Esma-Tabit 38yrs old at the Temporary Education Centre Yenice, Sanhurfa Turkey
Bildung

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Schule im Exil

Geflüchtete Lehrer unterrichten geflüchtete Kinder aus Syrien: Im Auftrag der Bundesregierung unterstützt die KfW das Kinderhilfswerk UNICEF dabei, Unterricht in den Flüchtlingscamps anzubieten.

Doha-El-Laham 7 yrs old - a Syrian refugee at the UNICEF supported Temporary Education Centre Yenice, Sanhurfa
Chance auf Bildung

Die Fördermittel reichen, um ein Schuljahr lang mehr als 277.000 Schüler zu unterrichten.

Mushabs Großvater war Lehrer, sein Vater war Lehrer. Mushab selbst unterrichtete im syrischen Idlib, bis ihm ein Splitter von einer explodierenden Bombe sein rechtes Auge nahm. Mushab floh in die Türkei und macht dort das, was er schon immer tat: Er unterrichtet. Seine Schüler sind die syrischen Kinder im Flüchtlingscamp Akçakale in der Nähe von Şanlıurfa. Zwei Jahre lang arbeitete er ehrenamtlich, ohne Gehalt. Seine Familie kam kaum über die Runden. Doch jetzt zahlt ihm UNICEF einen Mindestlohn.

„Auch die Bedingungen haben sich verbessert, wir haben richtige Schulräume, Hefte und Stifte“, lobt Mushab. Anfangs unterrichtete er in selbst errichteten Zelten, jetzt hat UNICEF Container bereitgestellt. Die KfW Entwicklungsbank finanziert im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) neben anderen Gebern das Vorhaben des Kinderhilfswerks in der Türkei. 2016 zahlte sie 40 Millionen Euro, 2017 folgten bis Jahresende weitere 44 Millionen Euro. Das Vorhaben unterstützt 13.000 freiwillige syrische Lehrer in der Türkei. Die Mittel reichen aus, um ein Schuljahr lang mehr als 277.000 Schüler zu fördern.

No Lost Generation

Der deutsche Beitrag ist Teil einer internationalen Anstrengung, damit die junge syrische und türkische Generation Chancen für eine bessere, friedliche Zukunft hat. Neben der KfW Entwicklungsbank tragen auch die Europäische Union, die Niederlande, Norwegen, Schweden, die USA und andere Geber Mittel zum UNICEF-Programm bei.

Mushab hat ehrgeizige Pläne für seine Schüler: „Sie sollen Ärzte, Rechtsanwälte und Ingenieure werden“, erklärt der 32-Jährige. Doch viele von ihnen haben Schwierigkeiten, dem Unterricht zu folgen. Manche haben im Krieg ihre Eltern verloren, andere leiden unter psychologischen Problemen oder sind wie ihr Lehrer kriegsversehrt. Hinzu kommt die Enge in den Klassen. Die türkischen Schulen bemühen sich, den Unterricht trotz der steigenden Schülerzahl so gut wie möglich zu organisieren. Für die syrischen Kinder wurden eigene Nachmittagsschichten eingeführt. Die Lernbedingungen haben sich dank des KfW-UNICEF-Vorhabens deutlich verbessert: In mehr als 100 der improvisierten Schulen sind jetzt ausreichend Möbel sowie Computer und Kopierer vorhanden. Rund 5.000 Schülerinnen und Schüler erhielten Schulbücher, Ranzen und andere Lernmaterialien.

„Lehren ist ein Beruf voller Liebe und Loyalität.“

Osama Ayat, ehrenamtlicher Lehrer

the UNICEF supported Temporary Education centre in Yenice Sanharfa Turkey recieve new school furniture
Klassenstärke

Viele Klassen sind überfüllt. Aufgrund der Enge ist das Konfliktpotential unter den Schülern hoch.

„Trotzdem, in einer Klasse für 24 Kinder sitzen jetzt 50“, berichtet Osama Ayat, der 2013 aus Aleppo in die Türkei geflohen ist. „Die Kinder schubsen sich, wegen der Enge und der emotionalen Anspannung gibt es oft Streit.“ Der 28-jährige Osama unterrichtete in Syrien Arabisch, jetzt lehrt er Konfliktlösung, Kommunikation und Ethik im Beruf, denn er bildet im Auftrag von UNICEF die ehrenamtlichen Lehrer in der Türkei weiter. „Alle Kinder müssen gleich behandelt werden“, ruft er ihnen ins Gedächtnis. „Lehren ist ein Beruf voller Liebe und Loyalität. Missbrauche deine Machtposition nicht.“ 250 syrische Lehrer besuchen den zehntägigen Kurs in Ankara, landesweit nehmen insgesamt 20.500 Ehrenamtliche an Weiterbildungen in 21 türkischen Provinzen teil. Ein Zertifikat bescheinigt ihnen die professionelle Schulung.

„Für mich ist das auch eine Möglichkeit, meine Identität wiederzufinden“, erklärt die 42-jährige Futoun Nawlo, die Aleppo verlassen musste. Ihr geht es auch um Selbstbestimmung: „Wir wollen nicht von Wohltätigkeit abhängig sein, sondern in Würde leben und arbeiten.“

Hayat Bres is one of the teacher who stays at the Akcakale Camp in Sanliurfa. She enjoys doing her job even in the hard situations
Sprachkenntnisse

Die syrischen Kinder sprechen meist nur wenig Türkisch und müssen zunächst die neue Sprache lernen.

Die ehrenamtlichen Lehrer werden dringend gebraucht. Die syrischen Flüchtlingskinder sprechen meist nur wenig Türkisch und können dem Regelunterricht daher kaum folgen. Über 600.000 geflüchtete syrische Kinder besuchen Schulen in der Türkei, weitere geschätzte 500.000 leben dort, ohne unterrichtet zu werden. Viele Kinder besuchen Übergangsschulen, die UNICEF eingerichtet hat, um die arabisch sprechenden Schüler auf den türkischen Unterricht vorzubereiten.

Die ehrenamtlichen Lehrer kämpfen selbst mit der fremden Sprache ihres Gastlandes. Osama Ayat beugt sich Abend für Abend über sein Türkisch-Lehrbuch. „Mein Türkisch-Lehrer hat mir viel Selbstvertrauen gegeben. Seither studiere ich doppelt so eifrig“, sagt er. Diesen Ehrgeiz will er auch seinen Schülern vermitteln: „Worte geben manchmal so viel Kraft, dass man meint, es mit der ganzen Welt aufnehmen zu können.“

Auf KfW Stories veröffentlicht am: Montag, 4. Juni 2018

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Alle Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen verabschiedeten im Jahr 2015 die Agenda 2030. Ihr Herzstück ist ein Katalog mit 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung, den Sustainable Development Goals (SDGs). Unsere Welt soll sich in einen Ort verwandeln, an dem Menschen ökologisch verträglich, sozial gerecht und wirtschaftlich leistungsfähig in Frieden miteinander leben können.