Handlungsfähig bleiben trotz Pandemie und auch in fragilen Kontexten - Remote Management, Monitoring and Verification (RMMV) ermöglicht es, Projekte aus der Ferne zu steuern. Besserer Überblick für die Geber, mehr Partizipation der Zielgruppen, aber auch neue Risiken sind damit verbunden.
Remote-Management Monitoring and Verification
Video: Wirkungsweise von RMMV, in Englisch (KfW Bankengruppe/Muthmedia)
Die Corona-Pandemie hat das tägliche Leben in den meisten Ländern dieser Welt tiefgreifend verändert. Seither sind überall viel Geduld, Flexibilität und Innovation gefragt. Die Entwicklungszusammenarbeit bildet dabei keine Ausnahme. Sie musste sich nahezu von einem Tag auf den anderen umstellen und ihre Arbeit den neuen Gegebenheiten anpassen: Einerseits waren ab März Vorort-Kontrollen in vielen Ländern dieser Welt nur noch sehr eingeschränkt möglich. Andererseits ist der Bedarf an internationaler Unterstützung durch die Pandemie mit all ihren Folgen noch deutlich gestiegen. Projekte weiter zu verfolgen und zu begleiten oder neue auf den Weg zu bringen, ist daher noch dringlicher geworden.
Normalerweise reisen Projektmanager der KfW regelmäßig in ihre Partnerländer, sprechen mit Beteiligten, bereiten neue Vorhaben vor oder prüfen, ob sich laufende wie vorgesehen entwickeln. Manches lässt sich in Hauptstädten oder regionalen Zentren klären, besonders wenn es um Maßnahmen im Finanzsektor oder Reformfinanzierungen mit der Zentralregierung geht. Eine der zentralen Aufgaben der Entwicklungszusammenarbeit bleibt aber der Aus- und Wiederaufbau von Infrastruktur. Bei Baumaßnahmen wie Straßen, Schulen, Krankenhäusern, Getreidelagern oder Wasserleitungen kontrolliert die KfW die Baufortschritte direkt an Ort und Stelle. Solche wiederholten Besuche im Partnerland stellen sicher, auch wenn sie zum Teil auf Stichproben beruhen, dass Vorhaben erfolgreich verlaufen und die gewünschten Wirkungen erzielen. Die Pandemie hat diese Routine unterbrochen.
In dieser Situation kann die KfW auf Erfahrungen aus Regionen zurückgreifen, in denen Kontrollen vor Ort schon länger nicht mehr möglich sind, wenn auch aus anderen Gründen als Corona: Das gilt besonders für Afghanistan und Pakistan und für Teile von Westafrika, das in diesem Artikel im Fokus steht.
Der Sahel mit den Ländern Mali, Burkina Faso, Niger und Tschad ist eine unruhige, aus europäischer Sicht jedoch auch strategisch wichtige Region. Dort mischen sich Gewalt und Terror mit Armut und politischer Instabilität. Deshalb befürchtet man in Europa, dass die fragile Lage auf Nordafrika und die Küstenstaaten West- und Ostafrikas übergreifen könnte. Wegen seiner strategischen Bedeutung verfolgt die Bundesregierung das Ziel, die Region zu befrieden, zu stabilisieren und den Menschen Zukunftsperspektiven zu schaffen. Die Entwicklungszusammenarbeit ist dafür ein wichtiger Baustein.
Wegen der Sicherheitslage begleitet die KfW ihre Projekte in dieser Region allerdings immer häufiger auch von außerhalb: Remote Management, Monitoring and Verification lautet das Stichwort. Dabei werden Projekte aus der Ferne gesteuert ( Management), überwacht ( Monitoring) und überprüft ( Verification). Hierfür stehen technische Hilfsmittel wie mit Satelliten, Flugzeugen oder Drohnen gewonnene Bilder, georeferenzierte Datenbanken sowie digitale Anwendungen für die Projektsteuerung zur Verfügung. Aber auch Personal im Land, entweder lokale Mitarbeiter der KfW oder Consultants, die weiterhin Zugang zur Projektregion haben, spielen dabei eine wichtige Rolle. Sie sind sozusagen das „Auge und Ohr“ vor Ort. Meistens braucht man beides in Kombination, etwa im Online-Dialog oder mittels Online-Bildübertragung auf Virtual-Reality-Anwendungen.
Beispiel Burkina Faso: Hier werden über Entwicklungsfonds lokale Bauwerke in Kommunen unterstützt. Sie sollen den Bedürfnissen der örtlichen Bevölkerung entsprechen und die lokale Wirtschaft ankurbeln. Das können Schulen oder Gesundheitsstationen sein, aber auch Märkte oder Pisten. Die Bauten liegen weit verstreut im Land, der Baufortschritt ist nur schwer nachzuverfolgen. Die Sicherheitslage erschwert Kontrollen noch zusätzlich. Deshalb nutzt die KfW dort ein Remote Management Information System namens KoBoToolbox: Das ist ein Open Source Programm zur digitalen Sammlung von Daten, in die alle Informationen inklusive Fotos einfließen. Auch Fieldbuzz - ein System eines privaten Anbieters und damit nicht Open Source - kommt in Westafrika zum Einsatz. Das Bildmaterial, das dort gesammelt wird, ist geo-referenziert, mit Datum und Aufnahmezeit versehen; es lässt sich auf einer Landkarte dem Standort zuordnen. Ein Betrug mit Bildern von anderen Baustellen ist nicht möglich.
Vereinfacht beschrieben, funktioniert der gesamte Prozess derzeit folgendermaßen: Ein Consultant oder der Projektträger vor Ort machen mit einem handelsüblichen Smartphone Fotos von der Baustelle, schreiben dazu einen Bericht über den Stand des Projekts nach festen Kriterien und von der KfW vorher festgelegter Struktur, hinterlegen beides in der KoBoToolbox. Dort wird das Material zunächst von der Projektzentrale im Land geprüft und freigegeben. Anschließend kann die / der KfW-Zuständige die Informationen in Frankfurt abrufen und kontrollieren. Dafür sitzt er vor einer Land- bzw. Projektkarte, klickt jeweils ein Fähnchen pro Standort an und ruft die aktuellen Informationen dazu auf. So lässt sich genau beurteilen, ob das Gebäude schon ein Dach hat oder die neue Piste seit der letzten Prüfung länger geworden ist. Bei Zweifeln oder Rückfragen erhält die durchführende Stelle Hinweise zur Nachbesserung und muss diese durch neue Fotos und Berichte belegen.
Auch in Mali steuert die KfW Projekte aus der Ferne, dort vor allem im Norden des Landes. Er ist besonders anfällig für Unruhen und Gewalt, aber entlang des Niger-Flusses auch gut geeignet für Landwirtschaft. Das Land könnte so etwas wie die Nahrungsmittelkammer der gesamten Region werden. Von den geschätzten 2,2 Millionen Hektar nutzbarer Fläche werden erst rund 20 Prozent bewirtschaftet. Mit angepasster Bewässerung ließe sich diese Fläche um ein Vielfaches steigern. Kleine Perimeter (abgegrenzte Areale), Staudämme, Pumpen, Kanäle, Brunnen sowie Maßnahmen zum Erosionsschutz können hier viel bewirken. Um dieses Potenzial trotz der widrigen Gesamtumstände zu nutzen, begleitet die KfW ihre Bewässerungsprogramme dort mit digitalen Instrumenten aus der Ferne.
Drohnen empfehlen sich für kleinere Flächen mit einem Radius von rund drei Quadratkilometern. Sie sind batteriebetrieben und direkt an ein Smartphone des Durchführungs consultants vor Ort angeschlossen. Das optische Material kann anschließend direkt vom Handy aus weiter verarbeitet und versendet werden. Es ist so präzise, dass man größere Gebäude oder Staumauern und vor allem Unterschiede zur letzten Aufnahme gut erkennen kann. Auch Satellitenbilder kommen dort zum Einsatz; sie eignen sich für größere Flächen und können Fragen beantworten wie: Ist die Anbaufläche insgesamt gewachsen, gab es Erosionserscheinungen, sind Kanäle gebaut, Perimeter etabliert? Mit ihrer Hilfe lassen sich dann sogar einzelne Pflanzenarten wie Mais, Reis, Salat, Kohl oder Zwiebeln klar voneinander unterscheiden. Allerdings liegen die Kosten dafür meist höher als bei Drohnen, weil das Bildmaterial eingekauft werden muss. Deshalb nutzt die KfW diese Technologie eher zum gezielten Abgleich in größeren Abständen und festgelegten Zyklen.
In Westafrika gibt es bereits 50 Vorhaben, bei denen Methoden der Fernsteuerung zum Einsatz kommen. Die bisherigen Erfahrungen damit zeigen, dass sie ein guter Ersatz für ausbleibende Kontrollen vor Ort, etwa in Krisenzeit sind, aber an Grenzen stoßen: So fehlt der Kontakt zur Zielgruppe und zu den Trägern. Bei Fortschrittskontrollen spricht man sonst auch mit Nutznießern, fragt Eltern, ob sie mit der neuen Schule wirklich zufrieden sind, geht zum örtlichen Bauern und prüft, ob der Brunnen tatsächlich funktioniert. Kurz gesagt: Man sammelt Eindrücke rechts und links des Weges, ungefiltert und jenseits der offiziellen Informationen. Diese Möglichkeit entfällt. Die Wahrnehmung bleibt eingeschränkt, trotz technisch hoch auflösenden Bildmaterials: Man sieht immer nur einen Ausschnitt, hört, schmeckt und riecht nichts, Informationen bleiben zweidimensional: Ob die Stütze, wie vorgeschrieben, tatsächlich 1,5 Meter im Boden verankert wurde, entgeht den KfW-Verantwortlichen, wenn sie nur digital arbeiten.
Die zweite Lehre lautet: Solche Lösungen müssen, um längerfristig zu wirken, an die Situation und die Systeme vor Ort angepasst werden, was Kosten nach sich zieht. Die Partner in den Ländern müssen ins Boot geholt, geschult und mit den Abläufen vertraut gemacht werden, von den eigenen Lernerfordernissen ganz zu schweigen. Dies zeigt: Fernüberwachung spart in vielen Fällen weder Geld noch Zeit. Wer nur sieht, dass Reisen und damit Kosten entfallen, irrt leider. Die Ausgaben entstehen an anderer Stelle. Sind solche Systeme aber erst einmal etabliert, können sie die Arbeit spürbar erleichtern und vor allem Infrastrukturprojekte in Gebieten zulassen, in denen Entwicklungszusammenarbeit sonst nicht möglich wäre.
Und es hat sich drittens gezeigt, dass Fernüberwachung auch in "normalen" Zeiten gute Dienste leisten kann, nämlich immer dann, wenn ein Programm kleinteilig ist und seine einzelnen Standorte weit verstreut sind. Den Bau eines Krankenhauses zum Beispiel kann man mit einem Besuch, so Besuche möglich sind, relativ unkompliziert und effizient nachverfolgen. Bei vielen kleinen Infrastrukturprojekten, die über eine ganze Gegend oder sogar ein ganzes Land verteilt sind, wird das schon schwieriger. Wo man sich früher mit Stichproben behelfen musste, sind heute über solche Lösungen sogar umfassendere Kontrollen möglich. Auch größere Flächen etwa in der Landwirtschaft, einem Naturschutzgebiet oder einem Waldgürtel lassen sich mit digitalen Hilfsmitteln sehr viel besser erfassen und kontrollieren als früher. Das gilt auch für die Evaluierung von Projekten, später nach deren Ende, die fester Teil der Entwicklungszusammenarbeit ist.
Projekte mit all diesen neuen technischen Möglichkeiten aus der Ferne zu steuern, kann das bekannte Instrumentarium auf zeitgemäße Weise ergänzen. In Krisenregionen öffnet es Wege, überhaupt „bauend“ weiterzumachen. Und in Regionen ohne Reisebeschränkungen kann es dabei helfen, die Qualität von Projekten zu verbessern und Wirkungen rasch und umfassender nachzuverfolgen. Die bisherigen KfW-Erfahrungen aus Westafrika und anderen Regionen zeigen jedenfalls, dass Infrastrukturvorhaben auch unter widrigen Bedingungen durchführbar bleiben und auf diese Weise Krisenregionen stabilisieren und wiederaufbauen helfen.
Auf KfW Stories veröffentlicht am 3. August 2021, aktualisiert am 2. August 2023.
Zu diesen Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen leistet das dargestellte Projekt einen Beitrag
Ziel 9: Widerstandsfähige Infrastruktur und nachhaltige Industrialisierung
Eine nicht vorhandene oder marode Infrastruktur hemmt die Wirtschaftlichkeit und fördert so die Armut. Beim Aufbau der Infrastruktur sollte der Aspekt der Nachhaltigkeit im Vordergrund stehen, zum Beispiel mit der Förderung von umweltfreundlichen Verkehrsmitteln. Auch Fabriken und Industriestätten sollten nach ökologischen Gesichtspunkten nachhaltig produzieren, um eine unnötige Umweltbelastung zu vermeiden. Quelle: www.17ziele.de
Alle Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen verabschiedeten im Jahr 2015 die Agenda 2030. Ihr Herzstück ist ein Katalog mit 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung, den Sustainable Development Goals (SDGs). Unsere Welt soll sich in einen Ort verwandeln, an dem Menschen ökologisch verträglich, sozial gerecht und wirtschaftlich leistungsfähig in Frieden miteinander leben können.
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