Mehr als eine Million Menschen sind in den letzten fünf Jahren aus Krisenregionen nach Deutschland geflohen. Oftmals traumatisiert, ohne viel Geld oder Sprachkenntnisse stehen viele Geflüchtete vor der Herausforderung des Ankommens. Die Frankfurter Musikinitiative Bridges hilft ihnen dabei – und wurde im Oktober 2018 mit dem Special Impact Award in der Kategorie „ANKOMMER. Perspektive Deutschland“ ausgezeichnet.
Zu den Personen
Johanna-Leonore Dahlhoff (l.) und Anke Karen Meyer leiten das Team der Musikinitiative Bridges.
Mehr erfahrenAnke Karen Meyer und Johanna-Leonore Dahlhoff haben die Woche wieder viel zu tun: Pressearbeit managen, Konzertanfragen koordinieren, gemeinsame Proben organisieren. Die beiden jungen Frauen bilden zusammen das leitende Team von Bridges und übernahmen damit 2016 die Arbeit der Gründerinnen Isabella Spona und Julia Kitzinger. Musik als wichtiger Mittler zwischen nah und fern, Heimat und Fremde: Das ist die Grundidee, für die Meyer und Dahlhoff tagtäglich arbeiten. „Bei uns können Musiker und Musikerinnen aus aller Welt in einen musikalischen Dialog treten“, erklärt Dahlhoff. Sie ist nicht nur Mitglied des Leitungsteams von Bridges, sondern auch aktive Flötistin, übt also mit sehr viel Herzblut eine Doppelfunktion aus, die „Spaß macht, aber doch ganz schön schlaucht“.
Die Besonderheit des Sozialunternehmens: „Bridges vereint vor Krieg und Verfolgung geflohene und in Deutschland beheimatete Musikerinnen und Musiker“, sagt Meyer, die sich um Öffentlichkeitsarbeit, Fundraising und Social-Media-Management kümmert. Das Ergebnis kann sich hören lassen: Im April dieses Jahres trat das längst über die Landesgrenzen hinaus bekannte Bridges-Orchester bereits zum dritten Mal im ausverkauften HR-Sendesaal auf. Neun feste Bridges-Ensembles haben sich mittlerweile gebildet, die regelmäßig vor größerem Publikum musizieren. In den Stücken verschmelzen europäische Klänge mit orientalischen Tönen. Es ist gerade diese Mischung, die jeden Bridges-Auftritt so reizvoll macht und bei den Konzerthäusern deutschlandweit für reges Interesse sorgt. Sogar vor der Bundesregierung ist Bridges bereits mehrfach aufgetreten.
Pejman Jamilpanah stammt aus dem Iran. Dort hat er Musik und Sound Engineering studiert und anschließend als Musikunternehmer und Produzent gearbeitet. In perfektem Deutsch erzählt er, wie er im März 2015 nach Deutschland kam, wo er zunächst ein Praktikum beim Radiosender eines Krankenhauses in Limburg absolvierte. Ein Mitarbeiter des Krankenhaussenders machte ihn auf die Frankfurter Musikinitiative aufmerksam. Er war von der ersten Probe im Januar 2016 an dabei und Mitglied der ersten Ensembles, die sich bei Bridges gegründet haben. So hat der Iraner die gesamte Entwicklung der Initiative hautnah erlebt. Jamilpanah, der die persischen Langhalslauten Setar und Tar spielt, pflegt ein ganz besonderes Verhältnis zu seiner Leidenschaft: „Musik kommt bei mir immer von ganzem Herzen. Wenn ich spiele, spüre ich die Klänge tief in meinem Innersten.“ Das Bridges-Projekt bedeute ihm unglaublich viel: „Ich habe hier so viele unterschiedliche Geschichten und Hintergründe kennengelernt.“ Dank Bridges sei er ganz in Deutschland angekommen. „Ich habe Freunde gefunden, die Sprache gelernt und kann meinen Beruf hier weiter ausüben.“
Seit Jahresbeginn profitieren die Bridges-Leiterinnen vom Stipendienprogramm „ANKOMMER. Perspektive Deutschland“, initiiert von der KfW Stiftung und der Social Impact gGmbH. Das Stipendium hat eine Laufzeit von maximal acht Monaten. Angeboten werden während dieser Zeit Coachings, Fachberatungen und Workshops in Gründerzentren der Social Impact gGmbH im Gegenwert von 12.500 Euro.
Inzwischen konnten die beiden Frauen einen weiteren Erfolg feiern. Bridges wurde am 18. Oktober 2018 mit dem Special Impact Award in der Kategorie „ANKOMMER. Perspektive Deutschland“ ausgezeichnet, der mit 20.000 Euro dotiert ist. Um ihn konnten sich die zehn diesjährigen Stipendiaten bewerben, die mit innovativen Ansätzen Flüchtlingen helfen, sich in ihrer neuen Heimat sozial und beruflich zu integrieren.
Neben dem interkulturellen Austausch engagiert sich das Bridges-Projekt weiterhin für eine faire Bezahlung der professionellen Musiker und Musikerinnen. Bridges verfolgt den ehrgeizigen Anspruch, professionelles Musikbusiness mit gemeinnützigen Zielen zu verbinden. Dahlhoff und Meyer begleiten zudem geflüchtete Musikerinnen und Musiker auf dem Weg in den deutschen Arbeitsmarkt. „Wir helfen etwa bei bürokratischen Hürden, die eine Anmeldung als professioneller Berufsmusiker mit sich bringt“, sagt Dahlhoff. Das alles kostet nicht nur enorm viel Zeit, sondern auch einiges an Geld: „Planung, Logistik und Backoffice müssen finanziell gestemmt werden.
Die Finanzierung gestaltet sich im Kulturbereich generell schwierig, insbesondere dann, wenn ganze Orchester auftreten und viele Musiker und Musikerinnen bezahlt werden müssen. In solchen Fällen decken beispielsweise Ticketerlöse nur einen Bruchteil der Ausgaben“, gibt Meyer zu bedenken.
Award für Engagement
Die Initiative "ANKOMMER. Perspektive Deutschland" ist eine gemeinsame Initiative von KfW Stiftung und Social Impact gGmbH. Für den Award können sich Start-ups und (sozial-)unternehmerische Initiativen bewerben, die mit innovativen Ansätzen Flüchtlingen helfen, sich in ihrer neuen Heimat sozial und beruflich zu integrieren.
Mehr erfahrenDas Geld können Meyer und Dahlhoff gut gebrauchen: Bridges möchte weiter wachsen. Ab November agiert die Initiative in einer neuen Rechtsform als „Bridges – Musik verbindet gGmbH“. Zudem soll unbedingt das leitende Team erweitert werden. Darüber hinaus sind strategische Partner gesucht, um die Reichweite zu vergrößern und eine finanzielle Basis zu stellen.
Die Auszeichnung könnte dabei eine entscheidende Stütze sein: „Wir sind überglücklich, zu den Gewinnern des Special Impact Award zu zählen“, sagen Dahlhoff und Meyer im Einklang. „Neben der sehr großen Wertschätzung hilft uns der Award dabei, unsere Ziele zu verwirklichen und Bridges weiter voranzubringen.“ Jamilpanah ergänzt lächelnd: „Der zarten Pflanze unseres Projektes beim Wachsen zuzusehen, erfüllt mich mit Stolz. Wie froh wäre ich, wenn sie noch lange wachsen würde.“
Auf KfW Stories veröffentlicht am: Freitag, 19. Oktober 2018
Zu diesen Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen leistet das dargestellte Projekt einen Beitrag
Ziel 4: Bildung für alle
Menschen den Zugang zu Bildung zu verwehren heißt, ihnen ein elementares Menschenrecht vorzuenthalten – und wichtige Entwicklungschancen für den Einzelnen und die Gesellschaft. Bildung befähigt Menschen, ihre politische, soziale, kulturelle, gesellschaftliche und wirtschaftliche Situation zu verbessern. Weltweit haben 58 Millionen Kinder und 63 Millionen Jugendliche noch keinen Zugang zur Grund- und Sekundarschule. 90 Prozent aller Kinder mit einer Behinderung gehen niemals zur Schule. 781 Millionen Menschen sind Analphabeten. Quelle: www.17ziele.de
Alle Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen verabschiedeten im Jahr 2015 die Agenda 2030. Ihr Herzstück ist ein Katalog mit 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung, den Sustainable Development Goals (SDGs). Unsere Welt soll sich in einen Ort verwandeln, an dem Menschen ökologisch verträglich, sozial gerecht und wirtschaftlich leistungsfähig in Frieden miteinander leben können.
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