Zwei Männer mit Helmen bedienen digitale Wartungstools

„Einfach machen!“

Unternehmen, die in Sachen Künstliche Intelligenz nicht den Anschluss an die Wett­bewerber verlieren wollen, sollten jetzt handeln. Das ist eine der Empfehlungen, die die KI-Trainer Cai Hussung und Jonas Brozeit vom Mittelstand-Digital Zentrum Kaisers­lautern (MDZ) insbesondere den Verantwortlichen in mittel­ständischen Unter­nehmen geben. Wie der Start in die neue digitale Zukunft gelingt, darüber sprachen wir mit den beiden Experten.

Herr Brozeit, Herr Hussung, ohne KI geht es nicht. Würden Sie dieser These zustimmen?

Hussung: Auf jeden Fall. Ohne KI sind Firmen auf mittlere bis lange Sicht – je nach Branche – nicht mehr wettbewerbsfähig.

Wo können kleine und mittlere Unternehmen KI einsetzen?

Hussung: KI ist variabel einsetzbar, zwei typische Beispiele sind die klassischen Chatbots und virtuelle Assistenten, die etwa rund um die Uhr in der Kunden­betreuung verwendet werden. Ein weiteres Beispiel ist die Daten­analyse durch maschinelles Lernen – als Ergänzung zum Beispiel zu einem ERP-System.

Das sind Systeme zum Enterprise-Ressource-Planning, also zur gesamten Unternehmens­steuerung.

Hussung: Genau. Da sehe ich gute Einsatz­möglichkeiten.

Klingt zunächst einmal schwierig in der Anwendung…

Brozeit: Ist es aber nicht. Die Implementierung kann relativ leicht sein. Bei einfachen Lösungen lädt man etwa verschiedene PDF-Dateien in einen Ordner. Und das jeweilige KI-Modell stellt sich daraus die Antworten auf Kunden­fragen zusammen.

Das spart natürlich Ressourcen. Wo liegen in der Nutzung von KI weitere Chancen für die Unternehmen?

Hussung: Zum einen kann sie natürlich ein Wettbewerbs­vorteil sein – zum Beispiel, wenn KI-Lösungen das Unter­nehmen produktiver oder die Kunden zufriedener machen.

Brozeit: Und was man nicht unterschätzen darf, ist die Skalierbarkeit von KI-Lösungen. Denn wenn die KI einmal implementiert ist, dann wächst sie mit der Unternehmens­größe. Und schließlich sehen wir in diesen Fällen eine Effizienz­steigerung, indem die KI Routine­aufgaben übernimmt und so Kapazitäten von Mitarbeitenden freimacht oder eben große Daten­mengen analysiert, die bei der Entscheidungs­findung helfen.

Aber hilft das zum Beispiel auch einem Schreiner, der in seinem Betrieb drei Mitarbeiter beschäftigt?

Brozeit: Ja, zumal der die KI auch noch in anderen Bereichen einsetzen kann, etwa im Fertigungs­prozess. Da gibt es etwa Maschinen, die – KI-gesteuert – korrigierend eingreifen, wenn beim Sägen die Ideal­linie verlassen wird. Es gibt da sehr viele Möglich­keiten.

Klingt toll. Gibt es auch Problemfelder?

Portrait von Cai Hussung
Cai Hussung, KI-Trainer, Mittelstand-Digital Zentrum Kaiserslautern

Brozeit: Die Unternehmen müssen die KI-Anwendung natürlich in ihr Datenschutz­konzept einbinden. Und sie müssen darauf achten, ihre Mitarbeitenden mitzu­nehmen. Das ist einer der Bausteine, die zur KI-Readiness gehören.

Hussung: Aber Sie spielen darauf an, dass sich die KI im Sinne einer „starken KI“ unkontrolliert selbst verändert, oder? Solche Ängste rühren daher, dass vielen Menschen nicht ganz klar ist, was eine KI tatsächlich macht. Klar ist: Wir müssen definitiv darauf achten, dass die der KI zugrunde liegenden Informationen nicht vorein­genommen sind. Wenn diese Informationen fehler­haft sind, dann wird die KI diese Fehler reproduzieren.

KMU müssen also nicht nur Daten sammeln, sondern auch prüfen und gegebenen­falls aktualisieren?

Brozeit: Richtig, das bedeutet Aufwand. Aber das größte Risiko ist, dass man nichts tut und den Zug verpasst.

Ist den Unternehmen das klar? Ich habe Zahlen des Instituts für Mittelstands­forschung gesehen, denen zufolge elf Prozent der KMU in Deutschland KI-Verfahren nutzen. Dies sind mehr als im EU-Durchschnitt, aber Groß­unternehmen sind da viel weiter.

Brozeit: Ja, diese Zahlen spiegeln unsere Erfahrungen wider. Wir haben aktuell viele Anfragen, in denen Unter­nehmen sagen, sie müssten jetzt handeln, weil sie sonst womöglich den Anschluss verpassen. Denn die Konkurrenz setze bereits KI ein.

Welche KI-Trends bewegen denn den Mittel­stand, wohin geht die Reise?

Hussung: In den kommenden Jahren werden das auf jeden Fall weiter Chatbots sein. Auch die Daten­analyse und das Nutzen von KI als Service im ERP-System…

Also aus der Cloud?

Hussung: … genau, das Beziehen von KI-Lösungen und Rechen­kapazitäten aus der Cloud. Das sind die Trends.

Brozeit: Und die KI wird mehr und mehr Einzug ins Marketing halten, etwa beim Umwandeln von Content zu Videos. Ein sehr bekannter Auto­hersteller hat gerade die erste KI-generierte Werbung ausgespielt. Und vielleicht können wir in Zukunft, genau wie im Kino, unsere eigenen Filme mit Hilfe von Text-zu-Video-KIs generieren. Da wird viel passieren.

Welche Weichen muss ich im Unter­nehmen stellen, wenn ich jetzt KI einsetzen möchte?

Hussung: Der wichtigste Punkt ist immer die Verfüg­barkeit von Daten. Die müssen umfangreich und hoch­wertig nutzbar sein. Und idealer­weise haben Sie Mitarbeitende, die bei Ihrer KI-Strategie mitziehen und sich auf dem neuesten Stand halten.

Brozeit: Außerdem benötigen Sie eine klare Ziel­setzung, um überhaupt eine KI-Strategie entwickeln zu können. Und schließlich sollten der Geschäfts­führer oder die Führungs­riege hinter der Implementierung von KI stehen. Da geht es darum, die KI ins Geschäfts­modell zu integrieren und das nach innen und nach außen zu vertreten.

Wo können Unternehmer sich Unterstützung holen?

Hussung: Um als Unternehmer ein erstes Gespür für den eigenen Reifegrad zu bekommen, haben wir beim Mittelstand-Digital Zentrum den KI-Readiness-Check entworfen, der die Voraus­setzungen abfragt. Das Ausfüllen dauert ungefähr 20 Minuten. Im Ergebnis bekommt man ein Gefühl dafür, wie bereit man für die Einführung von KI ist. Und an welchen Stell­schrauben man noch drehen muss. Das sind dann klare Handlungs­empfehlungen.

Brozeit: Hilfen bieten außerdem natürlich wir von Mittelstand-Digital mit verschiedenen Schulungen, aber auch zum Beispiel Industrie- und Handels­kammern, Projekt­gemeinschaften oder die relevanten Ministerien. Gerade für das Entwickeln einer stringenten KI-Strategie sollten Unternehmer sich informieren.

Aber es gibt vom Mittelstand-Digital Zentrum nicht nur den Check…

Hussung: Natürlich nicht! Wir haben für die Frage­stellung, wie man ein KI-Projekt erfolgreich angeht, ein eigenes Handbuch entwickelt. Das ist ein Leitfaden in zehn Schritten, der alle wichtigen Antworten gibt – vom Bestimmen des Anwendungs­falls über das Lasten- und Pflichten­heft bis hin zu Fragen wie: Selbst umsetzen oder einen Auftrag vergeben? Wie integriere ich die KI-Anwendung in meine Prozesse?

Brozeit: Dieser Leitfaden nennt sich „Handbuch Künstliche Intelligenz“ und er lässt sich auf unserer Seite kostenlos herunterladen.

Was ist denn – bei aller Konkurrenz – mit dem Vernetzen mit anderen Firmen?

Portrait von Jonas Brozeit
Jonas Brozeit, KI-Trainer, Mittelstand-Digital Zentrum Kaiserslautern

Brozeit: In jedem Fall ist es wichtig, sich mit anderen Unternehmen zu vernetzen. Der Wissens­austausch ist wichtig, und womöglich ergeben sich Kooperationen, die man eingehen kann. Das funktioniert hervor­ragend auf entsprechenden Veranstaltungen, über die Anbieter von Weiter­bildungen – aber auch, indem man einfach mal den Verantwortlichen eines anderen Unternehmens direkt kontaktiert.

Hussung: Ich glaube, solche Kolla­borationen können definitiv dabei helfen, dass am Ende alle Beteiligten mehr erreichen, als sie vielleicht einzeln schaffen könnten – also größere Projekte realisieren oder gemeinsam Forschungs­projekte umsetzen.

Apropos Forschung: Sind Universitäten gute Ansprech­partner für Projekte?

Brozeit: Ja, besonders in Sachen Bachelor- und Master-Arbeiten. Viele Informatik­studenten suchen Möglichkeiten, praxisnah Pilot­projekte umzusetzen. So können Proto­typen mit wenig Aufwand maß­geschneidert entwickelt werden, wovon beide Seiten profitieren.

Wie sieht es mit der notwendigen Technik und Software für KI-Projekte aus?

Brozeit: Es kommt immer ein bisschen drauf an, was man implementieren möchte. Standard­fälle lassen sich oft mit No-Code- oder Low-Code-Plattformen umsetzen. Da benötigt man keine Programmier­kenntnisse oder nur geringe Expertise. Wenn es komplexer wird, sollten Profis hinzu­gezogen werden.

Kommen wir zu einem ganz wichtigen Punkt: den Kosten für solche Anwendungen.

Hussung: Auch hier kommt es darauf an, was man umsetzen möchte. Umsetzen lassen sich einfache Lösungen – Chatbots oder optische Qualitäts­kontrollen – mit relativ geringen Beträgen…

Das bedeutet?

Hussung: Kosten variieren stark und sind vom Aufwand sowie der Hardware abhängig. Kleinere Projekte können bereits im vier­stelligen Bereich liegen, manche Tools gibt es sogar kostenlos. Nach oben sind eigentlich keine Grenzen gesetzt, das kann in den sechs­stelligen Bereich gehen.

Wobei es eine ganze Reihe an Fördermöglichkeiten gibt.

Brozeit: Das stimmt. Hier sollten sich die Unternehmer spezifisch beraten lassen. Das Mittelstand-Digital Zentrum arbeitet anbieter­neutral und spricht daher keine Empfehlungen für Förder­möglichkeiten aus.

Hand aufs Herz: Nimmt die KI Arbeitskräften den Job weg oder entlastet sie sie?

Brozeit: Fest steht, dass – wie vorhin erwähnt – typische repetitive Aufgaben durchaus von der KI über­nommen werden können. Es ist aber definitiv nicht das Ziel von KI, Fachkräfte zu ersetzen. Sie soll Fachkräfte entlasten, weil diese aktuell mit Routine­aufgaben eingespannt sind.

Haben Sie ein Beispiel?

Brozeit: Ja, wir haben ein Projekt mit einer Zahnarzt­praxis durchgeführt, die PDFs von Briefen und Rechnungen bekommen hat und diese den verschiedenen Patienten­akten zuordnen musste. Für die Mitarbeitenden war das eine schwierige und sehr zeit­intensive Aufgabe.

Hussung: Dort haben wir eine lokale KI-Lösung implementiert, die die Scans anschaut und diese dann automatisch der entsprechenden Patienten­akte zuordnet. Alle Daten bleiben dabei vertraulich. Mit dieser Lösung hat die Praxis Zeit gewonnen, die die Fachkräfte für die Patienten einsetzen können. Dadurch sind die Patienten- und die Mitarbeiter­zufriedenheit gestiegen. Ein echter Erfolg!

Das hört sich vielversprechend an. Gibt es bestimmte Geschäfts­felder, in denen KI besonders erfolgreich umgesetzt wird?

Hussung: Auf jeden Fall. KI wird etwa sehr erfolgreich im Produktions­bereich innovativer Fabrik­systeme eingesetzt, aber auch für optische Qualitäts­kontrollen, für Predictive Maintenance – also voraus­schauende Wartung –, für die Steuerung von Lager­systemen und zum Betrieb autonomer Fahrzeuge.

Brozeit: Aber auch in der Medizin, zum Beispiel beim Auswerten von Röntgen­bildern. Es gibt Unmengen an Einsatz­möglichkeiten.

Das Mittelstand-Digital Zentrum Kaiserslautern (MDZ) ist eines von mehreren regionalen Zentren, die das Bundes­ministerium für Wirtschaft und Energie (BMWE) ins Leben gerufen hat. Ziel dieser bundes­weiten Förder­initiative ist es, die Bedeutung des Zukunfts­themas Künstliche Intelligenz kleinen und mittleren Unternehmen bewusst zu machen, sie über dessen große Chancen zu informieren und bei der Umsetzung von Projekten tatkräftig zu unterstützen.

Mit dem KI-Readiness-Check kombiniert das MDZ geballtes Wissen von Expertinnen und Experten mit nutzer­freundlichem, intuitivem Design und bietet damit kleinen und mittel­ständischen Unternehmen einen passenden Einstieg in die Welt der künstlichen Intelligenz. Mit der Selbstanalyse des Checks finden Unternehmen heraus, ob und wie sehr Sie bereits von KI-Anwendungen profitieren und was sie tun können, um dies noch zu steigern.