Plastikgranulat
KfW Award Gründen

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Ein Beutel räumt auf

Etwa 5 Milliarden Tonnen Plastik liegen in der Umwelt – besonders in Ländern ohne ausreichende Recyclingsysteme. Wildplastic sammelt diesen Abfall und stellt Müllbeutel daraus her. Für ihre ökologische und soziale Idee erhielt das Unternehmen den Sonderpreis Social Entrepreneurship im Unternehmenswettbewerb der KfW.

Wildplastic

Sonderpreis Social Entrepreneurship beim KfW Award Gründen 2022 (Quelle: KfW/n-tv)

Im Wildplastic-Büro in der Hamburger Speicherstadt steht ein großer Sack voll mit buntem Granulat. Es ist der Rohstoff für Müllbeutel aus recyceltem Plastik, den Wildbags Doch bis Co-Gründer Chris Sigmund darin den Müll runterbringen kann, ist es ein langer Weg und er führt aus Asien, Afrika oder der Karibik über Portugal nach Deutschland.

Gerade auf Reisen durch ärmere Länder ist es unmöglich, die Augen vor dem vielen Plastikmüll zu verschließen. Er verfängt sich im Gebüsch, stapelt sich in Dörfern oder schwimmt in einem Fluss Richtung Ozean. Wildplastic sorgt mit dafür, dass es ein wenig sauberer wird: Menschen, die dort wohnen, sammeln den Kunststoff ein und geben ihn bei einer lokalen Sammelorganisationen ab, mit der Wildplastic kooperiert. Für jedes Kilo erhalten die Müllsammlerinnen und -sammler einen festen Betrag. „Oft leben sie am Stadtrand und verdienen ihren Lebensunterhalt mit Gelegenheitsarbeiten. Abfall zu sammeln ist eine verlässliche Alternative, weil unsere Projektpartner das Material nicht nur heute, sondern auch morgen annehmen. Und an Müll mangelt es leider nicht“, erläutert Sigmund. An manchen Orten ist so eine selbstorganisierte Mini-Müllabfuhr entstanden und der Abfall wird sogar zuhause oder an zentralen Stellen abgeholt. Solche Initiativen verhindern, dass Plastik überhaupt erst in der Umwelt landet.

Doch was passiert dann mit dem Kunststoff, der in Kambodscha, Ghana oder Haiti gesammelt wird? „Wenn das Recycling im Land selbst möglich ist, geben unsere Partner das Material dort in die Wiederverwertung. In den meisten Fällen gibt es solche Strukturen jedoch nicht. Dann wird es zu Ballen gepresst und nach Europa verschifft. In Portugal wird es dann sortiert, gewaschen und zerkleinert. Am Ende des Prozesses steht ein Granulat und das verarbeiten wir hier in Deutschland zu unseren Wildbags“, sagt Chris Sigmund. Wer diese Müllbeutel verwendet, hat dadurch herumliegendes Plastik wieder zurück in den Kreislauf geführt und gleichzeitig mitgeholfen, dass die Sammlerinnen und Sammler gute Arbeitsbedingungen vorfinden. Im kommenden Jahr werden es rund 1.000 Tonnen Plastik sein, die auf diese Weise aus der Umwelt entfernt wurden.

Bis zum Einsatz als Müllbeutel - oder als Versandtasche bei dem Händler OTTO - hat der Abfall viele Kilometer zurückgelegt. Recyclingplastik aus Europa wäre wegen der kürzeren Transportwege klimafreundlicher, räumt Sigmund ein. „Wenn jedoch die gesamten Auswirkungen auf den Markt mit einbezogen werden, schneiden unsere Beutel im Schnitt sogar besser ab als herkömmliche Vergleichsprodukte. Zusätzlich wird herumliegender Müll entfernt der sich zu schädlichem Mikroplastik zersetzt und versuchen gleichzeitig, möglichst faire Beziehungen aufzubauen“, sagt er.

KfW Award Gründen

Der KfW Award Gründen zeichnet in jedem Jahr 16 Landessieger und einen Bundessieger für ihre Geschäftsideen aus.

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Plastik beherrscht unseren Alltag und auch hierzulande wird längst nicht aller Kunststoffabfall recycelt. Ein großer Teil wird verbrannt und dient damit der Energiegewinnung. Etwa 11 Prozent wird ins Ausland verschickt, 2021 waren dies 766.000 Tonnen. Damit ist Deutschland EU-weit größter Exporteur von Kunststoffabfällen. Und auch wenn insbesondere asiatische Länder mittlerweile die Einfuhrmengen beschränken, landet immer noch jede Menge deutscher Müll in Malaysia. Eine ausreichende Recyclingstruktur gibt es dort nicht. Dafür weitere Unmengen an Plastikverpackungen für Trinkwasser oder Essen zum Mitnehmen.

Chris Sigmund hat selbst erlebt, wie erdrückend das Problem ist. Auf einer Reise durch Peru verwüstete ein Wirbelsturm das Land. Eine Schlammlawine rutschte den Berg hinunter und mit ihr eine illegale Deponie. Hüfthoch stand der Abfall im Ort. Auch seine sechs Co-Founder hatten in Asien riesige Müllberge gesehen oder angespültes Plastik an spanischen Stränden eingesammelt. Mit der Gründung von Wildplastics haben sie sich entschlossen, „zusammen den Plastik-Staubsauger anzuwerfen“ wie er lachend sagt.

Das Gründerteam hat dafür eine besondere Rechtsform gewählt: Wildplastic ist ein Unternehmen in Verantwortungseigentum. Es kann nicht verkauft oder entgegen dem ursprünglichen Zweck umstrukturiert werden, also beispielweise zukünftig Müllbeutel aus Neuplastik herstellen. Alle Gewinne werden reinvestiert und nicht an die Eigentümer ausgezahlt. Wie die meisten Start-ups benötigt auch Wildplastic in den ersten Jahren finanzielle Unterstützung von außen. Sie kommt von Impact-Investoren, die genauso hinter dem Vorhaben stehen – Stimmrecht haben sie jedoch nicht.

Unternehmen, die wie Wildplastic ökologische und soziale Ziele verfolgen, bewirken sichtbare Veränderungen. Darüber hinaus können sie Grasroots-Bewegungen auslösen und andere ermutigen, neue Lösungen für bestehende Probleme zu finden. Auch untereinander sind sie oft gut vernetzt und bilden Partnerschaften. So sammelt Wildplastic zusammen mit everwave Plastik in Kambodscha und die Verpackung des Toilettenpapiers von Goldeimer besteht aus ihrem wilden Plastik. Fragt man Chris Sigmund nach den langfristigen Zielen, überlegt er nicht lange: „Es mag eine Utopie sein, aber ich wünsche mir eine Welt, in der Geschäftsideen wie unsere gar nicht nötig sind.“

Auf KfW Stories veröffentlicht am 25. Oktober 2022