Das Ensemble Modern trat am 17. Juni 2017 mit Kompositionen aus Indonesien auf dem renommierten Holland Festival in Amsterdam auf – gefördert von der KfW Stiftung. Im Interview erklärt Programmleiterin Dr. Nicola Müllerschön, warum sich die KfW Stiftung für den interkulturellen Austausch stark macht.
Dr. Nicola Müllerschön
Müllerschön ist promovierte Kunsthistorikerin. Für die KfW Stiftung arbeitet sie seit 2013 als Programmleiterin Kunst und Kultur.
Mehr erfahrenWas kann das Publikum vom Konzert in Amsterdam erwarten?
Fünf höchst unterschiedliche Stücke, die gängige Vorstellungen von Neuer Musik, für die das Ensemble Modern steht, und traditioneller indonesischer Gamelanmusik unterwandern. Zeitgenössische Musik in Indonesien ist so vielfältig wie das Land selbst – mit komplexen Bezügen und Einflüssen. Die Stücke, die die Komponisten eigens für das Ensemble Modern entwickelten, zeigen unterschiedlichste künstlerische Ansätze: Es gibt performative, szenische und audiovisuelle Elemente.
Wie kam es zu dieser Förderung?
Die Einladung zum Holland Festival knüpft an das mehrjährige Projekt „Ruang Suara“ (indonesisch für Klangräume) an, das die KfW Stiftung mit dem Ensemble Modern und dem Goethe-Institut Indonesien konzipiert hat. Es ging uns darum, indonesische Komponisten mit dem Ensemble Modern zusammenzubringen und die Möglichkeit zu geben, mit westlichen und indonesischen Instrumenten zu experimentierten und sich über unterschiedliche Notationen, Stimmungssysteme und Klangvorstellungen auszutauschen. Uns hat der Prozess interessiert, der zum Konzert führt, nicht in erster Linie das Konzert selbst.
Wie muss man sich diesen Prozess vorstellen?
Es gab zwei einwöchige Workshops – im Herbst 2014 in Jakarta und im Januar 2015 in Frankfurt –, bei denen die Komponisten auf die Musiker des Ensemble Modern trafen und ein Gespür für die jeweiligen Arbeitsweisen entwickelten. Im Oktober 2015 fanden dann die Uraufführungen in Frankfurt statt – Indonesien stand als Gastland der Buchmesse im besonderen Fokus der Aufmerksamkeit. In der Zwischenzeit waren die Künstler über E-Mail, Skype und Facebook in Kontakt. Im Dezember 2015 wurden die Konzerte in Indonesien zur Aufführung gebracht, in Jakarta, Yogyakarta und Bandung.
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Interkultureller Workshop
Auf einem Workshop in Frankfurt konnten die Teilnehmer mit westlichen und indonesischen Instrumenten experimentierten und sich über unterschiedliche Notationen, Stimmungssysteme und Klangvorstellungen austauschen.
Was waren die wesentlichen Erfahrungen dieses interkulturellen Projekts?
Zunächst: Alle Künstler hatten Lust, sich auf dieses Abenteuer einzulassen, dessen Ausgang völlig unabsehbar war. Offenheit, Respekt und vor allem Begeisterung sind dabei die Triebfedern, ohne die es nicht geht. Unterschiedliche Herangehensweisen erzeugen jedoch auch Missverständnisse und machen Differenzen sichtbar, doch genau darum geht es: die Unterschiede nicht zu nivellieren und zu ignorieren, sondern ernst zu nehmen, die eigene Haltung zu reflektieren und ein Bewusstsein für die des anderen zu entwickeln.
Ensemble Modern
Das Ensemble für Neue Musik wurde 1980 gegründet und besteht aus 20 Solisten aus zehn Ländern. Rund 100 Konzerte gibt die Gruppe jedes Jahr, zu hören ist ihre Musik auch auf zahlreichen CDs. Einige Produktionen sind preisgekürt, unter anderem mit einem Echo und dem Preis der Deutschen Schallplattenkritik. 2003 wurde die Aus- und Weiterbildung gebündelt, in der Internationalen Ensemble Modern Akademie geben die Musiker ihr Wissen weiter.
Mehr erfahrenWo lagen die Herausforderungen?
Zunächst gibt es die für uns selbstverständliche Unterscheidung in Komponist und Musiker in Indonesien nicht. Komponisten sind immer auch selbst Musiker, der Kompositionsprozess ist nicht vom gemeinsamen Spielen, Proben, Aufführen zu trennen. Schriftliche Notationen sind die Ausnahme, und wenn es sie gibt, müssen sie buchstäblich übersetzt werden. Der aus meiner Sicht wichtigste Aspekt ist jedoch die Zeit. Die Pragmatik und Effizienz, mit der westliche Ensembles Probenphasen gestalten, ist völlig konträr zu dem prozessorientierten, kollaborativen Arbeiten indonesischer Komponisten/Musiker. Gerade deswegen war die Einladung des Holland Festivals ein wunderbarer Anlass, die Zusammenarbeit fortzusetzen und nach den gemeinsamen Erfahrungen erneut an die Stücke heranzugehen und sie weiterzuentwickeln. Und gerade deswegen halten wir es für wichtig, unsere Förderung fortzusetzen. Der Work in Progress hält also noch an, und das Publikum in Amsterdam wird sicher nicht dieselben Stücke hören wie das Publikum in Frankfurt und Indonesien vor zwei Jahren.
Warum macht die Stiftung das?
Wirklicher interkultureller Austausch in der Musik ist immer noch die Seltenheit, in der Regel werden internationale Konzertreisen gefördert, bei denen Bach und Mozart auf dem Programm stehen. Uns interessieren jedoch Musik- und Kompositionskulturen jenseits des westlichen Kanons. Gerade Südostasien hat so reiche Musikszenen, von denen wir viel zu wenig wissen. Insofern ist unser Förderansatz immer ein wechselseitiger Austausch auf Augenhöhe, ein Kulturexport.
Die Stiftung fördert im Kulturbereich nicht nur Musik. Welche anderen Programme gibt es?
Die Stärkung des interkulturellen Austauschs ist das zentrale Element, wir entwickeln lokale Projekte und internationale Programme in Zusammenarbeit mit Partnern. Wir bieten unter anderem Residenzprogramme für Nachwuchskünstler und -kuratoren aus Lateinamerika, Afrika, dem Nahen Osten und Asien in Berlin an, Schreibwerkstätten für junge arabischsprachige Autoren in Kairo und Beirut und interdisziplinäre Projekte, wie aktuell einen Think Tank unter der Leitung des grandiosen Tänzers Akram Khan.
Eine Kostprobe des Projekts „Ruang Suara" können Sie sich auf Youtube ansehen.
Auf KfW Stories veröffentlicht am: Donnerstag, 6. April 2017
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