Liebevoll restauriertes Haus in Franken
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Operation Mittelalter

Ein 600-jähriges Ackerbürgerhäuschen in Franken beherbergt jetzt drei Wohnungen, die Historie und Modernität vereinen. Die Ruine wurde liebevoll wieder aufgebaut - und mit dem 2. Preis beim KfW Award Bauen und Wohnen 2016 ausgezeichnet.

Historisches Haus in Franken liebevoll restauriert
Wieder schmuck

Aus der einstigen Ruine ist ein ansehnliches, gut bewohnbares Haus geworden.

Als jüngere Nachbarn längst edle Bäder, Mikrowellenöfen und Drittwagen hatten, lebte die Rentnerin Anna Fischbacher immer noch in ihrem fast 600 Jahre alten, ziemlich maroden Häuschen mit Plumpsklo auf dem Hof und Holzkohleofen. Fließendes Wasser war die einzige Innovation darin.

Nach dem Tod von Frau Fischbacher bewohnte noch eine Weile eine Familie das Haus, dann stand es zwanzig Jahre leer. Es wurde zum Schandfleck des Orts – ausgerechnet neben der St.-Johannes-Kirche am Aufgang zur Burg, einer der prominentesten Stellen in dem liebevoll sanierten und sorgsam geputzten Städtchen Hilpoltstein bei Nürnberg.

Monika und Thomas Fritsch liefen öfters hier vorbei. Die beiden kommen aus dem benachbarten Freystadt. Thomas Fritsch lebt sonst ganz im Modernen und Sterilen: Er liefert Krankenhäusern fertige Operationssäle, Intensiv- und Isolierstationen. Umso mehr reizte die beiden das uralte verfallene Haus. Jetzt haben sie es zu neuem Leben erweckt.

Glanzleistung

In Hilpoltstein haben ein Architekt und ein Bauherren-Paar diesem historischen Häuschen wieder Leben eingehaucht. Im Film erzählen sie, welche Herausforderungen es zu bewältigen gab (KfW Bankengruppe/-n-tv).

Klar war von Anfang an, dass so viel Altes wie möglich bleiben sollte: Das nicht 600, sondern womöglich 1.000 Jahre alte Kellergewölbe, die Außenmauer aus Sandstein sowie die Eichenbalken des Gerüsts und Dachstuhls aus Bäumen, die in den Jahren 1396 bis 1408 gefällt wurden. Das sieht man anhand der Jahresringe. Diese Balken sind heute das Reizvollste im Inneren des Hauses. Sie liegen frei, sind vielfach aufeinander gestützt, miteinander verzapft und verkeilt, schaffen oben im Haus den Luxus von sechs Meter hohen Dachräumen und spielen höchst reizvoll mit der modern-klaren Ausstattung, die die Fritschs dem Haus spendiert haben. „Es ist der älteste Dachstuhl im Landkreis“, sagt Thomas Fritsch stolz. „Aber darin hatte sich der Ruß der Jahrhunderte festgesetzt. Wir haben wochenlang rumgebürstet.“

Was nicht zu retten war, ersetzten die beiden durch traditionelle Materialien. „Schilf, Kalkputz, Kalkmörtel, Sandstein, Sumpfkalkfarben, Ziegel, alte Kastenfenster und neue mit baugleichen Schmiedebeschlägen“, zählt Thomas Fritsch auf. Und Monika Fritsch liegt die Ausführung am Herzen: „Wir haben alles von ortsansässigen Handwerkern machen lassen. Denn wir mussten in kleinen Schritten arbeiten lassen, und der Denkmalschutz stellte hohe Ansprüche. Also mussten die Handwerker immer mal wieder für ein paar Tage oder Stunden kommen, und das ging nur bei kurzen Anfahrtswegen.“

Bauherren Monika und Thomas Fritsch
Bauherren

Monika und Thomas Fritsch sind stolz auf ihr Werk.

Die tiefgreifende Operation hat nicht nur Überkommenes bewahrt, sondern drei außergewöhnlich Wohnungen geschaffen: eine mit 88 Quadratmetern im Erdgeschoss, in der ein Paar oder eine kleine Familie altstädtisch und mit modernem Komfort leben kann. Und darüber zwei Wohnungen, die Fritsch ganz zeitgenössisch als „Mikro-Apartments“ bezeichnet. Sie haben Küchenzeilen und kleine Bäder und taugen für Paare oder Singles. Balken und Spitzböden schaffen spannungsvolle Raumerlebnisse. Zum Komfort, Stromeinsparungen und Klimaschutz tragen auch die Schilfdämmung und die Wohnraumlüftung bei, dank derer auch bei geschlossenen Fenstern die Atmosphäre drinnen frisch ist.

Die Fritschs haben es sogar geschafft, eine der Wohnungen mit einer kleinen Terrasse auszustatten. Sie liegt auf dem Dach des schmalen Anbaus an der Stelle, wo einst Anna Fischbacher ihr Plumpsklo hatte. Und zu einer größeren Einheit zusammenlegen kann man die beiden Mini-Wohnungen auch, ohne nochmals in den Bau einzugreifen.

Die Fritschs haben nicht nur gebaut, sondern die komplette Geschichte des Hauses und seiner Bewohner recherchiert. Thomas Fritsch: „Durch Besitzfassionen, Steueranlagen, Rechnungen und Salbücher haben wir die Namen aller Menschen, denen es seit 1415 gehört hat.“ Lange Zeit waren Weber darunter – „man kann an einer Stufe noch sehen, wo der Webstuhl stand“, erklärt Monika Fritsch. „Der erste Dachbalken hat eine Markierung, der nächste zwei, der dritte drei und so weiter. So haben das vor 600 Jahren die Zimmerleute gemacht, um die richtigen Balken an der richtigen Stelle einzubauen.“

Quelle
Cover Bauen und Wohnen 2016

Dieser Artikel ist erschienen in bauen + wohnen 2016.

Zur Ausgabe

Das Projekt in Stichworten

Projekt: Sanierung eines mittelalterlichen Ackerbürgerhauses und Einbau von drei Wohnungen
Lage: Altstadt von Hilpoltstein
Baujahr: ca. 1400
Bauherr: Thomas Fritsch, Freystadt
Architekt: Stefan Lerzer, Freystadt
Energieberater: Thomas Brandl, Neumarkt
Fläche: 115 Quadratmeter Grundstück, 168 Quadratmeter Wohnfläche
Gesamtkosten/Quadratmeter: ca. 2.648 Euro

Qualitäten für die Bewohner: Altstadt-Wohnen in historischem Ambiente mit modernem Komfort
Qualitäten für die Gesellschaft: Erhalt eines historisch wertvollen Hauses, Belebung der Altstadt durch neue Wohnungsangebote
Energiesparen: Schilfdämmung, Wohnraumlüftung, Brennwertkessel
Barrierearmut: Verringerung/Vermeidung von Schwellen, Gestaltung eines barrierearmen Sanitärbereichs, Einbau barrierearmer Türen

Auf KfW Stories veröffentlicht am: Dienstag, 21. März 2017

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Alle Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen verabschiedeten im Jahr 2015 die Agenda 2030. Ihr Herzstück ist ein Katalog mit 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung, den Sustainable Development Goals (SDGs). Unsere Welt soll sich in einen Ort verwandeln, an dem Menschen ökologisch verträglich, sozial gerecht und wirtschaftlich leistungsfähig in Frieden miteinander leben können.