liegen zwischen dem Wahlrecht für Frauen in Deutschland und heute ebenfalls etwa 100 Jahre, in denen unheimlich viel passiert ist. Kulturgeschichtlich ist das ein relativ kurzer Zeitraum, für die einzelne Frau und ihre Wünsche und Bedürfnisse beziehungsweise ihre verhinderten Lebenschancen natürlich viel zu lang.

Woran liegt das Ihrer Ansicht nach? Die erste Weltfrauenkonferenz fand 1975 in Mexiko statt. Das ist fast 50 Jahre her - und wir reden immer noch über die gleichen Probleme.

Das traditionelle Rollenverständnis ist in vielen Kulturen ganz tief verankert. Es aufzubrechen, ist auch ein Einschnitt in Gebräuche, Gewohnheiten und Wertvorstellungen. Solche Prozesse brauchen eine sehr lange Zeit. Aber sie sind möglich. Und natürlich gibt es Beharrungskräfte, weil mehr Gleichberechtigung auch bedeutet, dass bestimmte Gruppen - vor allem Männer - Privilegien aufgeben müssen. Dagegen sträuben sie sich; dadurch sind die Widerstände immer noch sehr stark.

Bremsen sich die Frauen manchmal auch selbst aus?

Mit Sicherheit. Sie müssen häufig eine Rolle überwinden, die sie von Kindheit an eingeübt bekommen haben. Da stehen wir uns auch als Frauen im Weg, selbst hier in Deutschland.

Dabei wissen wir inzwischen, dazu gibt es viele Berechnungen, dass es der Welt insgesamt besser gehen würde bei gleichberechtigter Teilhabe von Frauen: auch wirtschaftlich.

Das ist so. Die globale Wirtschaftskraft würde steigen. Und im übrigens brauchen wir die Frauen auch für das Erreichen der internationalen Nachhaltigkeitsziele. Es besteht überhaupt kein Zweifel daran, dass wir das alles ohne sie nicht schaffen. Wie überhaupt Frauen eine zentrale Rolle für Entwicklung spielen, gerade in ärmeren Ländern. Es ist somit nicht nur das „Richtige“, sondern auch ökonomisch das Klügste, was man tun kann. Konkret erwirtschaften Unternehmen mit paritätisch besetzter Führung eine höhere Eigenkapitalrendite, stellen ein höheres Engagement der Mitarbeiter sicher und profitieren von einem besseren Ruf und diverserer Unternehmensführung.

M-BIRR
Gut verbunden

Mit dem bargeldlosen Geldtransfersystem M-Birr können auch Frauen auf dem Land über ihr Mobiltelefon ohne Bankkonto und ohne Internetzugang Finanztransaktionen vornehmen - eine wichtige Voraussetzung für wirtschaftliches Wachstum und Wohlstand.

Warum ist das so?

Frauen sind, das lehrt die Erfahrung, zuverlässiger und in dem Sinne nachhaltiger, dass sie an echten Fortschritten interessiert sind, nicht zuletzt für ihre Kinder. Klingt ein wenig pauschal, aber trifft die Regel. Sie denken langfristiger, weniger an den unmittelbaren und individuellen Konsum, und suchen nach Möglichkeiten und Chancen, sich und ihre Familien voranzubringen. Dadurch sind sie wichtige Treiber von Entwicklung, ohne die es nicht geht. Und deshalb sind sie auch für die SDGs unverzichtbar.

Haben Sie selbst Frauen in ärmeren Ländern kennengelernt, die Sie auf irgendeine Weise beeindruckt haben?

Immer wieder. Vor allem in meiner DEG-Zeit habe ich viele Unternehmerinnen getroffen, die zum Teil trotz schwierigster Umstände sehr beharrlich und häufig auch erfolgreich waren. Ganz besonders in Erinnerung geblieben ist mir eine Begegnung in einem Dorf in Sambia. Im Rahmen eines Exposure-Programms habe ich mehrere Tage dort verbracht. Dabei hat mich eine Frau besonders beeindruckt, die ihren Mann verloren hatte und somit ihre drei Kinder unter sehr schwierigen Bedingungen allein großgezogen und ernährt hat, indem sie ihr Feld bestellt hat.

Die neue Entwicklungsministerin Svenja Schulze strebt eine feministische Entwicklungspolitik an. Welche Impulse nehmen Sie daraus für die KfW mit?

Es geht darum, den Wert der Frauen für das Fortkommen von Gesellschaften zu würdigen und entsprechend zu berücksichtigen. Am Ende soll die gleiche politische, wirtschaftliche Teilhabe aller Menschen unabhängig von ihrem Geschlecht oder ihrer sexuellen Orientierung stehen. Das unterstützen wir als KfW ausdrücklich, weil sich nur so die Lebensbedingungen für alle verbessern lassen - und das ist unser ultimatives Ziel in der Entwicklungszusammenarbeit. Aber klar ist auch, dass wir uns beim Thema Frauen alle noch weiter anstrengen müssen.

Christiane Laibach Mitglied des Vorstands der KfW
Christiane Laibach

Die Themen der KfW gelten eher als männlich: Energie, Infrastruktur, Finanzwesen. Welche Rolle spielen Frauen bei den konkreten Projekten der Entwicklungszusammenarbeit?

Das ist ein Vorurteil. Erstens profitieren auch Frauen sehr davon, wenn sie Zugang zu Energie und Strom erlangen. Wasserleitungen und intakte Mobilität nützen ihnen ebenfalls ganz direkt in ihrem Alltag. Bei Schulen und Krankenhäuser ist der Nutzen ohnehin sofort ersichtlich. Aber auch beim Finanzsektor sehen wir, wie wichtig es ist, Frauen einzubinden.

Was meinen Sie mit Einbinden in den Finanzsektor genau?

In vielen Entwicklungsländern arbeitet ein großer Teil der Menschen auf die eine oder andere Weise selbständig, als Bauern, Handwerker, Dienstleister und Kleinunternehmer. Das gilt auch für viele Frauen. Für sie ist es wichtig, dass sie Zugang zum Finanzsektor haben, ein Konto eröffnen können, vielleicht auch einen Kredit bekommen. Ihnen diese Möglichkeit zu verschaffen, ist ein wichtiges Ziel der KfW. Und zwar nicht nur aus Mitgefühl oder weil wir Gutes tun wollen. Wir wissen inzwischen, dass sich das auch für die beteiligten Banken lohnt. Frauen sind ein echter Business Case und als Unternehmerinnen häufig sehr erfolgreich, wenn man sie denn lässt. Nicht ohne Grund fördert die KfW seit vielen Jahren den Finanzsektor in vielen Ländern, inklusive Mikrobanken, weil davon überproportional viele Frauen profitieren.

Ist denn die Bankenwelt nicht immer noch sehr männlich geprägt?

Das ist sie, auf allen Ebenen und bei den Kunden selbst auch. Dabei zeigen Studien, dass Frauen nicht nur zuverlässiger ihre Kredite zurückzahlen, sondern als Bankenmanagerinnen auch dazu beitragen, das Finanzsystem insgesamt stabiler zu machen. Demnach machen Frauen erst 40 Prozent der Sparer:innen und Kreditnehmer:innen aus und belegen nur 2 Prozent der Top-Positionen in Banken. Dem versuchen wir entgegen zu wirken, intern und extern.

Sie selbst sind auch die erste Frau an der Spitze der Entwicklungsbank. Haben Sie sich vorgenommen, die Frauenquote in der Entwicklungsbank zu erhöhen?

Das habe ich und das ist mir sehr wichtig. Wir haben uns als KfW ganz gut entwickelt in den letzten Jahren. Der Vorstand wird voraussichtlich bald wieder paritätisch besetzt sein. Im Management sind 30 Prozent Frauen aber noch nicht ausreichend, ich sehe daher weiteren Nachholbedarf. Daran wollen wir arbeiten.

Sie persönlich oder der gesamte Vorstand?

Beides.

Haben Sie selbst das Gefühl je gehabt, als Frau diskriminiert zu werden?

Ich war fast immer in den internationalen Finanzierungen der KfW tätig und hatte dadurch mit Menschen aus den unterschiedlichsten kulturellen Zusammenhängen zu tun. Unverhohlene Diskriminierung habe ich dabei nicht erlebt, so nach dem Motto: Mit einer Frau verhandele ich nicht. Aber subtilere Methoden gab es schon, wie gönnerhaftes Verhalten, Informationen vorenthalten, auch non-verbale Zeichen, mit denen versucht wurde, klare Hierarchien aufzubauen. Da muss man dann cool bleiben und unbeirrt seine Ziele verfolgen. Nicht zuletzt deshalb freut es mich aber besonders, dass die deutsche Entwicklungspolitik heute sehr weiblich ist.

Wie meinen Sie das?

An vielen Schaltstellen der deutschen Entwicklungspolitik sitzen mittlerweile Frauen: Das gab es so noch nie. Das Entwicklungsministerium, das Außenministerium und das Umweltministerium werden von Frauen geführt; dort sind Svenja Schulze, Annalena Baerbock und Steffi Lemke zuständig. Und auch an der Spitze der beiden großen Durchführungsorganisationen sitzen mit Ingrid-Gabriela Hoven von der GIZ und mir zwei weitere Frauen. Das zeigt: Die Dinge ändern und entwickeln sich doch.

Auf KfW Stories veröffentlicht am 8. März 2023