Männer mit Schutzmasken in einem mobilen Labor in Kenia
Mobile Labore

Mobile Labore

Warten auf Gewissheit

Nur wer einen negativen Corona-Test vorweisen kann, darf nach Kenia einreisen. So soll die Krankheit in Ostafrika eingedämmt werden. KfW Stories besuchte einen Grenzübergang, wo mit deutscher Hilfe finanzierte mobile Labore die Prozesse beschleunigen.

Ramadan Saidi hat sich in seine rot-schwarz karierte Shuka gehüllt, die Decke der Massai, und wartet. Es ist kühl an diesem Vormittag im tansanisch-kenianischen Grenzort Namanga. Saidis Augen, die über dem Mundschutz mit FC-Chelsea-Aufdruck zu sehen sind, verraten eine gewisse Ungeduld. Saidi ist Tansanier und Lkw-Fahrer. Vor drei Tagen ist der 52-Jährige mit einer Ladung Mais aus der tansanischen Stadt Arusha über die Grenze nach Kenia gekommen, seitdem wartet er in Namanga auf seinen Corona-Test. Nur mit einem negativen Befund darf er weiterfahren nach Thika, in den 200 Kilometer entfernten kenianischen Bestimmungsort seiner Ladung.

Kenia hat sehr früh mit Restriktionen auf die ersten bekannten Covid-19-Infektionen reagiert. Womöglich sind daher die Fallzahlen an diesem Julitag mit 14.000 deutlich niedriger als zunächst befürchtet. 250 Menschen sind an oder im Zusammenhang mit einer Corona-Infektion gestorben, bei einer Bevölkerung von 52 Millionen. Allerdings steigen die Zahlen stark an. Statistikprofessor Gichuhi Waititu erwartet den Höhepunkt der Pandemie in Kenia im Herbst.

Männer in Schutzanzügen und Masken in einem mobilen Labor in Kenia

Medizinisch-technische Laboratoriumsassistenten kurz vor ihrem Einsatz: Ausgerüstet mit Ganzkörperanzug, Gummihandschuhen und Atem- und Augenschutz nehmen sie sich in einer zur Teststation umfunktionierten Lagerhalle Zeit für ein Foto.

Mobile Labore zur Früherkennung

Weil Ramadan Saidi freitags ankam und am Wochenende keine Abstriche gemacht wurden, musste er in einem Gästehaus zwei Tage warten. „Immerhin zahlt mein Boss die Übernachtung“, sagt er. Andernfalls würde sich die Fahrt für Saidi nicht lohnen: Jede Nacht kostet umgerechnet 3,80 Euro, ein Zehntel seines Verdienstes für den Trip nach Thika und zurück. Zum Glück für Spediteure und Fahrer ist die Wartezeit deutlich kürzer geworden, seit in Namanga Anfang Juni ein mobiles medizinisches Hochsicherheitslabor aufgebaut wurde. Bis dahin mussten alle Proben in die Hauptstadt Nairobi geschickt werden, erst nach Tagen lagen die Ergebnisse vor. „Jetzt haben wir sie spätestens nach zwölf Stunden“, sagt Abdi Roba, der das mobile Labor leitet.

Die KfW hatte der Ostafrikanischen Gemeinschaft (EAC), der auch Kenia und Tansania angehören, im Auftrag der deutschen Bundesregierung 12,5 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, damit ein Netzwerk aus neun mobilen Laboren zur Früherkennung hochinfektiöser Erreger aufgebaut werden kann. An dem Projekt ist auch das Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNITM) in Hamburg beteiligt. Auslöser für die Projektidee war die verheerende Ebola-Epidemie in Westafrika, die zwischen 2014 und 2016 mehr als 11.300 Menschen das Leben kostete. Dass die Labore nun rechtzeitig in der Corona-Pandemie bereitstehen, ist ein Glücksfall. „Diese mobilen Labore sind für Entwicklungsländer wie unseres besonders geeignet“, lobt Wissenschaftler Roba. „Sie können in abgelegenen Regionen aufgebaut werden, aus denen die Proben sonst erst in die Hauptstadt geschickt werden müssten.“ Im Extremfall, wie im ebenfalls mitversorgten Südsudan, kann der Unterschied Wochen ausmachen: In dem langjährigen Bürgerkriegsland gab es kein Hochsicherheitslabor, alle Proben wurden zur Auswertung nach Uganda geflogen.

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Die kürzeren Wartezeiten vermindern nicht nur die wirtschaftlichen Härten, wie im Falle von Lkw-Fahrern und Spediteuren. Sie sind auch entscheidend, um einen Infektionsherd im Frühstadium erkennen und den Ausbruch einer Epidemie verhindern zu können. „Werden die Proben schnell ausgewertet, bekommt die Regierung ein ziemlich genaues Bild vom Infektionsgeschehen“, erklärt der Mikrobiologe Florian Gehre vom BNITM. Infizierte Patienten können isoliert werden, ehe sie weitere Menschen anstecken, Kontakte rechtzeitig verfolgt werden.

Ein kenianischer Trucker steht vor seinem LKW

Dennis Vikiru, ein kenianischer Lkw-Fahrer, steht vor seinem Lkw, nachdem er am 6. Juni 2020 am Grenzübergang Namanga zwischen Kenia und Tansania seine Ergebnisse für einen Covid-19-Test erhalten hat. Dennis' Ergebnisse waren negativ, so dass er seine Reise fortsetzen konnte.

Kürzere Wartezeiten an den Grenzen

Die Auswertung setzt Abstriche voraus. In Namanga kümmert sich darum ein fünfköpfiges Team, jedes Mitglied ist eingepackt in einen weißen Schutzanzug. In einem steckt der 27-jährige Ayuub Mutethia. „Alle aus unserem Team haben große Angst, sich mit dem Virus zu infizieren“, räumt der medizinische Labortechniker ein. Letztlich hält er das Risiko jedoch für beherrschbar. Schließlich hätten sie alle genügend Schutzkleidung und achteten penibel auf die Hygiene. Allerdings hat die Sicherheit ihren Preis: „In den Schutzanzügen ist es sehr heiß, eigentlich sollte man nur zwei Stunden darin arbeiten, aber wir brauchen manchmal drei bis vier, um alle Proben zu nehmen.“

Diejenigen, die sich vor ihm auf einen Plastikstuhl setzen, um Abstriche in Nase und Rachenraum machen zu lassen, sind fast ausnahmslos Lkw-Fahrer, die Strecken zwischen Sambia und Uganda bedienen. In Zeiten von Corona ist dieser Job ein bürokratisch kompliziertes, zeitaufwendiges Unterfangen, das mit großen gesundheitlichen Risiken verbunden ist. Unter Lkw-Fahrern ist die Infektionsrate besonders hoch. Vermutlich, weil sie sich wegen der langen Wartezeiten an den Grenzen und der Übernachtungen in Gästehäusern leicht infizieren. Weil die Dauer der Auswertung und die Zuverlässigkeit der Tests enorme wirtschaftliche Folgen haben, lösten die Abläufe an der Grenze zwischenzeitlich politische Spannungen zwischen Tansania und Kenia aus. Dass die Auswertung schnell erfolgt und die Proben nicht verwechselt werden, ist daher auch politisch wichtig. Die Stimmung zwischen Kenia und Tansania hat sich jedenfalls wieder entspannt, vermutlich auch, weil die Wartezeiten dank des mobilen Labors nun kürzer sind.

Jetzt ist Saidi an der Reihe. Er kennt die Prozedur schon und weiß, wie unangenehm sie vor allem in der Nase ist. Trotzdem findet er die Tests richtig und wichtig. „Ich muss doch wissen, ob ich Corona habe.“ Obwohl er zwischen den anderen Wartenden steht, hat er keine Angst vor dem Virus. „Ich tue alles, um mich zu schützen. Ich trage einen Mundschutz, wasche mir häufig die Hände und desinfiziere sie.“ Allerdings schrumpfen die Abstände zwischen den Wartenden immer wieder unter die empfohlenen anderthalb Meter.

Ein Labormitarbeiter trägt Mundschutz und beschriftet eine Phiole

Laborant Lein Evanson kennzeichnet ein Röhrchen, das mit dem Abstrich befüllt ist. Tags darauf wird sich herausstellen: Ein hoher Prozentsatz ist positiv getestet.

Professionelle Schulungen mithilfe von Experten

Beim Nasenabstrich verzieht Saidi unwillkürlich das Gesicht und zuckt zusammen, dann ist es überstanden. Wie alle anderen hat er bei der Registrierung ein sorgfältig beschriftetes Röhrchen bekommen, das – mit seinen beiden Abstrichen befüllt – mit den übrigen in Kühlboxen ins Labor gebracht wird. Das liegt nicht weit entfernt, es wurde in einem leer geräumten Operationssaal im Gesundheitszentrum von Namanga aufgebaut. Dort steht das Team schon bereit. Kevin Oriki ist mit dem ersten, besonders wichtigen Schritt betraut: Ebenfalls im Schutzanzug nimmt er die Röhrchen mit den Proben in Empfang, sortiert sie in einem Sicherheitsschrank in Träger. Sorgfalt ist entscheidend, denn hier bekommen alle Proben eine Labor-ID, damit am Ende jeder Fahrer wirklich seinen Befund erhält. Kevin Oriki wird von Timothy Nzomo geschult, der wiederum – ebenso wie Abdi Roba – vom Bernhard-Nocht-Institut ausgebildet wurde. Die gute Schulung der Labortechniker ist für schnelle und verlässliche Ergebnisse mindestens so wichtig wie die Qualität der Geräte. Deshalb haben die Nocht-Experten Florian Gehre und Muna Affara insgesamt zwölf „Trainer of Trainers“ ausgebildet, die ihr Wissen vor Ort weitergeben. Der 33-jährige Timothy Nzomo hatte schon mit Ausbrüchen von Denguefieber und dem Rift-Valley-Fieber zu tun. Die Auswertung der Covid-19-Proben schreckt ihn nicht. „Wir sind so gut ausgebildet, dass wir uns keine Sorgen machen müssen.“ Die Arbeit im Labor sei aber anstrengend und belastend. „Wir gehen morgens hierher und kommen abends zurück in unsere Unterkunft. In dieser Routine geht das seit Wochen.“ Trotzdem macht er seinen Job gern, empfindet seine Tätigkeit als ausgesprochen sinnvoll.

Im Labor durchläuft jede Probe drei Stufen: die Zuordnung zu einer Labor-ID, die Isolierung des genetischen Materials und schließlich dessen Auswertung. Während das Team im Labor die heutigen Proben analysiert, bekommen die Lkw-Fahrer, die am Freitag getestet wurden, ihre Ergebnisse. Mit der Bestätigung, dass er negativ ist, geht Fernfahrer Denis Vikiru zu seinem weißen Lkw. Schafe und Ziegen recken ihre Köpfe über die Seitenwände des Lastwagens, in dem der 25-jährige Kenianer sie nach Nairobi fahren wird. Vikiru hat die 250 Tiere am Morgen aufgeladen, weil er zuversichtlich war, dass er heute tatsächlich aufbrechen kann. Er lebt auf der kenianischen Seite von Namanga, muss sich aber testen lassen, ehe er nach Nairobi darf. „Ein Mal bin ich schon positiv gewesen“, erzählt er. Daraufhin wurde er per Krankenwagen in die Hauptstadt in eine Isolierstation gebracht, wo er 32 Tage bleiben musste. Der Verlauf war bei ihm nicht dramatisch, und er sei gut behandelt worden. „Aber ich habe mich schuldig gefühlt.“ Viele Infizierte erzählen, dass sie und ihre Familie gesellschaftlich stigmatisiert würden. Umso wichtiger findet Vikiru verlässliche Tests.

Quelle
Titelbild des CHANCEN-Magazins Herbst/Winter 2020

Dieser Artikel ist erschienen in CHANCEN Herbst/Winter 2020 „Jäger des Virus“.

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Am nächsten Tag liegen auch die Ergebnisse der Proben vom Montag vor. Wie der Test von Fernfahrer Saidi ausgefallen ist, erfahren wir aus Datenschutzgründen nicht. Die anonyme Statistik belegt: 72 Abstriche wurden untersucht, 13 waren positiv, gut 18 Prozent. „Das ist sehr viel“, bestätigt Laborchef Abdi Roba. An durchschnittlichen Tagen sei der Anteil positiver Fälle mit fünf bis sechs Prozent jedoch deutlich niedriger, gerade gestern sei eine besonders große Zahl von Patienten aus Isolierstationen und Quarantänezentren getestet worden. Die Zahl positiver Ergebnisse steigere sich dennoch seit einigen Tagen. „Ich bin sicher, dass die Arbeit in den kommenden Wochen zunehmen wird.“ Roba ist trotzdem zuversichtlich. „Wir sind dabei, weiteres Personal auszubilden. Dann können wir auch in zwei Schichten arbeiten.“ Er und sein Team fühlen sich gut vorbereitet auf den Höhepunkt der Pandemie.

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Alle Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen verabschiedeten im Jahr 2015 die Agenda 2030. Ihr Herzstück ist ein Katalog mit 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung, die Sustainable Development Goals (SDGs). Unsere Welt soll sich in einen Ort verwandeln, an dem Menschen ökologisch verträglich, sozial gerecht und wirtschaftlich leistungsfähig in Frieden miteinander leben können.

Auf KfW Stories veröffentlicht am 3. November 2020.