Das Start-up Linguedo löst ein Verteilungsproblem auf dem europäischen Arbeitsmarkt: In Deutschland gibt es viel zu wenig Personal in der Krankenpflege, in Italien und Spanien finden nicht alle ausgebildeten Pflegekräfte eine Stelle. Eine von ihnen ist Kristine Kasala, die dank Linguedo heute in Darmstadt als Krankenpflegerin arbeitet.
Kristine Kasala hat ihr Studium der Krankenpflege in Rom erfolgreich abgeschlossen. Doch auf den kurzen Moment des Stolzes über das Examenszeugnis folgte viel Frust, denn eine gute Lebensperspektive hatte sie damit nicht. Es gibt in Italien zu viele Absolventen, zu wenige Stellen, dazu schlechte Bezahlung.
Bei ihrer Jobsuche im Internet stößt die heute 24-Jährige vor zwei Jahren auf Linguedo. Das 2016 gegründete deutsche Start-up verspricht eine berufliche Zukunft an einem deutschen Krankenhaus: mithilfe persönlicher Betreuung und eines intensiven Sprachkurses – ganz gezielt zugeschnitten auf italienische Pflegekräfte.
„Ich hatte zuerst etwas Angst und wusste nicht, ob das auch wirklich seriös ist“, sagt sie heute lächelnd. „Das klang einfach viel zu gut.“ Doch sie wollte arbeiten, sich eine Existenz aufbauen, also meldete sie sich nach dem Kennenlernen für den neunmonatigen Sprachkurs an, den sie täglich mindestens eine Stunde per Skype nutzte.
Im Sprachkurs lernte die Italienerin Vokabeln, Grammatik und unter anderem auch, wie man in Deutschland flirtet. Doch anders als in anderen Sprachkursen müssen Pflegekräfte für einen erfolgreichen Abschluss zum Beispiel auch deutsche Wortungetüme wie Langzeitblutdruckmessung oder Unterarmgehstütze kennen – Spezialwissen, das Kasala mittlerweile beherrscht und das sie für den Einsatz in deutschen Kliniken qualifiziert.
Jung, modern und digital
Seit fast einem halben Jahr arbeitet Kasala nun auf der Intensivstation des Agaplesion Elisabethenstifts in Darmstadt. „Ich bin zufrieden, die Arbeit in Deutschland ist genauer und präziser“, berichtet sie. Natürlich habe sie gelegentlich Heimweh, vermisse die Eltern und den Freund, der in Rom geblieben sei. Doch gerade ist er zu Besuch, und sie strahlt in ihrer blauen Krankenpflegekluft.
Felix Vacek, Integrationsmanager am Agaplesion Elisabethenstift, arbeitet mit dem Linguedo-Gründerduo Matthias Gilch und Dominik Nitsch zusammen, um vakante Stellen in der Krankenpflege zu besetzen. „Die beiden sind jung, modern und digital, das hat mich gleich angesprochen. Und jetzt bin ich auch sehr überzeugt vom Sprachprogramm“, sagt er.
Kristine Kasala habe nach zwei Wochen Einarbeitungszeit schon die erste Übergabe selbstständig erledigt. „Die Patienten unterstützen mich und haben viel Verständnis“, berichtet die Italienerin. Denn manchmal sucht sie noch nach dem richtigen Wort oder bittet, etwas langsamer zu sprechen, damit sie alles versteht.
Mehr Schwierigkeiten bereiten dem Integrationsmanager Felix Vacek vor allem die langwierigen und oft sehr unterschiedlichen Anerkennungsverfahren der Abschlüsse: „Da die Pflege in Italien anders ist, müssen wir die Leute etwa ein halbes Jahr als Pflegehelfer anleiten.“ Dafür stellt die Klinik eine Wohnung und Vacek ist ihr Ansprechpartner bei Problemen.
Social Start-up
Rund 150 Pflegekräfte aus Italien hat Linguedo bisher an ein Dutzend Kliniken in Deutschland vermittelt, vor allem nach München. Etwa 70 weitere lernen gegenwärtig Deutsch in den Sprachkursen. Mittlerweile expandieren die Jungunternehmer – sie sind 25 und 28 Jahre alt – auch nach Spanien, denn in Italien werden momentan wieder mehr Pflegekräfte eingestellt.
„Wir sehen uns als Social Start-up“, sagt Dominik Nitsch. Für den Linguedo-Mitbegründer ist Sozialunternehmertum der Schlüssel, um die Probleme der Welt zu lösen.
An Gründer wie Nitsch richtet sich das Social Impact Lab Frankfurt mit dem Ausbildungsprogramm AndersGründer. Hier hat auch Nitsch gelernt, wie man gesellschaftliche und soziale Probleme mit unternehmerischen Mitteln lösen kann.
Nachhaltige Vermittlung
In Frankfurt hat Linguedo Büros im Co-working Mindspace im Eurotheum-Büroturm gemietet. Dort sitzen neben den Geschäftsführern auch die meisten der 14 Festangestellten. Die Sprachlehrerinnen und -lehrer sind gerade per Bildschirm mit ihren Schülern und Schülerinnen in Italien verbunden. Kristine Kasala umarmt ihre Lehrerin herzlich, als sie zu Besuch ins Linguedo-Büro kommt. Sie erinnert sich noch gut daran, wie es war, in Italien vor dem Bildschirm zu sitzen, und freut sich, dass sie den Sprung nach Deutschland geschafft hat.
Auf KfW Stories veröffentlicht am: Dienstag, 30. Juli 2019
Zu diesen Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen leistet das dargestellte Projekt einen Beitrag
Ziel 3: Gesundes Leben für alle
Gesundheit ist gleichzeitig Ziel, Voraussetzung und Ergebnis von nachhaltiger Entwicklung. Ihre Förderung ist ein Gebot der Menschlichkeit – sowohl in den Industrie- als auch in den Entwicklungsländern. Weltweit leben etwa 39 Prozent der Weltbevölkerung ohne Krankenversicherung, in einkommensarmen Ländern sind es sogar mehr als 90 Prozent. Immer noch sterben viele Menschen an Krankheiten, die bei richtiger Behandlung nicht tödlich verlaufen müssten oder mit Impfungen einfach zu verhindern wären. Mittels Stärkung der Gesundheitssysteme und insbesondere einer breiten Verfügbarkeit von Impfstoffen kann es uns gelingen, diese Krankheiten bis 2030 zurückzudrängen und sogar auszurotten. Quelle: www.17ziele.de
Alle Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen verabschiedeten im Jahr 2015 die Agenda 2030. Ihr Herzstück ist ein Katalog mit 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung, den Sustainable Development Goals (SDGs). Unsere Welt soll sich in einen Ort verwandeln, an dem Menschen ökologisch verträglich, sozial gerecht und wirtschaftlich leistungsfähig in Frieden miteinander leben können.
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