Interview mit Christiane Laibach, Vorstandsmitglied der KfW, anlässlich der Weltklimakonferenz in Dubai (COP28) über Klimawandel und Artenvielfalt sowie ihre Bedeutung für die KfW Entwicklungsbank
Sie sagten einmal, Ihnen lägen auch persönlich die Themen Klima und Nachhaltigkeit sehr am Herzen. Warum?
CHRISTIANE LAIBACH: Klima und Nachhaltigkeit sind große globale Themen, die unser Leben heute und in den nächsten Jahren und Jahrzehnten entscheidend beeinflussen werden. Das gilt für uns als Individuen, für Gesellschaften, aber auch für die KfW, die sich als Klima- und Nachhaltigkeitsbank versteht, weil sie diesen Wandel aktiv begleitet und vorantreibt. Und das gilt auch in Zeiten multipler Krisen, die wir gerade erleben, ob es um den Konflikt im Nahen Osten geht oder um den des russischen Angriffs-Krieges in der Ukraine
Die Beschlüsse, wie dieser Wandel zu gestalten ist, gibt es schon seit acht Jahren, Stichwort Pariser Klima-Abkommen, aber in vielen Ländern mangelt es an der Umsetzung. Ist mittlerweile mehr Bewegung in der Sache?
Es besteht die Gefahr, dass das Thema angesichts der diversen, übereinander liegenden Krisen, von denen ich gerade schon gesprochen habe, in den Hintergrund gerät. Das ist zwar einerseits verständlich, weil wir alle dazu tendieren, immer die nächsten Probleme zu lösen. Aber darüber dürfen wir die langfristigen Herausforderungen im Klimaschutz und beim Erhalt von Biodiversität nicht aus den Augen verlieren.
Zur Person
Christiane Laibach ist seit Juni 2021 Mitglied im Vorstand der KfW und dort zuständig für die internationalen Finanzierungen. Sie gehört seit über dreißig Jahren der KfW an und war zuletzt Vorsitzende der Geschäftsführung der KfW-Tochter DEG und davor Mitglied der Geschäftsführung der anderen Tochter KfW IPEX-Bank. Sie ist ausgebildete Volkswirtin und hat langjährige Erfahrung in Führungspositionen in der Export-, Projekt- und Entwicklungsfinanzierung.
Christiane LaibachWas erhoffen Sie sich vom Klimagipfel in Dubai?
Wir brauchen konkrete, belastbare und gleichzeitig ambitionierte Ziele der Mitgliedsstaaten. Diejenigen, die bereits vorliegen, sind ein guter Schritt, aber es reicht noch nicht. Die nationalen Klimaschutzbeiträge sind zuletzt ambitionierter geworden. Das zeigen die jüngsten Angaben des Weltklimarates, was natürlich erfreulich ist. Aber das genügt noch nicht, um das 1,5-2-Grad-Ziel zu erreichen. Derzeit stehen wir, alle nationalen Klimaschutzbeiträge zusammengerechnet, bei rund 2,8 Grad Erwärmung. Deshalb hoffe ich, dass der Klimagipfel - trotz aller anderen Herausforderungen - weitere spürbare Fortschritte bei der Umsetzung hervorbringen wird, zum Beispiel auch bei dem neuen Fonds zu „Loss and Damage“. Er soll Entwicklungsländer im Fall von durch den Klimawandel eingesetzten Katastrophen schnelle Hilfe zukommen lassen. Es wäre wichtig, Ich erwarte mir deshalb, dass die COP Fortschritte bei der weiteren Ausgestaltung dieses Fonds bringt und insgesamt ein glaubwürdiges politisches Signal der Unumkehrbarkeit des Pariser Weges sendet. Damit die Umsetzung in der laufenden Dekade weiter forciert werden kann.
Besonders viele junge Menschen finden die bisherigen Fortschritte nicht schnell genug. Was sagen Sie denen?
Erstmal sage ich ihnen, dass ich ihr gewaltloses Engagement der verg begrüße, solange es gewaltlos geschieht, weil sie immer wieder Druck auf alle Verantwortlichen ausüben. eine neue Dynamik in die Sache gebracht haben. Der Grund, warum es trotzdem nicht schneller geht, ist meines Erachtens folgender: Wir stehen vor einer Transformation, die sehr anspruchsvoll, herausfordernd und komplex ist. Sie braucht ein gutes Zusammenspiel von Politik, Rahmenbedingungen, Regulierungen, den richtigen Anreizen und ausreichend Finanzmittel. Auch technischer Fortschritt ist weiterhin nötig, etwa im Luft- und Schiffsverkehr.
Weltklimakonferenz in Dubai (COP28)
Im Dezember 2023 treffen sich die Vertragsstaaten der Klimarahmenkonvention in Dubai (VAE) zur Weltklimakonferenz, der COP (Conference of the Parties) 28. Die COP28 soll die Umsetzung des Pariser Klimaabkommens weiter voranbringen. Denn die Weltgemeinschaft ist nicht auf Kurs, um ihr selbstgestecktes Ziel – die Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad – zu erreichen.
COP28 in Dubai (in Englisch)Wie ernst nehmen Entwicklungs- und Schwellenländer den Klimaschutz?
Das Bewusstsein ist vorhanden. Und wir sehen zum Beispiel eine deutliche Hinwendung zu erneuerbaren Energien fast überall auf der Welt. Die gesunkenen Kosten etwa bei Wind- oder Solarenergie erleichtern die Verbreitung nachhaltiger Technologien. Die IEA sagt übrigens für dieses Jahr einen neuen Rekord beim Zubau von erneuerbaren Energien voraus, der 2024 dann noch übertroffen werden soll. Auch viele Entwicklungsländer setzen mittlerweile verstärkt auf erneuerbare Energien. Erstens, weil sie ein großes Potenzial dafür haben. Zudem spielt das Thema Energiesicherheit hier eine nicht zu unterschätzende Rolle. Das heißt, die Richtung ist klar, der Weg eingeschlagen. Aber grundsätzlich haben ärmere Weltregionen mit vielen Herausforderungen zu kämpfen, derzeit vor allem mit wieder wachsendem Hunger, mit den Folgen der Hungerkrise, den Nachwehen von COVID-19 und einer sich generell eintrübenden Weltwirtschaft sowie steigenden Schuldenbergen. Umso wichtiger ist es, dass sie dabei internationale Unterstützung erhalten.
...und Klimaschutzmaßnahmen durch soziale Programme abgefedert werden?
Bei jeder Transformation gibt es auch Verlierer. Wenn wir diesen Wandel erfolgreich gestalten wollen, müssen wir sie mitnehmen. Das ist in Entwicklungsländern noch essentieller, weil für noch mehr Menschen die wirtschaftliche Situation prekär ist, seit Beginn der Corona-Pandemie erst recht. Hier helfen z.B. Programme zur sozialen Sicherung und Beschäftigung. Diese haben einen besonderen Mehrwert, wenn sie zugleich mit Investitionen in Nachhaltigkeit einhergehen. Wir machen das etwa zum Beispiel in Südafrika mit einem Programm namens Just Energy Transition Partnership. Hier werden drei Ziele gleichzeitig angegangen: weniger fossile Energieträger, sichere Energie und soziales Abfedern der Energiewende. Diese ambitionierte Partnerschaft fördern wir gemeinsam mit der EU, den USA, Großbritannien und Frankreich. Und die Bundesregierung handelt weitere Klimapartnerschaften aus.
Was tut die KfW Bankengruppe, um den Klimaschutz voranzubringen?
Wir haben uns ein sogenanntes Transform-Programm auferlegt, bei dem wir alle unsere Finanzierungen darauf ausrichten, die Transformation unserer Partner zu unterstützen und als KfW bis 2050 klimaneutral zu sein. Die Entwicklungsbank finanziert seit etwa 2008 zielgerichtet Klimaschutz und Anpassung - mit stark steigenden Mitteln, die sich inzwischen im Schnitt auf fünf Milliarden EUR jährlich belaufen. Das entspricht gut der Hälfte unserer Zusagen. Bei der anderen Hälfte stellen wir sicher, dass sie dem Klima nicht schaden. Zudem sind wir einer der größten Emittenten von Green Bonds und arbeiten permanent an neuen innovativen Ansätzen zur Förderung grüner Kapitalmärkte, auch in Entwicklungsländern. Mit LAGreen können wir ein Leuchtturmvorhaben in Lateinamerika umsetzen.
Und die KfW-Tochter DEG ist bereits sehr stark im Bereich Klima und Impact unterwegs. Sie finanziert und berät Unternehmen, die erneuerbare Energien Vorhaben in Entwicklungsländern umsetzen. Eine aktuelle Analyse des DEG-Portfolios zeigt: Die von der DEG mitfinanzierten Energieversorger produzieren jährlich rund 42 TWh grünen Strom und können damit über 38 Millionen Menschen versorgen. Zudem werden 16 Mio. t CO2-Emissionen eingespart. Mit ihrer fokussierten Geschäftsstrategie konzentriert sich die DEG seit Jahresbeginn noch stärker auf die Finanzierung von impactstarken sowie klimafreundlichen Vorhaben von privaten Unternehmen. Dazu baut sie auch ihre Beratungsangebote weiter aus. Das Portfolio der DEG soll übrigens bis 2040 klimaneutral sein.
Denken Sie, es ist machbar, bis 2050 auf Netto-Null-Emissionen zu kommen?
Ich würde es umgekehrt formulieren und sagen: Wir schaffen es sicherlich nur, wenn wir in den nächsten fünf bis zehn Jahren extreme Anstrengungen unternehmen und zwar insgesamt, auf der ganzen Welt. Insofern sind die kommenden Jahre ganz entscheidend.
Der Wissenschaft zufolge gehört zum Klimaschutz zwingend auch der Erhalt von Biodiversität. Trotzdem scheint das eine Thema in der öffentlichen Diskussion mehr Raum einzunehmen als das andere. Woran liegt das?
Wir hinken beim Thema Biodiversität tatsächlich deutlich hinterher. Deshalb hoffe ich auf gute Ergebnisse und ambitionierte Ziele beim Biodiversitätsgipfel in Montreal im Dezember. Wir müssen jetzt ein solides Rahmenabkommen verabschieden, genau wie beim Klimawandel mit der Paris-Übereinkunft. Dass wir hier noch nicht weiter sind, hat verschiedene Gründe, einer davon liegt in der Messbarkeit. Beim Klimaschutz gibt es mit den Treibhausgasen klare Messgrößen. Artenvielfalt ist diffuser und für uns schwerer fassbar; hier gilt es Indikatoren und Parameter zu entwickeln. Auch wirken Emissionen global, während Biodiversität eher ein lokales Phänomen ist, das heißt, es braucht häufig lokal angepasste Lösungen. Dennoch denke ich, mittlerweile wächst das Bewusstsein dafür, dass wir uns den derzeitigen Verlust der Biodiversität nicht leisten können. Wir merken, dass es Konsequenzen hat, wenn Insekten, wenn Vögel sterben. Der Diskussionsprozess ist meiner Ansicht nach jetzt im Gange.
Dabei sind Bäume, Wiesen und Wälder doch für jeden sichtbar und dadurch eigentlich greifbar...
Das schon, aber die Ursachen sind komplexer. Wenn Bienen sterben, merken wir das. Wir sehen auch, wenn es weniger Insekten auf der Windschutzscheibe gibt. Aber warum das so ist, was letztlich auf die Bienen eingewirkt hat und was es braucht, damit Bienenvölker wieder wachsen, erschließt sich nicht auf Anhieb. Wie der Schwund an Natur den Klimawandel und die menschliche Gesundheit beeinflusst. Die Bienen sind hier nur beispielhaft zu verstehen. Dasselbe könnten wir über Pilze, Algen oder Würmer sagen, auch über viele Säugetierarten. Die Zusammenhänge im Hintergrund sind jeweils vielschichtig.
Liegt es vielleicht auch daran, dass wir die Natur als etwas Selbstverständliches betrachten?
Auch das spielt eine Rolle. Wir spüren den Schwund meist erst, wenn der Verlust bereits eingetreten ist und sich nicht mehr umkehren lässt.
Für wie ernst halten Sie die Lage?
Für sehr ernst. Alle Zahlen, die wir sehen, belegen das. Der Verlust der Biodiversität ist dramatisch und geschieht in einer beispiellosen Geschwindigkeit. Zumal es direkte Rückkoppelungseffekte zum Klima gibt, zur Nahrungsmittelsicherheit und damit letztlich auch zu unseren Lebensbedingungen.
Wie wichtig ist das Thema Schutz der Biodiversität in der KfW?
Die KfW arbeitet schon seit Jahrzehnten daran und gehört im Auftrag der Bundesregierung zu den größten bilateralen Gebern weltweit. Dabei sind wir sehr vielseitig aufgestellt, mit mehr als 300 Vorhaben in 60 Ländern und Regionen, zu denen diverse und zum Teil auch große Naturschutzgebiete zählen. Aber wir fördern auch Wiederaufforstungen und Renaturierungen und bemühen uns immer wieder um neue Ansätze und Instrumente. So haben wir in den letzten Jahren zum Beispiel eine Reihe innovativer Initiativen aufgesetzt, wie den Blue Action Fund oder den Legacy Landscapes Fund, mit denen wir versuchen, noch mehr Mittel für den Erhalt der Natur weltweit zu sammeln und bereitzustellen. Ich habe übrigens in meinen ersten KfW-Jahren Aufforstungsprojekte in Vietnam betreut, habe also auch selbst Erfahrung auf diesem Gebiet.
Blue Action Fund
Die KfW hat zusammen mit dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) den Blue Action Fund, eine Stiftung zum internationalen Meeresschutz, gegründet. Die gemeinnützige Stiftung unterstützt Nichtregierungsorganisationen in Partnerländern darin, neue Meeresschutzgebiete einzurichten, das Management bestehender Schutzgebiete zu stärken sowie eine nachhaltige Fischerei und einen umweltfreundlichen Tourismus zu fördern. Im Auftrag des BMZ hat die KfW mit 92,1 Mio. EUR, die Regierung Schwedens mit über 16 Mio. EUR und die französische AFD 10 Mio EUR zum Stiftungsvermögen beigetragen. Neben Deutschland gehören Norwegen, Schweden, Frankreich und der Green Climate Fund zu den Gebern des Fonds, der mittlerweile eine Schutzfläche in der Größe Deutschlands fördert.
Blue Action Fund (in Englisch)Warum ist es wichtig, dass die KfW Entwicklungsländer beim Naturschutz unterstützt?
Dafür gibt es verschiedene Gründe. Einmal liegen viele Entwicklungsländer in klimatisch extremeren Regionen, das heißt, die Natur ist dort häufiger einerseits artenreicher und andererseits herausfordernder. Zweitens lebt ein viel größerer Teil der Menschen in ärmeren Ländern unmittelbar von und mit der Natur und ist direkt auf sie angewiesen. Wenn wir Armut beseitigen wollen, und das ist eines unserer übergeordneten Ziele in der Entwicklungsbank, müssen wir Existenzgrundlagen erhalten. Dazu gehört auch die Natur. Das heißt dann aber auch, dass Naturschutz nicht auf Kosten der Menschen gehen darf. Das ist für die KfW ein sehr wichtiger Punkt. Naturschutz kann nur mit den Menschen erfolgreich funktionieren. Deshalb braucht es eine gute Balance aus Nichtnutzung und nachhaltiger Nutzung, die jeweils zusammen mit den Partnern und Bewohnern vor Ort gefunden werden muss. Hier liegt sicherlich die größte Herausforderung beim Erhalt von Biodiversität.
Wird die KfW ihr Engagement auf diesem Gebiet in den nächsten Jahren ausweiten?
Der Bundeskanzler hat vor kurzem am Rande der UN-Vollversammlung angekündigt, dass Deutschland bis 2025 1,5 Milliarden Euro für den Schutz von Biodiversität bereitstellen wird. Wir unterstützen die Bundesregierung sehr gern dabei, diese Mittel umzusetzen. Denn es ist ganz klar, dass Artenvielfalt und Klimaschutz zusammengehören. Zur Begrenzung der Erderwärmung muss so viel Natur wie möglich intakt bleiben oder wiederhergestellt werden. Wälder, Moore und Böden sind natürliche Kohlenstoffsenken, die einen effektiven Beitrag zur Minderung von Kohlendioxid in der Atmosphäre leisten können. Deshalb ist die KfW auf beiden Gebieten sehr aktiv - und wird auch in den kommenden Jahren intensiv engagiert bleiben.
Auf KfW Stories veröffentlicht am 28. November 2023.
Zu diesen Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen leistet das dargestellte Projekt einen Beitrag
Ziel 17: Globale Partnerschaft und Umsetzungsmittel stärken
Die 17 Ziele lassen sich nur mithilfe einer starken globalen Partnerschaft erreichen. Regierungen, Zivilgesellschaft und Unternehmen müssen gemeinsam an ihrer Umsetzung arbeiten. „Niemanden zurücklassen“ ist das Oberprinzip der Agenda 2030. Die UN-Mitgliedsstaaten haben sich darauf verpflichtet, diejenigen zuerst zu erreichen, die am weitesten zurückliegen. Die Mittel für die öffentliche Entwicklungszusammenarbeit sind in den ärmsten Ländern in den letzten Jahren allerdings gesunken. Gerade einmal fünf Länder haben ihr Versprechen für die ODA-Quote – das ist der Anteil der öffentlichen Ausgaben für Entwicklungszusammenarbeit am Bruttonationaleinkommen – von 0,7 Prozent eingehalten. Auch Deutschland erfüllt die ODA-Quote noch nicht, hat seine Ausgaben in den letzten Jahren aber kontinuierlich gesteigert. Quelle: www17ziele.de
Alle Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen verabschiedeten im Jahr 2015 die Agenda 2030. Ihr Herzstück ist ein Katalog mit 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung, den Sustainable Development Goals (SDGs). Unsere Welt soll sich in einen Ort verwandeln, an dem Menschen ökologisch verträglich, sozial gerecht und wirtschaftlich leistungsfähig in Frieden miteinander leben können.
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