Monique Wasunna im Kampf gegen vernachlässigte Tropenkrankheiten
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„Gesundheit ist ein Menschenrecht“

Monique Wasunna kämpft dafür, dass neue Medikamente gegen vernachlässigte Tropenkrankheiten erforscht und zu erschwinglichen Preisen auf den Markt gebracht werden. Ein Interview mit der Afrika-Direktorin von Drugs for Neglected Diseases.

Interview: Monique Wasunna im Kampf gegen vernachlässigte Tropenkrankheiten
Monique Wasunna

... hat in Nairobi und London studiert und in Tropenmedizin promoviert. Für die Weltgesundheitsorganisation hat sie eine Reihe von klinischen Studien durchgeführt. Heute koordiniert sie als Afrika-Direktorin der Non-Profit-Organisation Drugs for Neglected Diseases (DNDi) von der kenianischen Hauptstadt Nairobi aus die Aktivitäten der Universitäten und Forschungseinrichtungen, die mit DNDi in Afrika forschen.

Frau Wasunna, wie konnte es dazu kommen, dass viele Krankheiten über Jahre hinweg von der Forschung nur stiefmütterlich behandelt wurden?

Dort, wo diese Krankheiten grassieren, leben die Ärmsten der Armen. Für die pharmazeutische Industrie hat es sich deshalb nicht gelohnt, aktiv zu werden. Aber auch die Regierungen, sowohl in den Entwicklungsländern wie auch in den wohlhabenden Staaten, haben lange nichts unternommen.

Sie sind die Afrika-Direktorin der Drugs for Neglected Diseases Initiative, DNDi. Ihre Organisation engagiert sich im Kampf gegen vernachlässigte Krankheiten. Welche sind das?

Es gibt etwa 20 Erkrankungen, die in dieses Raster fallen: vor allem Tropenkrankheiten wie die afrikanische Schlafkrankheit oder die Chagas-Krankheit, aber auch Infektionskrankheiten, die zu einer hohen Kindersterblichkeit führen. Es sind Erkrankungen, für die es häufig keine wirkungsvollen Medikamente gibt, zu denen so gut wie nicht geforscht wird und für die sich auch lange niemand wirklich interessiert hat. Die Mitarbeiter von Ärzte ohne Grenzen erlebten die dramatische Lage vor Ort und machten kurz vor der Jahrtausendwende darauf aufmerksam. Ihr Appell lautete: Es muss bei diesen Krankheiten dringend etwas getan werden.

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Globale Gesundheit

Wie vernachlässigte Tropenkrankheiten reduziert werden können (KfW Bankengruppe/Nutcracker).

Was ist dann passiert?

1999 wurde Ärzte ohne Grenzen mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Ein Teil des Preisgeldes wurde verwendet, um unsere Organisation zu gründen. DNDi bringt Forscher aus Universitäten und Industrie zusammen, um Medikamente gegen vernachlässigte und armutsbedingte Krankheiten zu entwickeln. Wir forschen dabei nach neuen Medikamenten genauso, wie wir versuchen, bestehende Medikamente zu verbessern oder erschwinglicher zu machen. Wichtig ist auch die kontinuierliche Lobbyarbeit: Wir sorgen dafür, dass das Thema im Bewusstsein bleibt.

Welche Krankheiten stellen in Entwicklungs- und Schwellenländern die größten Gefahren dar?

Etwa drei Millionen Menschen pro Jahr sterben noch immer an Malaria, Aids und Tuberkulose. Doch auch viele der sogenannten vernachlässigten Krankheiten können zum Tod führen, wenn die medizinische Versorgung nicht stimmt. Mit dem Kampf gegen Malaria hat unsere Arbeit begonnen. Wir haben mit dem Konzern Sanofi ein wirkungsvolles Präparat entwickelt, das weniger als einen Dollar kostet. Die Technik, dieses Medikament herzustellen, wurde an Zenufa, ein Unternehmen in Tansania, weitergegeben. Dass die Wirkstoffe dort entstehen, wo sie gebraucht werden, ist enorm wichtig.

Interview: Monique Wasunna im Kampf gegen vernachlässigte Tropenkrankheiten
„Etwa drei Millionen Menschen pro Jahr sterben noch immer an Malaria, Aids und Tuberkulose.“

Monique Wasunna, Afrika-Direktorin von Drugs for Neglected Diseases (DNDi)

Mit welchen Erkrankungen beschäftigen Sie sich besonders?

Einer der Schwerpunkte ist die viszerale Leishmaniose, eine Infektionskrankheit, bei der die inneren Organe angegriffen werden. Übertragen wird sie von Sandmücken. Erst bekommt man Kopfschmerzen und Fieber, dann greift sie das Immunsystem an. Wird die viszerale Leishmaniose nicht richtig behandelt, kann sie zum Tod führen.

Finanzierung

Im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung fördert der Geschäftsbereich KfW Entwicklungsbank mehrere Produktentwicklungs-Partnerschaften, auch die 2003 gegründete Drugs for Neglected Diseases Initiative (DNDi). In einer ersten Phase, in der seit 2011 insgesamt 26,4 Millionen Euro zur Verfügung gestellt wurden, erhielt DNDi neun Millionen Euro. In der zweiten Phase der Förderung, die bis 2021 laufen wird und ein Gesamtvolumen von 50 Millionen Euro hat, bekommt DNDi nun zehn Millionen Euro. Verwendet wird das Geld für Medikamentenentwicklung gegen die afrikanische Schlafkrankheit, viszerale Leishmaniose, die Chagas-Krankheit sowie Wurmerkrankungen; unterstützt werden fünf Einzelprojekte.

Was konnten Sie bei der Leishmaniose bereits erreichen?

Wir haben eine Forschungsplattform mit verschiedenen Partnern in Kenia, Sudan, Äthiopien und Uganda ins Leben gerufen, um gemeinsam an einem Medikament zu forschen: die Leishmaniasis East Africa Platform. Den Wirkstoff, eine Kombination aus zwei vorhandenen Präparaten, konnten wir in einer Studie mit mehr als 1.000 Patienten testen. Das Ergebnis: Die Wirkung ist deutlich besser, die Dauer der Behandlung wurde fast halbiert. Die Weltgesundheitsorganisation hat eine Empfehlung für das Produkt ausgegeben. Das ist ein riesiger Erfolg. Geklappt hat das nur, weil wir unser Wissen austauschen und uns darauf einlassen, voneinander zu lernen. So läuft gute Forschung.

Sie selbst sind Ärztin, arbeiten heute aber als Afrika-Direktorin von DNDi. Was ist Ihre Rolle?

Ich leite das Regionalbüro von DNDi mit rund 30 Mitarbeitern in Nairobi, der Hauptstadt Kenias. Meine Aufgabe ist es, regionale Partnerschaften aufzubauen und zu stärken. Wir arbeiten mit Gesundheitsministerien, Forschungsinstituten und Universitäten zusammen. Es ist wichtig, dass wir uns auf unsere Mitstreiter verlassen können – denn DNDi hat weder eigene Labore noch eigene Kliniken –, und auch, dass wir ein regionales Büro in Afrika haben. So sind wir dort vor Ort, wo die Krankheiten auftreten. Wir können dann die Ärzte anleiten, können erklären, wie unsere Medikamente benutzt werden, worauf sie achten müssen.

DNDi ist eine PDP, eine sogenannte Produktentwicklungspartnerschaft. Was sind die Vorteile dieses Modells?

PDPs bündeln die Expertise von privaten und öffentlichen Institutionen und der Industrie für die Forschung und die Entwicklung neuer Produkte, für die es keinen kommerziellen Markt gibt. Perfekt ist das Modell, weil es auf Zusammenarbeit und Ideenaustausch setzt und man sich gemeinsam darauf konzentriert, konkrete Forschungslücken zu füllen. Jeder Partner bringt sein Bestes ein. Es gibt mittlerweile verschiedene PDPs – manche arbeiten an Medikamenten, andere an Impfstoffen oder auch Diagnostika für die verschiedenen vernachlässigten und armutsassoziierten Krankheiten.

Was treibt Sie bei Ihrer Arbeit an?

Dass noch immer Menschen sterben, weil ihnen die richtigen Medikamente, die richtige Behandlung fehlen. Und solange das so ist, können wir weder den Druck reduzieren noch die Arbeit zurückfahren. Die Bedürfnisse der Patienten sind es, die im Mittelpunkt unserer Arbeit stehen: erschwinglichere Medikamente, einfache Handhabung, kürzere Behandlungszeiten. Viele der Erkrankten in den armen Regionen sind häufig Stunden unterwegs, um eine Praxis aufzusuchen. Wenn man aber Medikamente entwickelt, die sie selbst oral einnehmen können, anstatt dass ein Arzt sie injizieren muss, bedeutet das eine enorme Verbesserung. Unsere Vision ist es, das Leben und die Gesundheit der Betroffenen signifikant zu verbessern. Gesundheit ist ein Menschenrecht. Es ist beeindruckend, mit welcher Leidenschaft daran gearbeitet wird, die Lage zu verbessern. Und ich bin stolz, Teil dieses Prozesses zu sein.

Quelle
Cover CHANCEN „Innovation“

Der Artikel ist erschienen in CHANCEN Frühjahr/Sommer 2018 „Neue Ideen erhellen die Welt“.

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Was hat sich seit der Jahrtausendwende, als das Problem der vernachlässigten Krankheiten in seiner Drastik erkannt wurde, getan? Gibt es Fortschritte?

Auf jeden Fall. Bei den Pharmafirmen hat ein Umdenken stattgefunden, wir kooperieren heute intensiv mit ihnen. Die Erkenntnis, dass es nicht nur um finanziellen Erfolg geht, hat sich auch bei ihnen durchgesetzt. Die Konzerne haben zum Beispiel auch erkannt, dass es für ihre Mitarbeiter motivierend sein kann, auf einem so wichtigen Feld zu forschen.

Die G7-Staaten haben im Juni 2015 vereinbart, das Recht auf Gesundheit zu stärken und die Forschung zu vernachlässigten Krankheiten zu intensivieren. Eine wichtige Entscheidung oder eher eine von symbolischer Natur?

Die G7-Staaten haben unter der Führung von Deutschland einen hervorragenden Job gemacht. Wenn die stärksten Industrienationen beschließen, das Problem mit vereinten Kräften in Angriff zu nehmen, ist das ein wichtiges Zeichen. Vernachlässigte Krankheiten gehen uns alle an! Migration und Mobilität verbinden uns. Niemand kann sich darauf verlassen, dass diese Krankheiten in seinem Land nicht zu einem Problem werden. Wir müssen sie gemeinsam bekämpfen.

Auf KfW Stories veröffentlicht am: Dienstag, 14. August 2018

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Alle Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen verabschiedeten im Jahr 2015 die Agenda 2030. Ihr Herzstück ist ein Katalog mit 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung, den Sustainable Development Goals (SDGs). Unsere Welt soll sich in einen Ort verwandeln, an dem Menschen ökologisch verträglich, sozial gerecht und wirtschaftlich leistungsfähig in Frieden miteinander leben können.