Portrait eines lächelnden Mannes im Anzug
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Der Draht nach Brüssel

Um die großen Herausforderungen unserer Zeit zu bewältigen, bündeln Europas Förderbanken ihre Kräfte. Das funktioniert am besten im direkten täglichen Austausch im Herzen der EU. David Denzer-Speck leitet das KfW-Büro im Herzen der EU.

David Denzer-Speck
Portrait eines Mannes im Anzug

Leiter des KfW-Verbindungsbüros in Brüssel.

KfW-Verbindungsbüro zur EU

Wo sehen Sie für die kommenden 5 Jahre die größten Herausforderungen für Europa?

DENZER-SPECK: Wir haben in Europa viel mehr wirtschaftliches Wachstumspotential als wir im Moment realisieren. Die Stärkung der europäischen Wettbewerbsfähigkeit und die Wiederbelebung des EU-Binnenmarktes stehen damit zurecht auf der politischen Agenda.

Zudem wird Sicherheit eine zentralere Rolle spielen. Nicht nur wegen des Kriegs in der Ukraine. Das beinhaltet militärische Sicherheit und gemeinsame Rüstungsvorhaben, aber auch ökonomische Resilienz; zum Beispiel im Bereich Rohstoffe und Energie, bei kritischer Infrastruktur und für stabilere Lieferketten.

Außenpolitisch wird sich die EU – als Teil des Westens – weiter neben den Supermächten USA und China behaupten müssen. Die Beziehungen zur restlichen Welt werden dabei transaktionsbasierter.

Erstmals seit einer Dekade gibt es zudem wieder eine konkrete Erweiterungsambition der EU. Diese bezieht sich auf die Ukraine, Moldau und Georgien sowie die Länder des westlichen Balkans. Eine große Chance und Herausforderung, die den betroffenen Ländern, aber auch der EU viele Reformen abverlangen wird.

Die beiden großen Themen der ausgehenden Kommission - Digitalisierung und Klimaschutz - bleiben natürlich weiter zentral. All dies wird in einem Umfeld höherer Zinsen und geringerer fiskalischer Spielräume stattfinden

Welche Bedeutung haben die Aktivitäten der KfW in und mit Europa in Zukunft?

Als Förderbank ist die KfW in den Bereichen Klimaschutz & Nachhaltigkeit, Innovation & Digitalisierung, aber auch bei der Stärkung wirtschaftlicher Resilienz und der Mobilisierung von Privatkapital aktiv: In Deutschland, in Europa und weltweit.

Dabei arbeiten wir eng mit der EU zusammen. So wurden zwischen 2016 und 2023 mehr als 30.000 Gründerinnen und Gründer in Deutschland mit EU-unterstützten KfW-Krediten finanziert. In der Entwicklungszusammenarbeit profitierten zahlreiche KfW-Projekte von EU-Mitteln. Seit 2017 erfolgten mehr als € 5 Mrd. KfW-Zusagen mit EU-Unterstützung. Dies beinhaltet z.B. Mittel für den Wiederaufbau und die Rehabilitierung von Übertragungsleitungen in der Ukraine, Projekte zur Förderung von grünem Wasserstoff in Chile sowie Infrastrukturvorhaben zur energetischen Anbindung Tunesiens an die EU.

Die KfW unterstützt EU-Politikziele aber auch eigenständig. Der Ende 2023 von KfW Capital ins Leben gerufene größte europäische Venture Capital-Dachfonds (Wachstumsfonds) hat ein explizit europäisches Investitionsmandat und leistet damit einen wichtigen Beitrag zur Kapitalmarktentwicklung in Deutschland und Europa. Besonders erfreulich: Erstmals gelang es dabei überwiegend private Investoren zu beteiligen. Über unsere Tochter KfW IPEX-Bankfinden zudem jährlich kommerzielle Investitionen im höheren einstelligen Milliardenbereich in Europa statt. Hier können der erste Offshore-Windpark in Polen, Infrastruktur für Elektromobilität in Benelux oder Glasfaserprojekte in Finnland als Beispiele genannt werden.

Die KfW unterstützt die EU zudem mit Experteneinschätzungen und Wissenstransfer – etwa bei der Rohstofffinanzierung und im Bereich der nachhaltigen Finanzierung. Zudem arbeiten KfW-Kolleginnen und Kollegen als Beamte auf Zeit in der EU-Kommission.

Wie haben sich die Aufgaben Ihres Teams in den letzten fünf Jahren verändert?

Ich möchte auf zwei Punkte näher eingehen:

1) Engere Zusammenarbeit mit unseren Partnern.

Engere Zusammenarbeit mit unseren Partnern: Viele nationale Förderbanken sind auf ähnlichen Geschäftsfeldern aktiv. Der Erfahrungsaustausch wird über den europäischen Förderbankenverband (ELTI) organisiert. Daneben geht es aber auch um konkrete, operative Zusammenarbeit. Innerhalb Europas finanziert die KfW mit ihren EU-Partnern etwa Kreislaufwirtschaftsprojekte im Rahmen der Joint Initiative on Circular Economy. Diese wurde im April dieses Jahres verlängert. Bis 2025 sollen zirkuläre Projekte im Umfang von 16 Mrd. Euro finanziert werden. Gemeinsam können wir einfach mehr erreichen.

In der Entwicklungszusammenarbeit haben sich EU-Kommission, Mitgliedsstaaten und die europäischen Entwicklungsbanken daher auch im Rahmen von Team Europe und der Global Gateway Initiative zusammengeschlossen. Die Rolle Europas als größter Unterstützer unserer Partnerländer wird mit einem abgestimmten Ansatz verbessert. Im Auftrag der Bundesregierung trug die KfW letztes Jahr mit einem Investitionsvolumen von 1,6 Mrd. Euro zu Team Europe und mit mehr als 9 Mrd. Euro zu Global Gateway bei. Neben den europäischen Förderinstitutionen (EIB und EBRD) ist die Zusammenarbeit und Ko-Finanzierung mit unseren bilateralen Partnern aus Italien, Frankreich, Spanien und Polen (CDP, AFD, AECID und BGK) in diesem Bereich besonders eng.

2) Ein stärker vernetzter Ansatz.

Die Vielfalt der Herausforderungen in Europa erfordert den Einsatz ganz unterschiedlicher Instrumente: Zur Umstellung auf nachhaltiges und digitales Wirtschaften in der EU müssen Förderanreize in den Mitgliedsstaaten richtig gesetzt werden. Die europäischen Kapitalmärkte sind weiter entwicklungsfähig, damit Wachstumsunternehmen in Europa bleiben oder sich neu ansiedeln. Unsere Wirtschaft benötigt zudem international starke Finanzierungspartner bei der Export- und Projektfinanzierung und unsere Partner in der Welt beobachten genau, welche konkreten Kooperationsangebote Europa macht.

Über die Gruppenstruktur ist die KfW - gemeinsam mit KfW Capital, KfW IPEX-Bank und DEG - optimal aufgestellt, um auf diesen unterschiedlichen Politikfeldern komplementäre und kohärente Lösungen in Deutschland und – gemeinsam mit unseren Partnern – für Europa und in der Welt anzubieten.

Was wünschen Sie sich persönlich für Europa?

Wir feiern in diesen Tagen 75 Jahre Grundgesetz. Ich denke, dass die Entwicklung unseres Landes zu „einem gleichberechtigten Mitglied in einem vereinten Europa“ eine historisch herausragende Leistung war, auf die wir Deutschen gemeinsam mit unseren Nachbarn zurecht stolz sein können. Ich bin daher ganz optimistisch und freue ich mich auf die Zukunft.

Was ich mir für Europa wünsche: Frieden sichern. Wohlstand schaffen. Spaltung überwinden.

Auf KfW Stories veröffentlicht am 4. Juni 2024