Laos Radfahren
Bildung

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Eine (Berufs-)Bildungsreise anderer Art

Das deutsche Konzept der Berufsbildung in Laos etablieren - dieses Vorhaben unterstützt die deutsche Finanzielle Zusammenarbeit (FZ) seit einigen Jahren. KfW-Evaluierungsexpertin Lena Hauck reiste durch das Land, um sich ein Bild vom Erfolg der Maßnahmen zu machen.

Zur Person
Lena Hauck

Lena Hauck ist Projektmanagerin in der Evaluierungsabteilung der KfW Entwicklungsbank und zuständig für die Sektoren Bildung und Gesundheit.

Begrüßung in Vientiane

„Herzlich willkommen in Laos!“ 8.400 km entfernt vom heimischen Arbeitsplatz wird unsere Evaluierungsexpertin auf Deutsch begrüßt – eine Überraschung, die im Bildungsministerium der Hauptstadt Vientiane, der ersten Reisestation, auf die Expertin wartet. Sie lernt von ihren Gesprächspartnern: Es ist gar nicht so ungewöhnlich, dass hohe Beamte in Laos Deutsch sprechen. In den 1980er-Jahren wurden etwa 2.000 Laoten in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) ausgebildet. Das Studium in Deutschland galt als Privileg. Im Gegenzug war eines selbstverständlich: Nach Rückkehr aus Deutschland sollte das Wissen zu Hause in Wert gesetzt werden.

Während ihres Auslandsstudiums lernten die ministerialen Ansprechpartner auch die duale Berufsbildung in Deutschland kennen. Seit vielen Jahren arbeiten sie in ihrer Heimat daran, dieses Vorbild sich ergänzender theoretischer und praktischer Lerninhalte angepasst an den laotischen Kontext umzusetzen.

Evaluierung in Laos

Seit 2006 unterstützt die deutsche FZ den Aufbau von Berufsschulen in Laos mit Infrastruktur und Ausstattung. Eine erste Evaluierung im Jahr 2014 stellte eher enttäuschende Wirkungen der Unterstützung fest. 2018 stand eine weitere Evaluierung an: Konnten die Startschwierigkeiten in der Berufsbildung im planwirtschaftlichen Laos überwunden werden? Werden die Berufsschulen nun ausreichend besucht, und finden die Absolventen einen angemessenen Arbeitsplatz? Auf der Suche nach Antworten begab sich unsere Expertin für den Bildungssektor auf eine lange Reise, einmal quer durch Laos.

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Keine ganz einfache Aufgabe – wie der KfW-Evaluierungsbericht aus dem Jahr 2014 illustrierte. Die ersten Projekte zur Berufsbildung in Laos schnitten gar nicht gut ab: Weniger Schüler als erhofft besuchten die Schulen. Teile der gelieferten Ausstattung wie Werkzeuge und Maschinen waren Jahre nach Lieferung noch gar nicht ausgepackt. Einzelne Ausbildungsgänge liefen offensichtlich am Bedarf des Arbeitsmarkts vorbei. Damals stand zu befürchten: Berufsbildung wird in Laos doch kein deutscher Exportschlager, sondern eher ein Ladenhüter. Zum Glück hat unsere Evaluierungsexpertin neue, eher optimistisch stimmende Informationen im Gepäck.

Wochen vor der Ausreise nach Laos wurde von Frankfurt aus eine Online-Umfrage gestartet. Laotische Schüler, Absolventen und Arbeitgeber wurden per Internet anonym über ihre Wahrnehmung und Erfahrungen mit der Berufsbildung befragt. Wie die Begrüßung auf Deutsch waren auch die Ergebnisse der Umfrage eine erfreuliche Überraschung. Die große Mehrheit der Befragten äußerte sich sehr positiv. Eine Ausbildung an den in Laos immer noch recht neuen Schulen scheint vielen jungen Menschen zu einer qualifizierten Beschäftigung verholfen zu haben: Autos reparieren, Pilze züchten, im Restaurant arbeiten. Auch die Arbeitgeber schienen zufrieden.
Entsprechend gespannt startet die KfW-Expertin mit den laotischen Projektpartnern die Besuchstour zu den Berufsschulen. Würden sich die positiven Eindrücke der Umfrage vor Ort bestätigen, oder hat sich gegenüber den eher enttäuschenden Zuständen im Jahr 2014 doch wenig verändert?

Berufsschüler in Laos
Wissbegierig

Fern von der Hauptstadt Vientiane suchen die Berufsschüler den Anschluss an die moderne Welt.

Reisefertig steht die Besuchsmission bereit am Flughafen in Vientiane für den 70-minütigen Flug nach SamNeua im Norden des Landes. Der Himmel ist blau – ein gutes Zeichen, denn hier wird noch auf Sicht geflogen; eine Flugsicherung vom Boden aus gibt es nicht. Dennoch wird der Flug abgesagt, Sicherheit geht vor. Die Mission muss umplanen. Eine Autofahrt von Vientiane nach Sam Neua ist in einem Tag nicht zu bewältigen. Mit laotischer Ruhe und Gelassenheit wird der sorgfältig erstellte Terminplan auf den Kopf gestellt: Acht Stunden Reise durch die bergige laotische Landschaft sollen die Mission zur Berufsschule in Phonsavan, Provinz Xiengkhouang, bringen. Von hier könne man dann weiterfahren nach Houaphan, um die Schule in SamNeua doch noch zu besuchen. Die Fahrt ist lang und beschwerlich. Gelegentliche Dörfer zwischen Wäldern und Plantagen rauschen vorbei. Doch die lange Zeit auf der Straße ist für unsere Evaluierungsexpertin auch eine Chance. Es ist viel Zeit, um die Projektpartner besser kennenzulernen und Antworten auf alle Fragen zu erhalten. Warum gibt es in jeder noch so entlegenen Provinz eine eigene Berufsschule? Warum sind die Curricula immer gleich? Kann Berufsbildung planwirtschaftlich organisiert werden?

Im Regierungsauftrag

Seit dem Jahr 1960 unterstützt die KfW im Rahmen der Finanziellen Zusammenarbeit (FZ) die Bundesregierung dabei, ihre entwicklungspolitischen Ziele umzusetzen. Wir verbinden Finanzierungs-Know-how mit entwicklungspolitischer Expertise. Im Auftrag der Bundesregierung, vor allem des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), fördern und begleiten wir Programme und Projekte mit überwiegend staatlichen Akteuren in Entwicklungs- und Schwellenländern.

Risiko Blindgänger

Die durch die FZ aufgebaute Schule in Phonsavan macht einen gepflegten Eindruck und ist gut besucht. Heute ist „cleaning day“: Die Schüler helfen mit; ein Dach wird repariert, der Garten gepflegt. Auf dem Lehrplan stehen unter anderem Schreinerei, Hotellerie und Schneiderei. Die Schüler kochen ein schmackhaftes Essen für die Delegation. Auf dem Schulgelände weckt ein ungewöhnlicher Teich das Interesse der Besucher. Der Schuldirektor, wie alle Amtsträger mittwochs und freitags in Uniform gekleidet, erklärt: Dies ist ein Bombenkrater. Er erzählt bei laotischem Kaffee in seinem Büro, dass vor Baubeginn 150 Minen und Blindgänger auf dem Schulgelände geräumt werden mussten. Das war teuer und zeitintensiv – und kein Einzelfall in Laos. Zwischen 1964 und 1973 bombardierten amerikanische Flieger Laos, um Versorgungswege der Vietcong zu blockieren. Laos ist das pro Einwohner am stärksten bombardierte Land der Welt. Schätzungsweise 30 Prozent der Bomben sind nicht explodiert. Viele Hundert Menschen sind seitdem an explodierenden Blindgängern gestorben. „Bevor die Zukunft beginnt, muss die Vergangenheit ausgeräumt werden.“ Mit diesen Worten verabschiedet der Schuldirektor in Phonsavan die Delegation.

Die Reise geht weiter durch entlegenste Gebiete nach Sam Neua. Es ist beachtlich, dass das Ministerium diese Berufsschule vom weit entfernten Vientiane aus steuern kann. Der Schuldirektor und ein Vertreter der Provinzregierung erzählen von ihren Ausbildungserfolgen. Beim Abendessen im Restaurant steht eine Fokusgruppendiskussionauf dem Programm. Acht Absolventen und Absolventinnen erzählen mittels Übersetzerin von ihrem Werdegang.

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Erfolgsmessung

Ob ein Vorhaben erfolgreich ist oder nicht, misst sich vor allem an den Fragen: Was hat das Vorhaben für die Menschen im Partnerland bewirkt? Hat sich deren Situation nachhaltig verbessert? Drei bis fünf Jahre nach Fertigstellung einer Maßnahme unterzieht die Evaluierungsabteilung der KfW Entwicklungsbank rund die Hälfte aller abgeschlossenen Vorhaben einer unabhängigen Evaluierung, auch um für zukünftige Projekte und Programme zu lernen.

Mehr Infomationen über die KfW Evaluierungsarbeit

Auf dem Tisch steht Laap, das laotische Nationalgericht aus gehacktem Fleisch und heimischen Kräutern. Draußen wird Petanque, eine Art von Boule, gespielt, einer der französisch-kolonialen Einflüsse. Die Absolventen der Diskussionsrunde sind von dem Wert ihrer Ausbildung an der örtlichen Berufsschule überzeugt; sie alle haben Arbeit gefunden, zum Beispiel in der örtlichen Gastronomie. Für sie waren die angebotenen Ausbildungsgänge passend. Unserer Evaluierungsexpertin ist natürlich bewusst, dass es auch andere, weniger positive Stimmen geben mag.

Vor der langen Rückfahrt in die Hauptstadt wird eine spirituelle Zeremonie veranstaltet, Basi genannt. Sie soll die Schutzgeister der Evaluierungsmission beschwören, gut auf die Reisenden zu achten. Gemeinsam mit allen Lehrern der Schule sitzen die Missionsmitglieder im Kreis. In der Mitte ein Gesteck, garniert mit Eiern, Hähnchen und Plastikwasserflaschen. Alle Teilnehmer sind mit einem Baumwollfaden miteinander verbunden. Der Zeremonienmeister, ein Dorfältester, spricht den Segen. Bunte Armbänder binden die Schutzgeister fest – auch an die KfW-Evaluierungsexpertin.

Fachkräfte sind in Laos rar

Zurück in Vientiane, wo alle Behörden und Geber versammelt sind, ist es Zeit, mehr über den Hintergrund der Berufsbildung zu erfahren. Es herrscht Fachkräftemangel in Laos. Thailänder beherrschen die Holzwirtschaft, Vietnamesen die Bauwirtschaft, und Chinesen sind überall präsent. Für die laotische Zukunft ist es deshalb wichtig, die eigenen Bürger besser auszubilden.

In Vientiane steht auch das Aushängeschild der laotisch-deutschen Zusammenarbeit, das renommierte Lao German Technical College. Hier wird – dem deutschen Berufsbildungsvorbild folgend – direkt mit Unternehmen kooperiert. Es gibt moderne Ausbildungsgänge wie Bergbau und Wasserkrafttechnik. Die Nachfrage nach Plätzen ist höher als das Angebot. Ganz ungetrübt war der Eindruck hier allerdings nicht. Die Müllentsorgung entsprach so gar nicht den Erwartungen. Es wurde versprochen, hier etwas zu verbessern.

Quelle
15. Evaluierungsbericht

Dieser Artikel ist dem 15. Evaluierungsbericht, erschienen im Juni 2019, entnommen. Der Bericht dokumentiert die Arbeit der Finanziellen Zusammenarbeit aus den Jahren 2017–2018.

Zur Ausgabe

Die Reise geht weiter, diesmal in den Süden. Dieser Flug wird nicht abgesagt. Hinter dem südlaotischen Hochplateau, wo auch der Kaffee des Schuldirektors aus Phonsavan wächst, besucht die Delegation weitere Berufsschulen. Wieder sind die Eindrücke positiv. Die zentralplanerische Steuerung der laotischen Berufsbildung überzeugt zwar nicht in jeder Hinsicht, aber es zeigt sich im Vergleich zu den Eindrücken im Jahr 2014 doch viel Gutes. Wirkung braucht eben Zeit und auch neue Ansätze. Viel Zeit für die Förderung der laotischen Berufsbildung bleibt der von der Berufsbildung in der DDR geprägten laotischen Generation nicht mehr – sie geht bald in Rente. Dann müssen die Absolventen der Berufsschulen das nun auch in Laos positive Image und neue Ansätze der Berufsbildung weitertragen.

Auf KfW Stories veröffentlicht am: Donnerstag, 6. Juni 2019