Noch stammen 97 Prozent des Stroms in Tunesien aus konventionellen Kraftwerken. Doch bis 2030 sollen 30 Prozent des tunesischen Stroms aus regenerativen Quellen kommen. Einen wichtigen Beitrag zu dieser Energiewende leistet das erste Solarkraftwerk des Landes in Tozeur, am Rand der Sahara.
Video: Tunesiens erstes Solarkraftwerk (KfW Bankengruppe/Christian Chua und Thomas Schuch).
Meistens Hitze, kaum Regen: Die Wüste ist ein lebensfeindlicher Ort. Aber auch ein energiefreundlicher. Die meteorologischen Voraussetzungen zur Gewinnung von Sonnenstrom könnten nicht besser sein. Und so hat man sich denn auch für das erste Solarkraftwerk Tunesiens einen Ort in der Wüste ausgesucht: Tozeur. Die Stadt, die sich aus einer Oase entwickelt hat, liegt im Süden des Landes am nördlichen Rand der Sahara.
Eine niedrige weiße Mauer umgibt das vor den Toren der Stadt gelegene Elektrizitätswerk. Solarmodule, in Reih und Glied nach Süden ausgerichtet, bedecken 40 Hektar staatlichen Grund und Bodens. Seit 2019 produziert die Anlage Strom, bislang mit einer Leistung von zehn Megawatt. Ab Mitte 2020 ist sie auf eine Leistung von 20 Megawatt ausgelegt und soll um einen Batteriespeicher ergänzt werden. Damit lässt sich ein Drittel des Elektrizitätsbedarfs der Stadt mit ihren knapp 50.000 Einwohnern abdecken.
„Das Solarkraftwerk Tozeur ist ein großer Schritt in Richtung Nachhaltigkeit“, sagt Nejib Sayari über den Einstieg Tunesiens in die Produktion von Solarstrom in großem Stil. Sayari ist zuständig für Neubauprojekte der Elektrizitätssparte bei der STEG, der Société Tunisienne de l’Electricité et du Gaz. Der staatliche Strom- und Gasversorger hat die Anlage von Tozeur gebaut und betreibt sie. Finanziert wurde das Projekt von der KfW, die im Auftrag des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU), des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) und der EU die STEG mit insgesamt 23,5 Millionen Euro unterstützte.
Vorreiterfunktion für das ganze Land
17.000 Tonnen CO₂ jährlich spart die „grüne“ Stromproduktion. Erneuerbare Energien gelten daher als Schlüsseltechnologie, um Treibhausgase weltweit zu reduzieren. Wie wichtig auch der tunesischen Regierung dieser Meilenstein war, demonstrierte Premierminister Youssef Chahed, indem er das Kraftwerk 2019 selbst einweihte. Nach diesem erfolgreichen Startschuss in die Solarzeit entsteht in der Nähe schon ein weiteres, diesmal von privater Hand gebautes 50-Megawatt-Sonnenkraftwerk. Auf dem Gebiet der erneuerbaren Energien hat Tunesien einen großen Nachholbedarf. Noch stammen 97 Prozent des Stroms aus konventionellen Kraftwerken. Dort wird ganz überwiegend Erdgas verbrannt, das zu großen Teilen aus Algerien importiert und in US-Dollar bezahlt werden muss. Die teuren Einfuhren sind in Verbindung mit staatlich festgelegten, niedrigen Strompreisen eine wesentliche Ursache der Verluste, die die STEG seit Jahren schreibt. Die tunesische Regierung forciert auch deshalb den Ausbau erneuerbarer Energien, weil sie die teure Subvention der Stromversorgung im Staatshaushalt zurückfahren will und muss. Überdies ist das Land auf der Energieseite unterversorgt, was sich am deutlichsten an Blackouts in den Jahren 2012 und 2014 zeigte.
Der Umbau der tunesischen Energieversorgung ist sehr ambitioniert. STEG-Manager Sayari nennt die Kerndaten: Bis 2030 sollen 30 Prozent der tunesischen Stromerzeugung aus regenerativen Quellen kommen, Sonne und Wind vor allem. Zum jetzigen Zeitpunkt stammen nur 400 Megawatt aus Erneuerbaren: 250 Megawatt aus Wind, 70 Megawatt aus Photovoltaikdachpanels, 20 Megawatt aus Tozeur und 60 Megawatt aus kleinen Wasserkraftwerken. Um allein die Steigerungen des Stromverbrauchs – er wächst jährlich um fast drei Prozent – abzudecken, bedarf es einer zusätzlichen Kraftwerksleistung von 250 Megawatt pro Jahr.
Die Kraft der Sonne effizient nutzen
Auch in Tozeur selbst wird mehr und mehr Strom benötigt. In der Hitze – hier können an Sommertagen Temperaturen von mehr als 50 Grad vorherrschen – verlangt es die Bevölkerung ebenso nach Kühlung durch Klimaanlagen wie die Urlauber in den Hotels. Tozeur, in der Nähe des Salzsees Chott el Djerid gelegen, ist ein Mittelpunkt des tunesischen Wüstentourismus. Die Oase ist außerdem zweitwichtigstes Dattelanbaugebiet des Landes und Tunesien einer der weltweit größten Exporteure dieser Frucht, die vor der Ausfuhr tiefgefroren wird.
Die Sonne scheint ohne Unterlass in Tozeur, zwischen sieben und vierzehn Stunden jeden Tag. Aber was ist mit dem Wind, der zuweilen den Sand der Wüste aufwirbelt und über die Anlage bläst? Beeinträchtigt das nicht den Prozess der Photovoltaik? Die Fachleute der STEG winken ab. Die Leistung eines Panels werde stets in Echtzeit gemessen. So sähe man sofort, ob Sandschlieren auf den Moduloberflächen die Stromproduktion stören, und könnte diese gegebenenfalls mit Maschinen reinigen, die kein Wasser verbrauchen.
Video: Im Auftrag der Bundesregierung unterstützt die KfW Tunesien bei verschiedenen Projekten. (KfW Bankengruppe/Christian Chua und Thomas Schuch).
„Der Süden ist die Perle Tunesiens“, sagt STEG-Manager Sayari. Aus Sicht eines Energieversorgers ganz sicher, denn der Süden verspricht Wüstenstrom. Das Wort gibt es tatsächlich. „Wüstenstrom“ war die Idee der Initiatoren von Desertec, jenem Firmenkonsortium, das mit sauberem Strom aus Solarparks in der Sahara sogar Europa versorgen wollte. Auch Tunesien sollte ein Desertec-Standort werden. In ihrer gigantischen Variante ist die Desertec-Idee gescheitert. Aber Wüstenstrom gibt es seit der Inbetriebnahme von Tozeur nun auch im kleinsten der Maghreb-Staaten.
Das 30-Prozent-Ziel für 2030 ist erst der Anfang auf dem Weg zu einer ausreichenden, verlässlichen, nachhaltigen Stromversorgung des Landes. Sayari erwähnt auch das ELMED-Projekt: Ein 200 Kilometer langes Hochspannungskabel, auf dem Meeresgrund zwischen Tunesien und Italien verlegt, soll Stromimport und -export zwischen Nordafrika und Europa ermöglichen.
Auf KfW Stories veröffentlicht: 19. März 2020.
Zu diesen Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen leistet das dargestellte Projekt einen Beitrag
Ziel 7: Nachhaltige und moderne Energie für alle
Knapp 80 Prozent der weltweit erzeugten Energie stammt immer noch aus fossilen Energieträgern. Aus der Verbrennung fossiler Energieträger entstehen unter anderem Kosten für das Gesundheitssystem aufgrund der Luftbelastung und Kosten wegen Klimaschäden, die der Allgemeinheit und nicht nur den Verursachern schaden. Quelle: www.17ziele.de
Alle Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen verabschiedeten im Jahr 2015 die Agenda 2030. Ihr Herzstück ist ein Katalog mit 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung, den Sustainable Development Goals (SDGs). Unsere Welt soll sich in einen Ort verwandeln, an dem Menschen ökologisch verträglich, sozial gerecht und wirtschaftlich leistungsfähig in Frieden miteinander leben können.
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