Die Gründer der Firma Bookingkit Christoph Kruse (rechts) und Lukas Hempel (links)
Corona-Hilfe

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Das Ende der Zettelwirtschaft

Kanufahrten, Museumsbesuche, Fallschirmspringen: Wenn wir online Erlebnisse buchen, steckt oft bookingkit dahinter. Ein rasant wachsendes Geschäft – bis die Pandemie kam. Um die Corona-Krise zu überstehen, brauchte das Berliner Start-up starke Partner, musste umdenken und wurde dabei blitzschnell erwachsen.

Screen in der Firma Bookingkit mit der Nutzeroberfläche des Buchungsprogramms

Ist da noch ein Tisch frei? Für Restaurants, die in der Corona-Krise gezielt auf den Mindestabstand achten müssen, passte bookingkit eilig sein Buchungssystem an.

Da stand er nun, mitten in Buenos Aires, ein wertloses Blatt Papier in der Hand, und sah dem Bus hinterher, der ohne ihn auf Stadtrundfahrt ging. Und das, obwohl Christoph Kruse dafür bezahlt hatte. Doch der Busfahrer sah es anders, wollte das Ticket nicht anerkennen, ließ den Deutschen einfach stehen. Der Ärger darüber ließ Christoph Kruse nicht los, auch nicht, als er zurück in Deutschland war. In ihm wuchs die Überzeugung: Das muss besser gehen!

Keine sechs Monate später, im Dezember 2014, war bookingkit geboren, ein Start-up mit dem Ziel, das Buchen von Touren, Erlebnissen oder Museumsbesuchen so leicht zu machen wie den Einkauf bei routinierten Online-Händlern: suchen, anmelden, bestätigen, bezahlen, fertig. „Wir haben damals gesagt: Wir glauben, dass sich jede Branche digitalisieren wird, so auch diese“, erinnert sich Kruse. Also ging er mit seinem Geschäftspartner Lukas Hempel daran, eine Firma aufzubauen, die alle Beteiligten mit wenigen Klicks zusammenbringt: die Anbieter von Kanufahrten, Weinverkostungen oder Yogakursen ebenso wie deren Kunden.

Die kulturellen Hürden waren dabei höher als die technischen, denn Papier, so merkten die beiden Jungunternehmer schnell, ist im Sektor der Erlebnisbuchungen weiterhin allgegenwärtig – in Deutschland nicht anders als in Argentinien. „Das erste Jahr war Klinkenputzen, Straßenvertrieb“, sagt Kruse. „Der Markt war damals noch nicht so wirklich bereit. Wir mussten unseren Kunden erst mal klarmachen, dass Digitalisierung ihnen viele Vorteile bringt.“ Bis heute hält ein Großteil der Anbieter am Gewohnten fest, und selbst wenn Tickets für eine Bootsfahrt oder den Besuch im Freizeitpark online gekauft werden können, müssen sie am Ende oft noch ausgedruckt werden, weil sich irgendwo in der Abfolge der Prozesse eine analoge Lücke auftut.

Aber: „Das lassen wir uns als Kunden immer weniger gefallen“, sagt Kruse. Wer sich einmal daran gewöhnt hat, das Smartphone als Alleskönner in allen Lebenslagen zu sehen, mag am Einlass nicht mehr nach Belegen in der Tasche kramen. Auch große Anbieter wie Booking.com, Google oder Expedia drängen zunehmend auf ein Ende der Zettelwirtschaft.

Zwischen Schockstarre und großer Chance

Die Gründer der Firma Bookingkit Christoph Kruse (links) und Lukas Hempel (rechts)

Der Ärger über eine geplatzte Stadtrundfahrt brachte Christoph Kruse (links) auf den Gedanken, mit Lukas Hempel ein Start-up für digitale Buchungen zu gründen.

Die wachsende Bereitschaft kommt bookingkit zugute: Als vermittelnde Dienstleister verdienen die Berliner bei jedem Kauf eine Provision; zusätzlich zahlen Anbieter, die das System einsetzen, eine monatliche Grundgebühr. So ist die Firma in ihren knapp sechs Jahren rasant gewachsen, zählt inzwischen rund 6.000 Kunden in ganz Europa und beschäftigt 70 Mitarbeiter. „2019 war ein gutes Jahr“, berichtet Kruse, „und 2020 fing sehr gut an.“

Bis die Coronavirus-Pandemie im Frühjahr das Land in eine Schockstarre versetzte. Mit jedem Museum, das schließen musste, mit jedem Freizeitpark, dem der Spaß verging, verdüsterten sich die Aussichten für bookingkit: keine Ticketverkäufe, keine Provisionen, dramatisch sinkende Einnahmen. „Wir haben Einbrüche von bis zu 70 Prozent gesehen“, sagt Kruse. Mit einem gezielten Maßnahmenpaket und Kurzarbeit versuchten die Gründer, das Schlimmste abzuwenden und die Teamgröße beizubehalten – auch wenn Letzteres leider nicht in jedem Einzelfall möglich war. Zeitgleich bemühten sie sich, ihr Geschäft an die neuen Umstände anzupassen.

„Wir haben versucht, im Markt ganz präsent zu sein“, erzählt Kruse. Denn auch die Welt im Lockdown, so stellten die Jungunternehmer fest, brauchte ihre Dienste. Gerade die Welt im Lockdown – denn wer wollte jetzt noch bar bezahlen, Papier hin und her schieben? „Selbst ein öffentliches Schwimmbad musste es plötzlich in wenigen Wochen hinkriegen, Online-Tickets mit einem festen Zeitfenster für den Besuch anzubieten“, sagt Kruse. „Und das war unsere große Chance.“

Neues Kapital für bookingkit

Mit seinem Buchungssystem, das sich flexibel in gängige Webseiten integrieren lässt, bot bookingkit sich aktiv als Digitalisierungspartner an. „Hunderte neue Kunden“ habe seine Firma so gewonnen, berichtet Kruse. „Wir mussten reagieren, wir haben reagiert – wir sind ganz schnell erwachsen geworden.“

Eine Feuertaufe. Umso mehr, als bookingkit in der Krise frisches Kapital brauchte. Neue Investoren taten sich schwer mit dem Gedanken, zu einem Zeitpunkt einzusteigen, als für die Tourismusbranche alles verloren schien. bookingkit erhielt schließlich Unterstützung in Form der Corona-Start-up-Hilfen des Bundes: Der damalige Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier und der damalige Bundesfinanzminister Olaf Scholz hatten am 1. April 2020 das insgesamt zwei Milliarden Euro umfassende Hilfspaket, das auf zwei Säulen basiert, angekündigt.

bookingkit mit dem Investor High-Tech Gründerfonds (HTGF) konnte dabei die erste Säule der Hilfen nutzen: Der HTGF beantragte das Kapital für bookingkit bei der 100-prozentigen KfW-Beteiligungstochter KfW Capital, die gemeinsam mit dem Europäischen Investitionsfonds die Mittel ausreicht. „Wir haben in den letzten Monaten viele Start-ups wie bookingkit gesehen, die ihr Geschäftsmodell sehr flexibel und effektiv angepasst haben. Diese Fähigkeit ist eine große Stärke der jungen Unternehmensgeneration und macht sie widerstandsfähig“, sagt KfW Capital-Geschäftsführer Alexander Thees. „Die gezielten Hilfen des Bundes helfen dabei, die Start-ups während der Gesundheitskrise zu unterstützen; als KfW Capital freut es uns, dabei einen Beitrag auf dem bewährten Weg der Fondsfinanzierung zu leisten.“

Noch dazu überzeugte bookingkit weitere ursprüngliche Geldgeber davon, dass die Krise das Start-up stärker machen würde – sofern es ihm gelingen würde, zu überleben. Im September floss dann tatsächlich neues Kapital. „Alle Gesellschafter haben mit investiert, dafür bin ich unendlich dankbar“, sagt Kruse. Dr. Tanja Emmerling ist Partnerin beim HTGF und leitet das Berliner Büro. Sie lobt das „sehr gute Gründer- und Management-Team“ der Firma, das sich in der Krise bereits bewährt habe: „Das Produkt bildet die neue Wirklichkeit perfekt ab und ermöglicht es der Branche, sich auf die neue Realität einzustellen“, sagt sie. Und durch das „enorme Wachstumspotenzial“, das sich bei der Vermarktung von Erlebnissen und Touren biete, gebe es die Chance, „dass sich bookingkit zu einem noch stärkeren europäischen Player in einem wichtigen Wirtschaftssektor entwickelt“.

Der rasche Weg in die Digitalisierung

Büroräume im Unternehmen Bookingkit

Normalerweise würden hier die Mitarbeiter sitzen, Kaffee trinken und plaudern. Bis das Virus besiegt ist, müssen sich die Möbel allein die Zeit vertreiben.

Wie groß diese Chance ist, zeigen Zahlen von Marktforschern: Weltweit, so schätzt der Branchendienst Skift, geben Menschen in einem typischen Jahr etwa 130 Milliarden Euro für Erlebnisse auf Reisen aus – sei es für Stadtführungen, Bergtouren oder den Flug im Heißluftballon. Etwa zwei Drittel der Buchungen werden weiterhin analog abgewickelt, oft über Hotels, die Prospekte für Gäste auslegen, um sie auf Attraktionen aufmerksam zu machen. Bei Interesse folgen Anrufe, Recherchen, Bestätigungen und viele weitere Arbeitsschritte, die an den ohnehin geringen Margen der Wiederverkäufer nagen.

Auch das, dachten sich Kruse und Hempel, müsste doch einfacher gehen. Monatelang ließen sie – Krise hin oder her – ihre Programmierer an einer Lösung tüfteln: Seit Kurzem erlaubt es nun ein neuer Service namens bookingkit Reach den Wiederverkäufern, diverse Angebote digital abzurufen und sekundenschnell zu buchen. Der Aufwand reduziere sich dabei „um etwa 90 Prozent, und komplexe Abrechnungsprozesse werden obsolet“, versprechen die Berliner.

Warum hat die Firma in schweren Zeiten nicht auf den Pausenknopf gedrückt? „Wenn wir nach der Corona-Krise stärker sein wollen als zuvor, darf die Produktentwicklung nicht stillstehen“, erklärt Kruse. Für den 39-Jährigen gibt es ohnehin keine Zweifel daran, dass die Einschränkungen, mit denen Anbieter von Events und Attraktionen derzeit leben müssen, den Digitalwandel nur noch beschleunigen werden. „Wir haben die Corona-Zeit genutzt, um ein ganz wichtiges Produkt umzusetzen“, sagt Kruse. „Auch der Vertriebsmix wird künftig ein anderer sein. Wer einmal die Vorzüge des digitalen Buchens erlebt hat, wird nicht mehr darauf verzichten wollen.“

Auf KfW Stories veröffentlicht am 4. Dezember 2020, aktualisiert am 10 Dezember 2021