Bunker in Wilhelmsburg am Tag
Erneuerbare Energien

Erneuerbare Energien

Vom Bollwerk zum Kraftwerk

Im Hamburger Stadtteil Wilhelmsburg wird ein Weltkriegsbunker als regeneratives Kraftwerk genutzt, um dezentral Wärme für die Nachbarschaft und Strom zu gewinnen.

Verwandlung

Einst Bunker, heute Kraftwerk – Impressionen aus einer einstigen Kriegsruine, die mittlerweile Wärme für 1.700 Haushalte produziert(Quelle: KfW / MEHR+).

Wie aus der Zeit gefallen steht er da, der Bunker. Von vorn und von den Seiten betrachtet wirkt er wie vor siebzig Jahren, hohe, fensterlose Mauern aus meterdickem, grauem Stahlbeton. Damals war der Bunker ein Ort der Angst, die Menschen kamen, weil sie Schutz vor Bomben suchten. Heute ist er ein Ort der Zuversicht: Besucher kommen, um zu erleben, wie eine erfolgreiche Energiewende aussehen kann. Im Café auf der Dachterrasse genießen sie eine großartige Aussicht auf Hamburg, bis hin zum Hafen, zur Michaeliskirche, zur Elbphilharmonie. Dabei lässt sich Kaffee trinken – gekocht mit Energie aus dem Bunker.

Weit über 100.000 Besucher waren schon da. Denn heute steht der Bunker für die Zukunft der Energieversorgung. Schon von fern sichtbar sind die Solaranlagen an der Südwand und auf dem Dach. Im und auf dem Bunker erzeugen modernste Anlagen klimafreundlich Wärme und Strom. Dabei geht es nicht nur um Solarenergie: Der Mix macht’s!

Zu Kriegsende sollte der Bunker gesprengt werden. Doch während die Innenwände zu Schutt und Asche zerfielen, blieben die Außenmauern stehen. Sechzig Jahre lang stand das einsturzgefährdete Bauwerk ungenutzt auf der grünen Wiese inmitten eines Wohngebiets. Im Rahmen der Internationalen Bauausstellung (IBA) in Hamburg bekam der Bunker 2006 dann seine zweite Chance.

Die Planer entwickelten in dreijähriger Arbeit ein ambitioniertes Konzept: Die Kriegsruine sollte zu einem Objekt werden, das einer größeren Öffentlichkeit die Chancen der Energiewende erfahrbar macht. Hier wird eine Pionierleistung in Sachen Energieerzeugung vollführt: Energie aus verschiedenen regenerativen Quellen wird vor Ort verknüpft, damit der Bunker als lokales Kraftwerk ein Stadtgebiet von über einem Quadratkilometer mit Wärme versorgt und dazu Strom ins Stromnetz einspeist. „Der Energiebunker ist so zum anfassbaren Objekt der Energiewende geworden“, erklärt Joel Schrage, Projektleiter beim städtischen Versorgungsunternehmen Hamburg Energie, das das Ökokraftwerk betreibt.

Ausblick aus dem Bunker in Wilhelmsburg
Autark

Heizung, Herd und Hängeleuchten: Sämtliche Geräte im beliebten Bunker-Café „Vju“ werden mit hausgemachter Energie betrieben.

Ehe der alte Flakbunker zum Energiebunker werden konnte, mussten rund 20.000 Tonnen Kriegsschutt weggeräumt, die tragenden Pfeiler wiederaufgebaut und die Fassade saniert werden. In den Jahren 2012 und 2013 wurden die Energiezentrale im Inneren des Bunkers und die Solarhülle gebaut. Die Solarkollektoranlage zur Wärmeerzeugung an der Außenwand förderte die KfW im Rahmen ihres Programms „Erneuerbare Energien Premium“. Auch der Ausbau des Wärmenetzes begann.

Seine Energie bezieht der Bunker aus Solarkraft, Biomethan und der zugeführten Abwärme eines Industriebetriebs aus der Nachbarschaft. Die Geschichte des Energiebunkers ist schon jetzt eine Erfolgsgeschichte. Einen riesigen Anteil daran hat der Großpufferspeicher, der das Wärmeversorgungskonzept des Energiebunkers wirtschaftlich macht.

Der Energiebedarf von Verbrauchern schwankt im Tagesverlauf erheblich. Klassische Öko-Kraftwerke stellt das vor eine Herausforderung: Wohin mit überschüssiger Energie, wenn sie nicht direkt abgerufen wird? Und woher die Energie nehmen, wenn morgens alle Menschen gleichzeitig heizen, kochen und unter die Dusche springen wollen?

Die KfW fördert

Der Energiebunker wurde mit Mitteln des Programms Erneuerbare Energien - Standard (272) finanziert

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Der Großpufferspeicher gleicht diese Schwankungen aus. Der zwanzig Meter hohe, silberfarbene Wärmespeicher im Inneren des Bunkers ist mit zwei Millionen Litern Wasser gefüllt. Dem Wasser wird durch die verschiedenen Energieerzeuger Wärme zugeführt. Die im Wasser gespeicherte Wärme kann flexibel abgerufen werden, ganz nach Bedarf. Dadurch ist der Energiebunker in der Lage, auch zu Spitzenverbrauchszeiten rentabel zu arbeiten. Das Gesamtkonzept ist weltweit einmalig.

Pufferspeicher im Energiebunker Wilhelmsburg
Wärme auf Abruf

Der mit Wasser gefüllte Großpufferspeicher (Mitte) ist das Herz des Energiebunkers.

Heute, knapp vier Jahre nach dem Start, deckt der Energiebunker den Wärmebedarf von rund 1.700 Haushalten und den Strombedarf von rund 1.500 Haushalten ab. Neben weit über tausend Wohnungen beliefert der Energiebunker eine Kita, eine Multifunktionshalle, einen großen Gewerbehof und die Polizeistation mit Energie; im laufenden Jahr werden eine Schule und weitere Institutionen dazukommen. Der Energiebunker sorgt bei den Kunden für eine CO₂-Einsparung von 95 Prozent. Muss dieser Umweltvorteil teuer erkauft werden? „Keinesfalls“, sagt Joel Schrage: „Die Wärmekosten liegen bei uns genau auf dem Marktniveau.“

Auf gute Nachbarschaft also: Erneuerbare Energie, im Viertel und für das Viertel nachhaltig produziert – in Hamburg-Wilhelmsburg lässt sich besichtigen, wie Klimaschutzkonzepte erfolgreich umgesetzt werden können. „Und das Potenzial des Speichers ist noch nicht ausgeschöpft“, erklärt Projektleiter Schrage.

Der Energiebunker in Wilhelmsburg wird nachts beleuchtet
Attraktive Energiewende

Der Wilhelmsburger Energiebunker strahlt auch bei Nacht Wärme aus.

Das Ziel ist also, weitere Verbraucher an das Wärmenetz anzuschließen und noch mehr dezentrale Energie- oder Abwärmelieferanten in der Nachbarschaft zu gewinnen. Für den Transport der Wärme müssen unterirdische Rohre und Leitungen verlegt werden. Je mehr Kunden bereits angebunden sind, desto einfacher und günstiger wird die weitere Vernetzung.

Im Energiebunker wird das Wärmenetz der Zukunft simuliert. Man probiert auf Mikroebene aus, was bald in ganz Deutschland Wirklichkeit werden soll: die dezentrale Energieversorgung mit erneuerbaren Energien.

Hier erforschen Wissenschaftler, wie sich das Zusammenspiel der Erzeuger steuern und optimieren lässt. Unter anderem werden Erkenntnisse über die Praxistauglichkeit der eingesetzten Regel- und Hydrauliktechnologien gesammelt. Auch im Ausland sorgt das Projekt für Furore, inzwischen ist der Bunker eine Pilgerstätte für Energiespezialisten aus aller Welt.

Im ehemaligen Treppenbereich des Bunkers ist an der Wand noch ein Schriftzug aus Kriegstagen zu erkennen: „Weitergehen!“ Eine Aufforderung, die auch zu der neuen Aufgabe des alten Bunkers passt: Wer die Energiewende will, darf nicht am Anfang stehenbleiben, sondern muss Schritt für Schritt voranschreiten in die Zukunft.

Auf KfW Stories veröffentlicht am 21. März 2017, aktualisiert am 28 Juli 2023.

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