Ranga Yogeshwar
Wirkungsweise

Wirkungsweise

„Gegen das Diktat der Kurzfristigkeit!“

Der Schutz unseres Planeten ist eine der größten Herausforderungen unserer Zeit. Ranga Yogeshwar sagt, was getan werden muss. Der Journalist und Physiker spricht Klartext.

Ranga Yogeshwar über den Ausstieg aus der Sofortkultur
Ranga Yogeshwar

Journalist und Physiker

Als Wissenschaftsjournalist durfte ich viele besondere Ecken der Erde bereisen – und immer wieder wurde ich Zeuge des Verschwindens. Auf Sumatra verschwand der Regenwald, in der Arktis der Eispanzer, in Afrika verschwanden die Nashörner, in Deutschland die Insekten. Diese überaus traurigen Phänomene haben eine einzige Klammer: Sie sind Folge des menschlichen Imperativs der Kurzfristigkeit. Während die Natur nur gesunde Geschwindigkeiten kennt, werden wir unter dem Diktum der Profitmaximierung immer schneller und beuten unsere Systeme in einem Tempo aus, unter dem diese zusammenbrechen. Auf der Jagd nach billigen Lösungen und schnellem Gewinn verkennen wir, welchen Schaden wir in gar nicht so ferner Zukunft anrichten.

Dieser perfide Mechanismus sitzt längst in unseren Lebensgewohnheiten fest: Alles muss überall und jederzeit verfügbar sein, um verheizt, verschlungen oder nach kurzer Benutzung weggeworfen zu werden. Doch die Sofortkultur beraubt uns nicht nur unserer Lebensgrundlage, sondern auch unserer tiefen Beziehungen zu Dingen und zu Mitmenschen. Und das nimmt uns etwas ganz Entscheidendes: Glücksempfinden. Genau darin liegt jedoch meine Zuversicht, dass wir den Turnaround für das Projekt Menschheit noch schaffen: Das fehlende Glücksgefühl führt zu einer Sehnsucht, und über die kommen wir zur Besinnung. Achtsamkeit ist plötzlich ein Modewort, den Jungen ist Freizeit wichtiger als Karriere, immer mehr Menschen bestehen auf Ernährung aus nachhaltig hergestellten Zutaten, 18-Jährige wünschen sich kein Auto mehr, sondern wollen die Welt bereisen, Tattoos sind total angesagt, weil sie für Dauerhaftigkeit stehen und nicht für schnelles Verschwinden. Das sind alles Indizien eines Gesinnungswandels.

„Wenn wir überleben wollen, müssen wir über Zeit reden.“

Ranga Yogeshwar

Der Zeitcode der Zerstörung steckt im ganzen System, ein System, das nicht von jetzt auf gleich ausgetauscht werden kann. Aber Wandel, das hat die Geschichte in großer Verlässlichkeit gezeigt, ist immer wieder von einzelnen Menschen ausgegangen und wurde danach von großen gesellschaftlichen Bewegungen getragen. Jeder Einzelne kann sich dem Diktat der Kurzfristigkeit widersetzen, mit seinem Einfluss, mit seinem Portemonnaie – und indem er mit anderen über seine Haltung spricht. Denn wenn wir überleben wollen, müssen wir über Zeit reden und über das Gebot der Langfristigkeit.

Auf KfW Stories veröffentlicht am: Montag, 17. September 2018