Der Bund, die KfW und das Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin haben ihre Kräfte gebündelt, um drohende Epidemien in Ostafrika frühzeitig zu erkennen. Dafür wird ein regionales Netzwerk mobiler Labore für Burundi, Kenia, Ruanda, Südsudan, Tansania und Uganda aufgebaut. In der Corona-Krise werden sie dringend gebraucht.
Seit Beginn der Corona-Pandemie wird vor der Ausbreitung des Virus in Afrika gewarnt. Die dortigen nationalen Gesundheitssysteme sind lückenhaft bis bruchstückhaft, die hygienischen Bedingungen oft weit unter europäischem Standard, Millionen Menschen leben in Armut. Mitte April 2020 warnte die Weltgesundheitsorganisation WHO, dass sich die Anzahl der Infektionen zwischen Mittelmeerküste und dem Kap der Guten Hoffnung im Laufe dieses Jahres von einigen Tausend auf zehn Millionen Fälle erhöhen könnte. Weitere wissenschaftliche Studien prognostizierten im besten Falle 300.000 Corona-Tote (Imperial College London), im schlimmsten Falle 3,3 Millionen (UN Economic Commission for Africa). Es gibt zwar auch Stimmen, die Afrika aufgrund seiner jüngeren Bevölkerungsstruktur einen nicht so starken Ausbruch prophezeien, doch die Warnungen stehen im Raum.
Angesichts der drohenden Katastrophe erfährt Ostafrika gerade einen kleinen Lichtblick. Denn die Ostafrikanische Staatengemeinschaft (EAC) hat Ende April mobile Labore zur schnellen und modernen molekularbiologischen Diagnostik von Infektionskrankheiten in ihren sechs Mitgliedsländern Burundi, Kenia, Ruanda, Südsudan, Tansania und Uganda bereitstellen können. Ursprünglich konzipiert, um Ebola-Ausbrüche im eigenen Land schneller zu identifizieren und in den Griff zu bekommen, können nun die gleichen molekularbiologischen Testmethoden von speziell dafür ausgebildetem Laborpersonal angewandt werden, um den einwandernden Covid-19-Erreger zu diagnostizieren. Ein glücklicher Zufall.
Hilfe auch für Kamerun
Kamerun weist nach Südafrika die meisten Covid-19-Infektionen südlich der Sahara auf. Im Land stehen für die rund 26 Millionen Einwohner nur 50 Intensivbetten zur Verfügung, seit Ausbruch der Krankheit werden an manchen Tagen nur 30 Personen auf eine Neuinfektion getestet.
Angesichts dieser Situation erhält das Land nun bis zu eine Million Euro zur Finanzierung eines Reaktionsplans für Covid-19. Dabei handelt es sich um Restmittel eines Gesundheitsprogramms, das die KfW Entwicklungsbank im Auftrag des Bundes zusammen mit der französischen Entwicklungsagentur in Kamerun unterstützt. Das Geld, das nun für die Corona-Bekämpfung umgewidmet wurde, soll vorrangig dazu dienen, die diagnostischen Kapazitäten im Land zu stärken. Unter Federführung des Gesundheitsministeriums und des Centre Pasteur von Kamerun werden 17 Partnerlabore im ganzen Land modernisiert, Covid-19-Screeningtests können dann kurzfristig auf regionaler Ebene durchgeführt werden. Darüber hinaus sollen Labormaterialien und -ausrüstung sowie 6.000 zusätzliche Screeningtests beschafft werden.
Erzeugt wurde dieser Lichtblick auch mit deutschem Geld. 27 Millionen Euro gibt die KfW der Ostafrikanischen Staatengemeinschaft im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) für den Aufbau eines Netzwerks von mobilen Laboren zur Pandemieprävention und perspektivisch zur Bekämpfung von antimikrobiellen Resistenzen. In der seit 2018 laufenden ersten Projektphase werden insgesamt neun mobile Labore für die ostafrikanischen Länder finanziert.
Auch wenn dieses Projekt für die rechtzeitige Entdeckung von Epidemien konzipiert war, die in Afrika entstehen, so profitieren die EAC-Staaten jetzt bei der auf sie zukommenden Pandemie von mehr Testgeräten, mehr Testkits und mehr ausgebildetem Personal.
Die Anfänge des deutschen Engagements, das in Kooperation mit dem Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNITM) in Hamburg geschieht, gehen zurück in die Zeit der verheerenden Ebola-Epidemie in Westafrika von 2014 bis 2016. Zwei Jahre, nachdem man Ebola besiegt glaubte, kam es in der Demokratischen Republik Kongo zu neuen Ausbrüchen, zunächst in der Provinz Équateur und dann in Nord-Kivu. Für angrenzende Länder wie Uganda war vor allem der Ausbruch in Nord-Kivu gefährlich. Denn das Gebiet ist eines der am dichtesten besiedelten der Demokratischen Republik Kongo, mit mehr als einer Million Binnenvertriebenen und einer starken Migration über die Landesgrenzen hinweg. Seitdem kommt der Kongo nicht zur Ruhe. Die 2018 begonnene Epidemie läuft immer noch. Auch 2020 werden neue Fälle gemeldet. Bislang registrierte die WHO über 2.200 Tote (Stand: April 2020).
„Ausbrüche von Epidemien müssen schnell erkannt werden.“
Dr. Muna Affara und Dr. Florian Gehre sind Molekular- bzw. Mikrobiologen am BNITM in Hamburg. Auch sie sind besorgt über die immer wieder auftretenden Ausbrüche von Ebola im Kongo und setzen umso größere Hoffnungen auf das Projekt, das sie in Arusha unterstützten. „Momentan kann es bis zu drei Wochen dauern, bis ein Verdachtsfall in einem entlegenen Gebiet bestätigt wird“, sagt Dr. Affara. „Um die Ausbreitung von Epidemien zu verhindern, müssen Ausbrüche schnell erkannt werden, damit die nötigen Schutzmaßnahmen sofort eingeleitet werden können“, ergänzt Dr. Gehre, „genau das ist der Zweck des Netzwerks mobiler Labore, das in dieser Region eingerichtet werden soll.“
Das Netzwerk mobiler Labore
Die mobilen Labore sind ein wichtiger neuer Baustein für ein Frühwarnsystem in der EAC. Dr. Affara und Dr. Gehre vom BNITM wurden als Vollzeitberater zum Hauptquartier der Ostafrikanischen Staatengemeinschaft in Arusha entsandt. Sie kümmern sich im Auftrag der EAC um die erforderliche technische Unterstützung und Erweiterung der Kapazitäten.
Während der laufenden ersten Projektphase unterstützen sie in Zusammenarbeit mit den nationalen Gesundheitslaboren den Aufbau neuer mobiler Labore in den EAC-Ländern. Ziel ist es, bereits beim ersten Auftreten einer Infektion Gegenmaßnahmen ergreifen zu können. Gerade Verdachtsfälle in entlegenen Gebieten sind problematisch, weil deren Bestätigung oder Entwarnung Wochen dauert. Bisher müssen Blutproben aus dem Umland in ein Referenzlabor in der Hauptstadt oder mit dem Flugzeug in qualifiziertere Labore an anderen Orten gebracht werden. Dadurch verliert man wertvolle Zeit, die für effektive Gegenmaßnahmen genutzt werden könnte.
Mit den mobilen Laboren wird sich das ändern. Sie werden bei Verdacht auf einen Ausbruch in die betreffende Region geschickt und können, nachdem sie aufgebaut wurden, innerhalb von 24 Stunden zuverlässige Diagnosen liefern. Natürlich erfordert das nicht nur eine entsprechende Laborausstattung, sondern auch qualifizierte Teams, die die Labore aufbauen und die hoch komplizierten Tests durchführen können.
Intensivschulungen für Spezialisten
Als Startschuss für die Maßnahmen zum Kapazitätsausbau hatte das BNITM im Dezember 2018 einen Intensivtrainingskurs am Sitz des Instituts in Hamburg organisiert. „Wir haben die Erfahrungen dreier Bereiche unseres Instituts, nämlich Virologie, Infektionsepidemiologie und Diagnostikentwicklung, zusammengeführt. Alle drei Themenbereiche sind für den Aufbau der mobilen Labore von wesentlicher Bedeutung“, erklärt Professor Jürgen May, Leiter der Abteilung Infektionsepidemiologie. In den vorangegangenen Monaten hatten die BNITM-Experten jeweils zwei Spezialisten aus den sechs Partnerländern ausgewählt, die gute Voraussetzungen und Qualifikationen mitbrachten, um in einem mobilen Laborteam zu arbeiten und – was noch wichtiger ist – die erforderlichen Fähigkeiten an weitere Laboranten in ihren Ländern weiterzugeben.
Während der vier Wochen, die die afrikanischen Fachleute in Hamburg verbrachten, lernten sie, wie ein in 15 Kisten verstautes mobiles Labor schnell zusammen- und später wieder auseinandergebaut und verpackt wird, wie das Labor, gegebenenfalls mithilfe von Stromgeneratoren, betriebsbereit gemacht wird, wie unterschiedliche Krankheitserreger mit aussagekräftigen Diagnosetests bestimmt werden und – nicht zuletzt – wie sie sich selbst bei der Arbeit mit hoch infektiösen Proben vor Ansteckung schützen. Mithilfe einer sogenannten Glove Box, eines unerlässlichen Bestandteils der Ausrüstung mobiler Labore, werden die Proben zunächst inaktiviert, bevor weitere Tests durchgeführt werden. Das Üben der Arbeit mit der Glove Box ist ein grundlegender Bestandteil des Trainingskurses.
„Es war toll zu sehen, wie schnell die verschiedenen Länderteams begannen, zusammenzuarbeiten, sich gegenseitig auszuhelfen und einander in ihren Fähigkeiten zu ergänzen“, sagt Dr. Florian Gehre. „Bei diesem ersten Training in Hamburg haben wir erlebt, wie die Vision der EAC einer effektiven regionalen Pandemieprävention Wirklichkeit werden könnte.“
2019 gab es im Hauptquartier der EAC in Arusha ein Folgetraining, jedes Länderteam hat dazu zwei weitere Laboranten mitgebracht. Dr. Affara und Dr. Gehre konnten die bereits ausgebildeten Experten dabei unterstützen, ihre Fähigkeiten und Kenntnisse mit den angehenden neuen Kollegen zu teilen. Doch auch wenn alle neun mobilen Labore in den sechs Ländern bereitgestellt worden sind, gehen die Trainings weiter, sodass die Zahl der qualifizierten Mitarbeiter für das Labornetzwerk schrittweise auf bis zu zwölf pro Land erhöht werden kann. Zwei zusätzliche Labore sind bereits zu Schulungszwecken nach Arusha geliefert und in Tansania und Uganda zur Diagnostik bei Dengue und Ebola eingesetzt worden.
Der Einsatz mobiler Labore findet als innovative Methode bei Regierungen und Gesundheitsexperten der EAC-Partnerländer breite Zustimmung. Sie setzen großes Vertrauen in den Zugewinn an Geschwindigkeit und Flexibilität, den dieses Vorgehen ihnen im Kampf gegen Ebola und andere tückische Krankheiten bietet – und nun glücklicherweise auch gegen das Coronavirus.
Auf KfW Stories veröffentlicht am: Dienstag, 16. April 2019; aktualisiert am 5. Mai 2020.
Zu diesen Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen leistet das dargestellte Projekt einen Beitrag
Ziel 3: Gesundes Leben für alle
Gesundheit ist gleichzeitig Ziel, Voraussetzung und Ergebnis von nachhaltiger Entwicklung. Ihre Förderung ist ein Gebot der Menschlichkeit – sowohl in den Industrie- als auch in den Entwicklungsländern. Weltweit leben etwa 39 Prozent der Weltbevölkerung ohne Krankenversicherung, in einkommensarmen Ländern sind es sogar mehr als 90 Prozent. Immer noch sterben viele Menschen an Krankheiten, die bei richtiger Behandlung nicht tödlich verlaufen müssten oder mit Impfungen einfach zu verhindern wären. Mittels Stärkung der Gesundheitssysteme und insbesondere einer breiten Verfügbarkeit von Impfstoffen kann es uns gelingen, diese Krankheiten bis 2030 zurückzudrängen und sogar auszurotten. Quelle: www.17ziele.de
Alle Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen verabschiedeten im Jahr 2015 die Agenda 2030. Ihr Herzstück ist ein Katalog mit 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung, den Sustainable Development Goals (SDGs). Unsere Welt soll sich in einen Ort verwandeln, an dem Menschen ökologisch verträglich, sozial gerecht und wirtschaftlich leistungsfähig in Frieden miteinander leben können.
Datenschutzgrundsätze
Wenn Sie auf eines der Icons der hier aufgeführten klicken, werden Ihre persönlichen Daten an das ausgewählte Netzwerk übertragen.
Datenschutzhinweise