Doppelportrait von Stefan Wintels und Christian Lindner
Mobilisierung von Privatkapital

Mobilisierung von Privatkapital

„Wir wollen Zukunft gestalten“

KfW-Verwaltungsratsvorsitzender Christian Lindner und KfW-Chef Stefan Wintels über die Rolle von Privatkapital bei der Transformation, die neue Energiepolitik und die Attraktivität von grünen Investments.

Christian Lindner
Portrait von Christian Lindner in Gesprächssituation

ist seit 2013 Vorsitzender der FDP und seit 2021 Bundesminister der Finanzen. Im Jahr 2023 ist er turnusgemäß Vorsitzender des Verwaltungsrats der KfW.

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Herr Bundesminister, Mobilisierung von Privatkapital ist Teil Ihrer Agenda geworden. Warum?

CHRISTIAN LINDNER Wir wissen heute, dass wir ganz grundlegend die Art, wie wir leben und wirtschaften, verändern müssen. Die Herausforderungen sind enorm: Digitalisierung, Dekarbonisierung, demografischer Wandel: Wenn wir erhalten wollen, was in sieben Jahrzehnten Bundesrepublik erreicht worden ist, müssen wir uns transformieren. Um diese Transformation zu bewältigen, werden wir Billionen Euro in den nächsten Jahren und Jahrzehnten aufwenden müssen. Das kann der Staat allein nicht mobilisieren. Deshalb brauchen wir private Kapitalgeber und Rahmenbedingungen, die Investitionen in neue Technologien und eine nachhaltige Entwicklung attraktiv machen.

Sie sind seit Anfang des Jahres der Vorsitzende des Verwaltungsrats der KfW. Wie schauen Sie in diesem Zusammenhang auf Ihre Förderbank, die im November dieses Jahres 75 Jahre alt wird?

LINDNER Die KfW war Trümmerfrau, die KfW war Aufbauerin, sie war Modernisiererin, die KfW war Krisenmanagerin. Nun soll sie die Rolle der Antreiberin übernehmen. Wir wollen, dass die KfW Innovationen unterstützt, ihr marktnahes Know-how zur Verfügung stellt und einen Beitrag dazu leistet, privates Kapital zu hebeln. Dies nicht als verlängerte Werkbank staatlicher Subventionspolitik, sondern als ein marktwirtschaftliches Instrument zwischen dem freien Spiel der Kräfte und dem Staat mit Ordnungsrecht und Staatshaushalt. Man kann nach 75 Jahren durchaus sagen, dass die KfW so etwas wie der Seed-Investor der Bundesrepublik Deutschland gewesen ist. Nun muss die Idee der KfW, privates unternehmerisches Risiko zu ermöglichen, noch stärker werden.

Stefan Wintels
Portrait von Stefan Wintels in Gesprächssituation

leitet seit Ende 2021 die staatliche Förderbank KfW. Die Mobilisierung von privatem Kapital und die Optimierung der Förderwirkung sind Teil der Transformationsagenda, die er ins Leben gerufen hat.

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KfW Research hat ausgerechnet, dass wir allein für die Klimatransformation 5.000 Milliarden Euro bis 2045 benötigen. Herr Wintels, hemmt diese Dimension Sie in Ihrer Rolle des Mutmachers?

STEFAN WINTELS Ich bin sehr zuversichtlich, denn in den 75 Jahren ihres Bestehens hat die KfW im In- und Ausland immer wieder dazu beigetragen, Krisen zu überwinden und gestärkt aus ihnen hervorzugehen. Unser Selbstverständnis lautet auch heute: Zukunft gestalten. Als Antreiberin, aber auch vor allem als „Enablerin“ – „Wegbereiterin“ – möchten wir es Menschen und auch Unternehmen ermöglichen, Verantwortung zu übernehmen. Nur wenn jeder seiner Verantwortung gerecht wird, sind die enormen Herausforderungen zu bewältigen. Wir sehen bereits ermutigende Beispiele. Deutschland erfindet sich gerade ein weiteres Mal neu. Die Transformation in ein nachhaltiges, digitales und resilientes Deutschland hat begonnen!

Woran machen Sie das fest?

WINTELS Als KfW sind wir an der Schnittstelle von Politik, Wirtschaft, Finanzwesen und Öffentlichkeit nah am Marktgeschehen. Sowohl bei der Auszeichnung von besonders innovativen Gründenden als auch in unserer eigenen Finanzierungspraxis erleben wir, dass der deutsche Erfinder- und Gründergeist stark ausgeprägt ist. Zudem begreifen wir in Deutschland Krisen als Chancen. Ein in zweierlei Hinsicht gutes Beispiel ist der Ausbau der LNG-Infrastruktur in Brunsbüttel. Zum einen ist die Infrastruktur unglaublich schnell fertiggestellt worden und zweitens wurde die Energiewende direkt mitgedacht: Die Infrastruktur ist so angelegt, dass später grüner Wasserstoff verarbeitet werden kann.

KfW Stories Magazin
Titelbild des Stories-Heftes mit Christian Lindner und Stefan Wintels

Das Heft zum Thema "Mobilisierung von Privatkapital"

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Gleichzeitig kommen in Deutschland viele Dinge nicht voran, etwa im Bereich Digitalisierung. Herr Minister, kann Deutschland bei der Transformation noch Vorbild werden?

LINDNER Ich glaube schon, dass die neue Energiepolitik, die wir uns in Deutschland vorgenommen haben, modellhaft sein kann. Unser Ziel ist, unsere Energieversorgung auf die erneuerbaren – wie ich sie nenne – Freiheitsenergien umzustellen, die uns unabhängiger machen von anderen Weltregionen und die am Ende auch wirtschaftlich sind. Weil Sonne günstiger als ein fossiler Brennstoff ist. Bei der Transformation, dem Weg dahin, darf es nicht zu Strukturbrüchen kommen.

Was meinen Sie genau?

LINDNER: Dass wir in die Phase eintreten müssen, in der tatsächlich auch Rendite erzielt werden kann. Wenn wir es richtig anstellen, dann wird unsere neue Energieversorgung ein Vorteil sein. Fossile Energieträger werden wegen den Vorgaben von Green Finance und Taxonomie nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch problematisch sein. Auch die Kernenergie, zumindest in ihrer heutigen Form, ist unter Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten aus meiner Sicht mit Fragezeichen verbunden. Zum einen, weil auch der Uranpreis irgendwann steigen wird, wenn wir eine Renaissance der Nuklearenergie anstreben. Und zum anderen, weil wir die vielfach ungelöste Endlagerfrage haben. Ich glaube deshalb, dass unser Weg – erneuerbare Freiheitsenergien mit innovativen Energieimporten, synthetische Kraftstoffe, Wasserstoff, CCS-Technologien – für die nächsten Jahrzehnte ökonomisch wie ökologisch eine Riesenchance bietet.

um eigenkapitalähnliche Instrumente zu erweitern und so den Aufbau eines sich selbst tragenden Ökosystems zu unterstützen.

KfW Capital

investiert in deutsche und europäische Venture Capital-Fonds, die sich an Unternehmen in der Wachstumsphase in Deutschland beteiligen und so deren Kapitalbasis stärken.

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Herr Wintels, sind grüne Investments langfristig wirklich profitabel?

WINTELS Absolut. Das ist ja heute schon der Fall, etwa bei Green Bonds. Der erste Green Bond – man glaubt es gar nicht – wurde 2007 emittiert. 2014, als die KfW den ersten Green Bond in Deutschland emittierte, war das Volumen nur 43 Milliarden US-Dollar, vorletztes Jahr hatten wir bereits 630 Milliarden US-Dollar an Green Bonds. Das ist ein jährliches Wachstum von fast 50 Prozent. Das spricht dafür, dass es eine unglaubliche Nachfrage auch nach grünen Investments gibt.

Warum ist das so?

WINTELS Weil Nachhaltigkeit Risiko herausnimmt. Wir beobachten bereits heute, dass bei einem gleich gut funktionierenden Geschäftsmodell Unternehmen ohne eine glaubhafte Nachhaltigkeitsstrategie zu geringeren Multiplikatoren gehandelt werden als Unternehmen mit einer klaren Nachhaltigkeitsstrategie.

LINDNER Wir haben ein Narrativ in Deutschland, dass die ökologische Transformation notwendigerweise mit Verzicht auf Wachstum und wirtschaftlichen Fortschritt verbunden sei. Meine Überzeugung ist fundamental anders. Grüne Investitionen oder, anders gesagt, Investitionen in die ökologische Transformation, können selbst neues Wachstum generieren, weil wir am Ende mit effizienteren, mit innovativeren Methoden Produkt- und Dienstleistungen anbieten. Weil wir ein System- und Technologie-Know-how entwickeln, das wir in die Welt exportieren können. In dieser ökologischen und digitalen Transformation liegt eine enorme Chance für unser Land, nicht nur sich zu verändern, sondern auch die Welt durch deutsche Spitzenprodukte und Dienstleistungen. Und das bringt gute Renditen für all diejenigen, die investieren.

Herr Wintels, wie trägt die KfW dazu bei?

WINTELS 75 Jahre KfW bedeuten 75 Jahre Erfahrung bei der Gestaltung des Wandels. Dabei ist es schon immer unser Ziel gewesen, Investitionsanreize zu schaffen, private Finanzierungen zu stimulieren und privates Kapital zu mobilisieren – sowohl national als auch international. Der Fokus lag bisher vor allem auf der Mobilisierung von privatem Kapital durch Fremdkapital – also die Herausgabe von Krediten. Nun geht es darum, den Baukasten um eigenkapitalähnliche Instrumente zu erweitern und so den Aufbau eines sich selbst tragenden Ökosystems zu unterstützen.

Was liegt denn schon in Ihrem Baukasten?

WINTELS Ich möchte Ihnen gerne vier Beispiele geben. Erstens haben wir in Entwicklungs- und Schwellenländern eine Reihe von sogenannten Impact Fonds, wie etwa den eco.business Fund, der nachhaltig produzierende Unternehmen in der Landwirtschaft und Fischerei finanziert. Hier hebelt ein Euro aus dem öffentlichen Haushalt den mehr als 17-fachen Betrag an Endkrediten. Zweitens: Auf der letzten Klimakonferenz COP27 haben wir die weltweit erste Förderplattform zur Finanzierung von grünem Wasserstoff gelauncht. Sie bietet großes Potenzial zur Hebelung weiterer öffentlicher Fördermittel, von KfW-Eigenmitteln und privater Finanzierungen. An dritter Stelle möchte ich unser Venture-Tech-Growth-Financing-Programm erwähnen, welches Start-ups in Deutschland direkt finanziert. Es wurde vor Kurzem substanziell ausgebaut, bis zum Jahr 2030 stellen wir revolvierend 1,2 Milliarden Euro für gemeinsame Finanzierungen mit privaten Kreditgebern über alle Wachstumsphasen zur Verfügung. Und viertens darf in diesem Zusammenhang unsere Beteiligungstochter KfW Capital nicht fehlen. KfW Capital tritt als Investor auf, investiert in deutsche und europäische Venture-Capital-Fonds …

Portrait von Chrisitan Lindner
Gipfeltreffen

KfW-Verwaltungsratsvorsitzender Christian Lindner und KfW-Chef Stefan Wintels.

… und managt für den Bund den 2021 aufgelegten Zukunftsfonds. Welche Rolle spielt er bei der Transformation, Herr Lindner?

LINDNER Wir wollen in Deutschland attraktive Rahmenbedingungen für Unternehmensgründungen, für Start-ups bieten. Diese sind so etwas wie die ausgelagerte Forschungsabteilung unserer Volkswirtschaft. Sie können Dinge, die der etablierte Mittelstand nicht will oder die die Industrie sich nicht traut. Insofern produzieren sie nicht nur tolle Produkte und Dienstleistungen, sondern auch Wissen, das wir dringend für die Transformation benötigen. Sie haben aber unterschiedliche Bedürfnisse über die Phasen von der Gründung über die Reifung bis zum Wachstum. Wir haben bereits in den vergangenen Jahren eine Reihe von Instrumenten in der Gründungs- und auch der Vorgründungsphase geschaffen, etwa den High-Tech Gründerfonds. Uns fehlten noch Instrumente für die Wachstumsphase von Unternehmen, die Marktanteile gewinnen wollen oder die wir auf dem Weltmarkt begleiten müssen. Der Zukunftsfonds setzt hier an und ist auch deshalb wichtig, weil er Kapitalgeber stärkt, die unsere innovativen Unternehmensgründungen mit inländischem Kapital wachsen lassen. Die KfW gibt diesen Kapitalgebern eine gewisse Sicherheit, die oft notwendig ist, damit Private investieren können.

Sie sprechen viel über Start-ups. Wie sieht es aus mit den etablierten Unternehmen?

LINDNER Wir überlegen fortwährend, wie wir die Transformation der Industrie von Mittelstand, Industrie und Handwerk unterstützen können. Sie benötigen enorme Investitionen in Dekarbonisierung und Digitalisierung. Auch solche, bei denen die Kapitalrendite nicht in einem üblichen Zeithorizont, sondern möglicherweise erst später erfolgt, wir aber natürlich die Wertschöpfung in unserem Land erhalten müssen. Hier brauchen wir Ökosysteme, die nicht nur Finanzierung anbieten, sondern auch Beratung. Hier hat die KfW eine wichtige Rolle, in Ergänzung zu privaten Kapitalmarktakteuren und den Banken.

Herr Wintels, Sie waren Investmentbanker. Wie können Sie diese Erfahrung jetzt einbringen?

WINTELS Investmentbanken, insbesondere wenn Sie breit aufgestellt sind, bieten ihren Kunden einen Finanzierungsmix aus Kapitalmarkt- und sonstigen Finanzierungsangeboten. Im Kern geht es, wie bei allen Banken darum, Unternehmen, private und öffentliche Haushalte mit maßgeschneiderten Finanzierungsoptionen dabei zu unterstützen, ihre Pläne umzusetzen. In den kommenden Jahren werden Banken ihre Kunden bei der Transformation begleiten müssen. Angesichts der Größenordnung des Finanzierungsbedarfs dieser Transformation wird es darauf ankommen, die Anforderungen der Investoren, wie Versicherungen, frühzeitig bei größeren Vorhaben zu berücksichtigen. Diese Mobilisierung von privatem Kapital wird ein zentrales Thema für die KfW in den kommenden Jahren in Deutschland, aber auch für unsere internationalen Aktivitäten sein.

Und wie gehen Sie das Thema an?

WINTELS Anfang 2022 haben wir die Transformationsagenda KfWplus angestoßen: Bis Ende dieses Jahrzehnts möchten wir uns zu der digitalen Transformations- und Förderbank weiterentwickeln. Ich glaube zutiefst, dass wir uns selbst transformieren müssen, um die Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft nachhaltig zu unterstützen. In KfWplus ist die Mobilisierung von privatem Kapital neben der Optimierung der Wirkung der zentrale Faktor. Diese beiden Ziele stehen in einem unmittelbaren Zusammenhang: Die Mobilisierung des privaten Kapitals ist kein Selbstzweck, sondern dient vor allem dazu, die angestrebte Förderwirkung möglichst effizient zu gestalten. Für den Bund bedeutet das einen schonenden Einsatz von Haushaltsmitteln, für private Investoren die Senkung der Risiken.

Dossier Venture Capital

KfW Research analysiert das deutsche Venture Capital-Ökosystem und veröffentlicht neben themen­bezogenen Studien vierteljährlich ein Barometer zur Geschäfts­stimmung unter deutschen Investoren und ein Dashboard zur Entwicklung des deutschen Venture Capital-Marktes.

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Letzte Frage an Sie beide: Wird das Geld am Ende die Welt retten?

LINDNER Geld rettet nicht die Welt, die Welt retten Freiheitsliebe, Einfallsreichtum, Risiko- und Verantwortungsbereitschaft. Aber Kapital ist eben ein notwendiges Medium, um daraus auch konkrete realwirtschaftliche Ergebnisse erzielen zu können. Wir haben im Übrigen auch beachtlich viel Kapital, privat wie öffentlich. Und deshalb werden wir 2030 einen großen Schritt im Bereich Klimaschutz und Digitalisierung aller Lebensbereiche gemacht haben. Und wir werden damit die Grundlagen unseres Wohlstands und unseres sozialen Zusammenhalts gesichert haben.

WINTELS Ich glaube, dass in diesem Jahrzehnt der Entscheidung sich jeder fragen sollte, sei es privat oder als Unternehmen: Werde ich meiner eigenen Verantwortung gerecht? Dies gilt auch für Investoren. Wenn wir unser Geld so anlegen, dass es auch eine Zukunftsrendite hat, dann bin ich sehr optimistisch, dass Kapital eine sehr konstruktive und entscheidende Rolle spielen kann. Gesellschaft, Politik, Banken, Industrie und auch der Kapitalmarkt sind hierbei Teil der Lösung.

Veröffentlicht auf KfW Stories am 11. April 2023.