Die Drohnen werden mit zusätzlichen Teilen ausgestattet
Gründen

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Logistik-Drohne im Test

Das hessische Start-up doks. innovation will die Warenlogistik von Unternehmen mithilfe von Drohnen zukunftsfähiger machen. Die Corona-Krise traf das junge Unternehmen in der Vorbereitung des Markteintritts. Ein KfW-Kredit ermöglicht nun die letzte Testphase der ambitionierten Technik.

Video: Wie doks. innovation mit Drohnen die Lagerlogistik vereinfacht (KfW Bankengruppe/n-tv).

Das Technologie- und Gründerzentrum in Kassel-Wilhelmshöhe wirkt wie ausgestorben. Nur aus den hohen Räumen des Logistikdienstes doks. innovation dringt ein lautes Brummen. Im langen Flur fliegt eine Drohne. Durch ein Kabel ist sie mit einem Bodenroboter verbunden, der sich langsam vorwärts bewegt. Seine Akkus halten die Drohne bis zu fünf Stunden in der Luft. In diesem Testlauf scannt sie Barcodes, die an der Wand angebracht sind. So wird ein Lager voller Waren nachgeahmt. Die Daten werden in eine eigens entwickelte Software übertragen, welche die Daten wiederum für Warenwirtschaftssysteme aufbereitet.

Für Logistikunternehmen ist diese Technologie hochinteressant. Die Branche muss digitaler werden, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten. An vielen Stellen gelingt das bereits, doch Inventuren in den oft riesigen Hallen oder weitläufigen Außenanlagen sind noch immer ein manueller Prozess. Hier setzt "doks.innovation" an: Das Start-up bietet die Erfassung von Bestandsdaten mit handelsüblichen, aber technisch erweiterten Drohnen an. „Unsere Systeme sind drei Jahre nach unserer Gründung ausgereift“, sagt Gründer und Geschäftsführer Benjamin Federmann.

Wichtige Erkenntnisse für den Einsatz in der Praxis werden jetzt in rund 40 Pilotprojekten gesammelt. Einer der Partner ist der weltweite Logistikdienstleister Rhenus. Theresia Teigelkamp, dort verantwortlich für das Innovationsmanagement, berichtet von den Vorteilen: „Es ist extrem wichtig, die Bestände laufend zu kontrollieren und mit den Bestandsdaten im System abzugleichen. Dazu fahren in den Lagern Mitarbeiter mit einer Hebebühne die Paletten ab und scannen die Codes ein. Sie müssen schwindelfrei sein, und die Arbeit ist zeitaufwendig. Eine Inventurdrohne stellt eine sinnvolle Alternative dar, und das Personal kann für andere, anspruchsvollere Arbeiten eingesetzt werden.“ Die Automatisierung kann langfristig bis zu 70 Prozent der Kosten und 90 Prozent der Zeit sparen. Zudem garantiert eine technische Lösung hohe Zuverlässigkeit und kann autonom in Pausenzeiten oder nachts eingesetzt werden. Kunden leasen das System aus Drohne und Roboter und bedienen es nach einer Schulung selbst.

Notlösungen in der Pandemie

Mit einem Team aus 20 hoch qualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern feilt Benjamin Federmann an der Technologie, die eine ganze Branche umkrempeln kann. „Für die Vorbereitung des Markteintritts benötigen wir weitere Mittel“, erklärt er. „Wir standen vor einer neuen Finanzierungsrunde mit Investoren. Dann kam Corona, ein denkbar ungünstiger Zeitpunkt.“ Die Investoren sagten ab. Praxistests oder Präsentationen bei weiteren potenziellen Kunden waren nicht mehr möglich, weil die Lager für betriebsfremde Personen gesperrt wurden.

Wie nah das Virus auch dem eigenen Unternehmen kommen kann, wurde deutlich, als sich ein Mitarbeiter mit einer Befürchtung meldete. Er hatte Kontakt mit Heimkehrern aus dem Skiurlaub, sie waren mit Corona infiziert. Die Testkapazitäten zum damaligen Zeitpunkt waren knapp, nicht alle Personen des Umfelds wurden getestet, und der Mitarbeiter begab sich in eine freiwillige Quarantäne. Vorsichtshalber schickte Benjamin Federmann das ganze Team ins Homeoffice. Von dort lässt sich fast alles digital erledigen, Besprechungen sind im Videochat möglich. Die Testumgebung für die letzte Phase vor der Serienreife gibt es jedoch nicht in jedem Wohnzimmer. Die Simulationen finden nun am Unternehmenssitz statt. Ein Notfallkalender regelt die Anwesenheit vor Ort, damit sich möglichst wenige Personen begegnen. Gearbeitet wird hier grundsätzlich nur mit Maske.

Einige laufende Projekte generieren regelmäßige Umsätze, und die Soforthilfe des Landes in Höhe von 30.000 Euro ist eine Unterstützung. Um in der nötigen Geschwindigkeit weiterzuentwickeln und die Betriebskosten zu decken, reichen diese Summen jedoch bei Weitem nicht aus. Es fehlt an neuem Geld, das über Venture Capital eingeworben werden sollte. Die Lohnkosten durch Kurzarbeit zu senken, kam für Federmann, der seine Arbeits- und Denkweise als mittelständisch geprägt beschreibt, nicht infrage. Aufmerksam verfolgte er die Nachrichten über die Nothilfeprogramme der Bundesregierung und vereinbarte einen Termin mit seiner Hausbank.

Kapital in Krisenzeiten

Matthias Seim von der Volksbank Kassel Göttingen eG begleitet "doks.innovation" seit der Gründung. „Herr Federmann ist sehr vorausschauend und kam frühzeitig auf uns zu“, berichtet er. „Nach der Bestandsaufnahme konnten wir den Finanzierungsbedarf schnell ermitteln und den ERP-Gründerkredit – Universell empfehlen. Der berücksichtigt die Belange und besonderen Umstände eines jungen Unternehmens am besten. Als Hausbank kennen wir nicht nur die Unternehmenszahlen, auch die Persönlichkeit des Gründers, das ist nicht unwichtig für eine Bewertung. Die KfW vertraut unserem Votum. Anders wäre die Hilfe so schnell nicht möglich gewesen.“. Das Start-up war der KfW bereits bekannt. 2019 wurde "doks.innovation" hessischer Landessieger beim KfW Award Gründen.

Der aktuelle Finanzbedarf für die Weiterentwicklung und den Markteintritt beläuft sich auf bis zu 1,5 Millionen Euro. Diese Summe wurde umgehend bewilligt. Die Laufzeit des Darlehens beträgt zehn Jahre, die ersten beiden Jahre sind tilgungsfrei. Auch der günstige Zinssatz von 1,03 Prozent bedeutet für doks.innovation eine kalkulierbare und sichere Zukunft. Welche Summe wann abgerufen wird, bespricht der Gründer nun mit dem Investorenkreis. Ein halbes Jahr ist dafür Zeit, so lange wird das Geld zinsfrei bereitgehalten. Benjamin Federmann ist erleichtert, dass trotz der Pandemie sein Unternehmen gut gerüstet ist. Nun kann er sich wieder auf sein Ziel konzentrieren, das so klar wie revolutionär ist: In den nächsten zwei Jahren will doks.innovation die Warenlogistik in ganz Europa nach vorne bringen.

Bereits vier Monate nach dem Lockdown hat sich die Lage bei doks.innovation merklich entspannt. Mittlerweile sind die Mitarbeiter aus dem Homeoffice zurückgekehrt. Sicherheitsvorkehrungen bleiben selbstverständlich. CEO Federmann blickt zurück: „Der Kredit hat uns während der starken wirtschaftlichen Einschränkungen Raum für wichtiges Wachstum gelassen. So konnten wir unser Team verstärken, Entwicklungsmeilensteine vorziehen und die Basis für das erfolgreiche Weiterverfolgen zweier Forschungsprojekte legen.“

Auf KfW Stories veröffentlicht am 9. Juni 2020, aktualisiert am 6. Juli 2023.