Nachhaltige Mobilität für Entwicklungs- und Schwellenländer
Verkehrswende

Verkehrswende

Umsteuern – aber wie?

Wirtschaftliche Entwicklung braucht Mobilität. Doch in Entwicklungs- und Schwellenländern fehlt der überwiegenden Mehrheit bisher die Möglichkeit, sich schnell, sicher und preisgünstig fortzubewegen. Die KfW setzt sich künftig verstärkt für einen raschen Ausbau von massentauglichen und umweltfreundlichen Verkehrsmitteln ein.

Nachhaltige Mobilität für Entwicklungs- und Schwellenländer
Neue Verkehrssysteme

Die KfW unterstützt weltweit den Ausbau von oberirdischen Stadt- oder Straßenbahnen.

Die Mobilitätsbedürfnisse der meisten Menschen werden weltweit noch kaum befriedigt: Pendler stehen in endlosen Staus, alternative öffentliche Verkehrsmittel gibt es häufig nicht, gut aufeinander abgestimmte und getaktete schon gar nicht. In São Paolo zum Beispiel addieren sich Pendlerstaus an Spitzentagen auf über 300 Kilometer. Ärmere Menschen sind auf teure Minibusse angewiesen, die nicht ins bestehende Verkehrssystem eingepasst und häufig auch nicht verkehrssicher sind. So wird der Weg zur Arbeit eine mühsame und zeitraubende Angelegenheit – und für Frauen wegen möglicher sexueller Übergriffe zusätzlich noch zu einer täglichen Gefahr.

Am Ende entstehen neben den direkten Kosten in Form von überhöhten Fahrpreisen, Zeitverlusten und wirtschaftlichen Einbußen – im Großraum Kairo verursachen Staus jährlich Kosten von geschätzten acht Milliarden Euro – auch noch indirekte Verluste als Folge von Verkehrsunfällen und Atemwegserkrankungen. Allein in Indien stirbt rund eine Million Menschen jährlich an Krankheiten, die mit schlechter Luft in Städten zusammenhängen.

Nachhaltige Mobilität für Entwicklungs- und Schwellenländer
Verkehrsleitzentrale in Huainan

In der chinesischen Metropole soll dem Verkehrschaos mit digitaler Vernetzung entgegengewirkt werden.

Während große Städte in Asien und Lateinamerika immer mehr mit U-Bahnen, Bussystemen oder auch Seilbahnen ausgestattet werden, ist der Nachholbedarf in Afrika noch besonders groß, vor allem südlich der Sahara. Dort läuft der öffentliche Nahverkehr noch nahezu ausschließlich über Minibusse und (Kollektiv-) Taxis. Lediglich im äthiopischen Addis Abeba gibt es seit drei Jahren eine Straßenbahn, im tansanischen Daressalam seit zwei Jahren ein modernes Bus Rapid Transit System (BRT). Und in einer Reihe größerer Städte befinden sich BRT derzeit in unterschiedlichen Stadien der Vorbereitung, so zum Beispiel in Dakar (Senegal), Lagos (Nigeria), Nairobi (Kenia) oder in Kampala (Uganda).

Damit hinkt Afrika, dessen Bevölkerung in den nächsten Jahrzehnten besonders stark wachsen wird, der Entwicklung Lateinamerikas hinterher. Dort wurde vor über 20 Jahren damit begonnen, Busse auf gesonderte Spuren zu verlagern und über entsprechende Haltestellen ein leistungsfähiges, sicheres und komfortables Verkehrssystem zu entwickeln. In einigen Städten wie Quito oder Lima stoßen diese BRT jedoch bereits an ihre Grenzen. Dort investiert man jetzt zusätzlich noch in größere, schienengebundene Systeme.

Da U-Bahnen viel Geld kosten, schwierig zu planen und zu bauen sind, gelten sogenannte Light Rail-Bahnen, also oberirdische Stadt- oder Straßenbahnen, als interessante Ergänzung oder Alternative. In Indien blickt man inzwischen vermehrt in diese Richtung. Auch in Tunesien (Tunis) und Brasilien (Rio) wächst das Netz solcher Bahnen – mit KfW-Unterstützung.


Neue Initiative

Die Bundesregierung verfolgt das Ziel einer weltweiten Verkehrswende. Zu diesem Zweck hat das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung 2016 zusammen mit acht Partnerinstitutionen eine Initiative für urbane Mobilität (Transformative Urban Mobility Initiative, TUMI) ins Leben gerufen. Die Initiative unterstützt den Auf- und Ausbau nachhaltiger Mobilitätssysteme in Entwicklungs- und Schwellenländern und fördert so eine klimafreundliche, sichere und erschwingliche städtische Mobilität. Dazu können Buslinien, S- und U-Bahnnetze, aber auch Fuß- und Radwege gehören. Pro Jahr soll TUMI über die KfW Entwicklungsbank rund 1 Milliarde Euro umsetzen.

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Wie auch immer die Lösungen im Einzelnen aussehen, klar ist, dass Entwicklungs- und Schwellenländer mehr Mobilität brauchen, nicht weniger. Und dass es mit immer neuen Autospuren und Ringstraßen nicht getan ist, weil man früher oder später an Belastungsgrenzen für Mensch und Umwelt stößt. Schon heute geht rund ein Viertel aller energierelevanten CO₂-Emissionen auf den Verkehr zurück. Der notwendige Zuwachs an Mobilität muss deshalb nachhaltig geschehen.

Nicht zuletzt aus Gründen des Klimaschutzes nähert sich in den Industrieländern die Ära des Verbrennungsmotors ihrem Ende. Alle großen Autofirmen beeilen sich derzeit, ihre E-Sparten weiterzuentwickeln und auszubauen. Hinzu kommt das autonome Fahren, das sich durch die Digitalisierung ab 2025 zunehmend verbreiten wird. Der Wertewandel hinzu einer „sharing economy“ erleichtert den Abschied vom eigenen Fahrzeug wohl zu elektrisch betriebenen Fahrzeugen, die öffentlichen und individuellen Verkehr verbinden beziehungsweise mischen.

Diese Trends aus den Industrieländern lassen sich jedoch nicht ohne Weiteres auf Entwicklungs- und Schwellenländer übertragen – schon aus Mangel an Strom und leistungsfähiger Infrastruktur für das Laden elektrischer Fahrzeuge. Bis der Individualverkehr auf Strombasis dort massentauglich wird, vergehen in den meisten Ländern noch Jahre. Einstweilen braucht es andere Lösungen, um die Mobilitätsprobleme der Schwellen- und Entwicklungsländer zu lösen, zumal angesichts der Wucht der Urbanisierung, vor der viele Städte dort stehen.

Erforderlich ist deshalb ein zielstrebiger Ausbau von geplanten und integrierten öffentlichen Verkehrsmitteln. Dafür setzt sich die KfW künftig verstärkt in ihren Partnerländern ein. Was sich genau anbietet, variiert von Stadt zu Stadt; dazu gibt es keine Blaupausen. Lösungen müssen sich an Faktoren wie Größe, Siedlungsstruktur, Topografie einer Stadt und ihrem wirtschaftlichen Entwicklungsstand orientieren. Während in Megastädten auf lange Sicht wahrscheinlich S- oder U-Bahnen unumgänglich sind, um den Verkehr zu bewältigen, können in kleineren Städten auch (energieeffiziente) Busse oder Seilbahnen gute Dienste leisten. Aber auch in größeren Städten können gut funktionierende Bussysteme ein sinnvoller erster (Zwischen-)Schritt sein.

Gerade deshalb ist eine solide Planung wichtig, die verschiedene Verkehrsmittel klug aufeinander abstimmt und den nichtmotorisierten Verkehr einbezieht. Wie kommen Menschen zur S-Bahn? Wo können sie ihre Räder parken? All das sind Fragen, die zwar kleinteilig wirken, im Zweifel jedoch darüber entscheiden, ob nachhaltige Verkehrsmittel genutzt werden oder nicht. Viele Wege in Städten überschreiten wenige Kilometer nicht. Bei vorhandener Infrastruktur lassen sich solche Strecken gut zu Fuß oder mit dem Rad zurücklegen.

Auch die Digitalisierung bietet große Chancen für neue Lösungen. Ob Verkehrssteuerungs- oder Citymautsysteme, elektronisch buchbare Leihräder oder Apps zum Einsatz kommen, um Verkehrsmittel aufeinander abzustimmen – die Veränderungen von Mobilitätsmustern durch die digitale Welt haben erst begonnen. Und sie sind oft auch kostengünstig und rasch zu haben.

Für die KfW Entwicklungsbank bedeutet das, künftig mehr in den öffentlichen Nahverkehr zu investieren und nichtmotorisierte, energieeffiziente oder elektrische Antriebe zu fördern – und dabei die Zukunft mit all ihren denkbaren Systemänderungen fest im Blick zu behalten.

Auf KfW Stories veröffentlicht am: Donnerstag, 6. Dezember 2018

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Alle Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen verabschiedeten im Jahr 2015 die Agenda 2030. Ihr Herzstück ist ein Katalog mit 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung, den Sustainable Development Goals (SDGs). Unsere Welt soll sich in einen Ort verwandeln, an dem Menschen ökologisch verträglich, sozial gerecht und wirtschaftlich leistungsfähig in Frieden miteinander leben können.