Dirk Evers in seiner Tischlerei
Corona-Kredite

Corona-Kredite

Gestärkt aus der Krise

Die Konsequenzen der Corona-Pandemie haben dem Handwerk eine tiefe Auftragsdelle einge­bracht. Doch das Beispiel des Tischlereibetriebs Evers in Braunschweig zeigt, dass der Lockdown auch unerwartetes Geschäft brachte. Das hatte mit dem Tatendrang vieler Haus­besitzer zu tun.

Arbeit in der Tischlerei Evers

Nach einer anfänglichen Stornierungswelle von Kundenaufträgen während der Corona-Krise fielen in der Tischlerei Evers bald wieder reichlich Späne.

Maskenmangel hat es im Betrieb von Dirk Evers nie gegeben. Trotz Corona. Schließlich muss er seine Mitarbeiter in der Tischlerei täglich mit Atemschutzausrüstung davor bewahren, dass Fein­staub zersägter Bäume in ihre Atemwege gelangt. Aber nun waren für Termine beim Kunden ebenfalls Masken nötig, und so bestellte Evers nach mit dem kleinen Unter­schied, dass die neuen Mundschutze etwas schicker sind und das reich verzierte Firmenemblem tragen. Das ist typisch Evers, denn der Chef der 2009 gegründeten Tischlerei ist in und um Braunschweig für effektvolle Werbung bekannt und achtet sehr darauf, dass modernes Mar­keting seine Markenbotschafter – das sind eben auch die Meister und Gesellen – auf all ihren Wegen begleitet. So wie neulich in die Lindenapotheke im Herzen der niedersächsischen Groß­stadt: Dort mussten zwei Mitarbeiter entlang des Tresens einen Speichel­schutz montieren, eine maßgefertigte Glasscheibe in einem hoch­wertigen Holzrahmen. Die vorher nicht gekannte Schutzvorrichtung ist nun ein neuer Renner im Port­folio der Tischlerei Evers und findet naturgemäß im Einzelhandel großen Absatz.

Überhaupt: Würden die Montagekommandos keinen Mundschutz bei der Arbeit tragen, man würde denken, es herrschten ganz normale Zeiten. Denn die Auftragsbücher sind voll, zum Teil voller als vor Corona. Aktuell muss man über zwei Monate auf einen Termin warten, wenn man sich von Evers eine neue Haustür bauen und einsetzen lassen möchte. Entsprechend sieht es in der Werkstatt des Betriebs aus. Vier Mitarbeiter treiben gerade zeitgleich fünf Projekte voran: eine Treppe wird geleimt, die Tür eines Bauernhofs restauriert, die Rahmen zahlreicher Kirchenfenster werden zurechtgesägt, die Vitrine für die Preise eines Profiboxers ist im Entstehen, die auseinandermontierte Holzfassade der Braunschweiger Buchhandlung Graff wird erneuert. Und Dirk Evers, der als Obermeister der Tischler-Innung Helmstedt auch die Interessen vieler anderer Tischlereibetriebe in der Region vertritt, sagt: „Der Gesundheits­zustand der Bran­che ist exorbitant gut.“ Alles fein also? Keineswegs.

Dirk Evers mit Mundschutz

Tischlereichef Evers schaut wieder positiv in die Zukunft. Der Depression folgte die Begeisterung über volle Auftragsbücher.

Durch Corona in eine Depression gestürzt

Denn sämtliche Handwerksbetriebe, darunter eben auch Tischlereien, wurden im März 2020 hart von den ersten Auswirkungen der Corona-Pandemie getroffen. So hart, dass Dirk Evers eingesteht, „in eine zehntägige Depression“ gefallen zu sein. Zuerst hatte er geglaubt, dass das schon irgendwie werden wird und anstehende Aufträge weiter abgearbeitet werden könnten. Dann jedoch stieg mit der Ausbreitung des Virus die Unsicherheit in der Bevölkerung, und das Telefon von Dirk Evers stand nicht mehr still. Auftrag um Auftrag, Termin um Termin wur­den von Kundenseite abgesagt und auf unbestimmte Zeit verschoben. Nicht etwa, weil plötzlich das Geld knapp geworden wäre, sondern aus lauter Furcht davor, dass die Monteure beim Einsetzen der neuen Tür das Virus ins traute Heim bringen könnten. Fertige Holzwaren im Wert von 80.000 Euro standen nun in den Werkstätten der Tischlerei, Holzwaren, deren Mate­rial und Transport auf der einen Seite von Evers bezahlt werden mussten, aber auf der anderen Seite der Kette nicht ausgeliefert und von den Kunden folglich nicht bezahlt werden konnten. Dirk Evers: „Der Geldfluss brach ab. Ich hatte plötzlich keine Liquidität mehr. Ich merkte, dass ich diese Situation keine vier Monate durchhalten würde.“

Drei Maßnahmen brachten dem verantwortungsvollen Firmenchef und verzweifelten Vater von fünf Kindern vorerst Rettung. Die Kurzarbeit für einen Teil seiner 13 Mitarbeiter war die erste, aber die sorgte nicht für ausreichende Liquidität. Die zweite Maßnahme fiel Evers förmlich in den Schoß. Der gut vernetzte Tischlermeister telefonierte mit einem langjährigen Kunden, dem Regio­nalvertreter einer großen Wohnungsverwaltungsgesellschaft, und klagte ihm sein Leid. „Er war sehr empa­thisch und merkte, dass es mir nicht gut ging“, erinnert sich Evers. „Wenige Tage später rief er mich wieder an. Er habe mit dem Vorstand gesprochen und ein paar Aufträge, die sich sonst übers Jahr verteilt hätten, zusammengefasst. Und er kündigte eine kleine Rundreise an.“ Dieser Trip dauerte einen ganzen Tag und führte Evers zu zahlreichen Miets­häusern des Wohnungs­verwalters in Helmstedt, Magdeburg und weiteren Kleinstädten im Landkreis. Bei 64 in die Jahre gekommenen Haustüren konnten Evers und seine Leute Maß nehmen. Eine stattliche Zahl, wenn man bedenkt, dass Haustüren bei Evers zwischen 2.000 und 12.000 Euro kosten. In schneller Taktung bekam er die Aufträge für die neuen Türen nun erteilt, entsprechend schnell spürte er das Geld in der Kasse. Für ihn eine Art solidarische Corona-Hilfe aus der Wirtschaft.

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Die dritte Maßnahme, die über den Liquiditätsengpass half, war ein KfW-Kredit. Genauer: ein Unternehmerkredit über 30.000 Euro mit einer Laufzeit von sechs Jahren bei 1,46 Prozent Zinsen und einem tilgungsfreien Jahr. Beantragt wurde er mithilfe des Bankberaters von der Sparkasse Celle-Gifhorn-Wolfsburg, Max Samkowez. „Der Liquiditätsplan war so stimmig, dass alles in kürzester Zeit durchrutschte“, sagt er. „Im Herbst werden wir uns wieder zusammen­setzen und schauen, ob es einen weiteren Kredit geben muss oder ob der aktuelle Kredit sogar schneller zurückgezahlt werden kann.“

Dirk Evers, Tischlerei
„Für den zwischenzeitlichen Engpass war der KfW-Kredit überlebenswichtig.“

Dirk Evers, Geschäftsführer Tischlerei Evers

Die Branche hat Glück im Unglück

Danach sieht es derzeit aus. Denn das Handwerk hat durch die Corona-Krise nicht nur gelitten. Dass das so sein würde, darauf deuteten schon die Hamsterkäufe der Deutschen in Bau­märkten kurz nach dem Lockdown hin. Blumenerde, Wandfarbe und Werkzeuge fanden in der zweiten Märzhälfte reißenden Absatz. „Nach drei Tagen ausschlafen in der Corona-Isolation bist du doch voller Tatendrang, du musst irgendetwas machen. Warum also nicht Haus oder Wohnung verschönern. Der Renovierungsdrang steigerte sich immer mehr“, erinnert sich Dirk Evers. „Zuerst pflanzte die Ehefrau die Blumen, der Ehemann strich die Wände. Irgendwann ist man durch damit. Dann kam offensichtlich der Wunsch nach einem neuen Carport auf, nach neuen Fenstern, neuem Boden, neuer Decke, das alles haben wir plötzlich gespürt. Nach der Delle ging es in einem wahnsinnigen Tempo wieder los.“ Und auch die, die vorher die Termine für die Endmontage ihrer langersehnten Haustür abgesagt hatten, meldeten sich nach vier Wochen zurück. Die erste Angst war verflogen, Evers konnte endlich anrücken. „Das klingt jetzt wie heile Welt“, sagt er, „aber für den zwischenzeitlichen Engpass war der KfW-Kredit überlebenswichtig.“

An der Überbrückung solch pandemiebedingter Liquiditätsengpässe zeige sich die Stärke des KfW-Sonderprogramms, so Markus Merzbach, Abteilungs­direktor bei der KfW. „Besonders er­freulich ist es, wenn wie in diesem Beispiel der Engpass so kurzfristig ist. In anderen Bran­chen wird das Wiederanlaufen etwas länger dauern. Aber KfW und die Finanzierungspartner stehen zur Unterstützung bereit.“

KfW-Corona-Hilfe

Unternehmen können über ihre Hausbank oder jede andere Bank Corona-Kredite beantragen. Zur Auswahl stehen: KfW-Unternehmerkredit, ERP-Gründerkredit – Universell, Konsortialfinanzierung und KfW-Schnellkredit 2020.

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Die Krise hat den umtriebigen Tischlermeister Evers, der vorher Juwelier gewesen ist, demütig werden lassen. Er habe gelernt, versichert er, dass „wir alle ein Stück zurückfahren und dankbar sein sollten dafür, wie gut es uns geht. Wir klagen oft auf hohem Niveau und sollten uns viel eher bewusst machen, in was für einem wunderbaren Land wir leben, das uns bislang sehr gut durch diese Krise geführt wurde. Ich wüsste derzeit keinen Staat, in dem ich lieber leben möchte.“

Eine neue Haltung ist das eine, ein neues Handeln das andere. Dirk Evers glaubt, dass die Branche wie die gesamte Wirtschaft eine Zeit lang zu einem gewissen Maß an Regionalität und Lagerhaltung zurückkehren wird, um das Risiko der sich in alle Welt spannen­den Produktionsketten zu mindern. „Haben und nicht brauchen ist besser als brauchen und nicht haben“, sagt Evers. „Es gab zum Beispiel eine Sorte Schrauben, die war einfach nicht mehr zu kriegen. Das ließe sich dadurch vermeiden. Wir waren in der Vergangenheit zu sehr abhängig von anderen.“ Doch ob eine Regionalisierung von Dauer ist, bezweifelt er. Das Geld ginge seinen Weg. Und er schiebt nach: „Geld können wir auch gern durch Gier ersetzen.“

So oder so, die Zukunft seines eigenen Betriebs sieht Dirk Evers nicht gefährdet. Er ist sich sogar sicher, dass die Firma wie auch seine weitverzweigte Familie die Corona-Seuche ohne menschliche Verluste überstehen wird. Dank der Recherchearbeit eines Genealogen wisse man, dass die Historie weit zurück bis ins früher Mittelalter reiche. Auch die Zeit der Pest Mitte des 14. Jahrhunderts sei dokumentiert. Die Seuche, so Evers, habe um die Ortschaft, in der der Bauernhof der Familie lag, einen großen Bogen gemacht. Auf dieses Glück setzt er jetzt wieder.

Auf KfW Stories veröffentlicht am 9. Juli 2020.