Menschenmenge an einer Bahnhaltestelle in Indonesien
Demografischer Wandel

Demografischer Wandel

Mehr Menschen, wachsender Wohlstand?

Jeden Tag steigt die Zahl der Erdenbürger um 233.280, die meisten von ihnen kommen in Entwicklungsländern zur Welt. Damit dieses Bevölkerungswachstum sein positives Potenzial entfalten kann, müssen Investitionen in die Schaffung von Arbeitsplätzen, in Bildung, Gesundheit und soziale Sicherung fließen.

Die Autoren
Annette Gabriel und Detlef Hanne

Annette Gabriel ist Senior-Sektorökonomin im Kompetenzcenter Nachhaltige Wirtschaftsentwicklung, Bildung und Gesundheit im Geschäftsbereich KfW Entwicklungsbank. Dort arbeitet auch Dr. Detlef Hanne als Projektmanager in der Abteilung Südliches und Östliches Afrika.

Die weltweite Bevölkerung wächst, und das am stärksten in ökonomisch schwachen Staaten Afrikas und Asiens. In Afrika leben 1,1 Milliarden Menschen, von denen 43 Prozent unter 15 Jahre alt sind. 2050 werden es voraussichtlich 2,4 Milliarden sein.
Doch wird dieses Bevölkerungswachstum zur Bürde für die betroffenen Länder? Oder gelingt es, das wachsende Arbeitskräftepotenzial für eine positive Entwicklung zu nutzen?

Die positive Gesamtentwicklung in modernen Volkswirtschaften wird im Wesentlichen durch zwei Faktoren begünstigt: Wirtschaftswachstum und genügend Arbeitsplätze auf der einen Seite, qualifizierte Arbeitskräfte auf der anderen.
An der Altersstruktur eines Landes lässt sich ablesen, wie viele Menschen arbeiten können und wie viele Menschen von der arbeitenden Bevölkerung versorgt werden müssen.
Die Industrieländer steuern auf eine Situation zu, in der die Bevölkerung schrumpft und altert. Diesen Gesellschaften gehen die qualifizierten Arbeitskräfte aus. Entwicklungsländer haben da demografisch betrachtet eine bessere Ausgangslage.

Die Tiger haben es vorgemacht

Doch was ist erforderlich, um eine positive Entwicklung in diesen Ländern in Gang zu setzen? Die asiatischen Tigerstaaten – allen voran Südkorea – können als Beispiel dienen. Sie haben seit den 1970er Jahren einen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Sprung nach vorne gemacht.

2,4 Milliarden Menschen werden 2050 voraussichtlich in Afrika leben, 1,3 Milliarden mehr als heute

So stieg das Pro-Kopf-Einkommen in Südkorea von 81 Dollar im Jahr 1960 auf 22.489 Dollar im Jahr 2011. Die durchschnittliche Geburtenrate pro Frau sank zwischen 1970 und 2009 von 4,5 auf 1,2 Kinder.

Gelungen ist die positive Entwicklung in den Schwellenländern Südostasiens, weil dort mehrere Prozesse parallel abliefen. Erstens wurden durch politische Reformen günstige Rahmenbedingungen für wirtschaftliche Entwicklung geschaffen, zweitens produzierende Unternehmen aufgebaut, drittens durch Investitionen in Bildung qualifizierte Arbeitskräfte bereitgestellt und viertens funktionierende Systeme der Gesundheit und sozialen Sicherung errichtet.

In einem ersten Schritt stieg infolge einer verbesserten Grundversorgung die Lebenserwartung und sanken die Geburtenzahlen. Die Bedeutung von Kindern für die Altersvorsorge nahm ab. Dadurch wuchs der Anteil der arbeitsfähigen Bevölkerung, während sich die Anzahl der zu versorgenden jungen und alten Menschen reduzierte. Ein sogenannter demografischer Bonus war geschaffen.

Den Tigerstaaten gelang es in einem zweiten Schritt, die große Menge der arbeitsfähigen Bevölkerung in eine für Einkommen arbeitende Bevölkerung zu verwandeln. Der demografische Bonus wurde erfolgreich in eine demografische Dividende überführt und die einstigen Entwicklungsländer wurden zu Schwellen- beziehungsweise Industrieländern.

Die KfW fördert

Der Geschäftsbereich KfW Entwicklungsbank fördert weltweit zahlreiche Projekte in der Subsahara-Region.

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Ohne Unterstützung geht es nicht

Eine Reihe von Hemmnissen erschwert es jedoch vielen Entwicklungsländern, vor allem in Subsahara-Afrika, den Tigerstaaten zu folgen und eine demografische Dividende zu schaffen: Viele dieser Staaten haben ein zu geringes volkswirtschaftliches Einkommen und damit keine Möglichkeit, die Wirtschaft zu stimulieren oder einen Strukturwandel anzustoßen. Die Produktionskosten in Afrika sind trotz der minimalen Löhne zu hoch, um auf dem Weltmarkt konkurrieren zu können. Außerdem ist Afrika zu mehr als 70 Prozent ländlich geprägt, sodass Arbeitsplatzpotenziale eher im ländlichen Bereich zu erwarten sind als im produzierenden Gewerbe wie in den Tigerstaaten.

Hinzu kommt häufig eine schwache Regierung in politisch fragilem Kontext. Da die besonders große Gruppe der Jugendlichen oft nur über eine Grundbildung verfügt und Jobs im formalen Sektor rar sind, suchen viele vergeblich nach bezahlter Arbeit.

Um diesen Teufelskreis zu durchbrechen, brauchen die meisten Staaten finanzielle und technische Unterstützung von außen. Nur so lassen sich neben öffentlichen auch private Initiativen für Beschäftigung fördern und die Bereiche Gesundheit, Bildung und soziale Sicherung aufbauen.

Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit hilft auf vielfältige Weise dabei, den demografischen Wandel in den Partnerländern zu gestalten. Im Fokus der Projektarbeit steht zum Beispiel die Förderung junger Frauen. Ein hoher Bildungsstand erleichtert es ihnen, selbstbestimmt Familienplanung zu betreiben und Einkommen für die Familie zu erzielen.

Quelle
Cover CHANCEN Alter

Der Artikel ist erschienen in CHANCEN Frühjahr/Sommer 2014 „Alter“.

Zur Ausgabe

Über den Geschäftsbereich Entwicklungsbank der KfW werden mit Mitteln des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung in Äthiopien zum Beispiel Ingenieure ausgebildet, in Ghana landesweit Arbeitskräfte qualifiziert oder in Kenia gezielt die Mutter-Kind-Gesundheit gefördert. Die KfW-Tochter DEG – Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft mbH unterstützt Unternehmen, die in Entwicklungsländern aktiv werden und schafft dadurch Arbeitsplätze.

So setzt die deutsche Entwicklungsfinanzierung in den Schlüsselsektoren an, um den demografischen Bonus entstehen und zur Dividende werden zu lassen. Doch bei aller Unterstützung, die Deutschland und andere Industriestaaten leisten – die wesentlichen Anstrengungen müssen von den Partnerländern selbst kommen. Nur so lassen sich die notwendigen politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen schaffen und die Chancen, die im Bevölkerungswachstum liegen, nutzen.

Auf KfW Stories veröffentlicht am: Mittwoch, 30. August 2017

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