Unternehmerin bei einem Meeting
Unternehmen

Unternehmen

Frauen im Management

In Führungsetagen und an der Spitze deutscher Unternehmen sucht man Frauen oft vergebens. Sowohl national im Mittelstand als auch im internationalen Vergleich hat Deutschland großen Nachholbedarf. Die KfW-Ökonomen Dr. Jennifer Abel-Koch und Dr. Michael Schwartz sprechen über die Gründe für den Frauenmangel in Führungspositionen.

Zur Person
Jennifer Abel-Koch

Dr. Jennifer Abel-Koch ist seit 2014 KfW-Ökonomin. Der Schwerpunkt ihrer Studie liegt auf der Untersuchung von Frauen in Führungspositionen in Europa.

Frau Abel-Koch, Sie schreiben in Ihrer Studie über Frauen in Führungspositionen, dass Management in Europa meist männlich ist. Was heißt das konkret?

JENNIFER ABEL-KOCH: In der Europäischen Union sind weniger als ein Drittel der mittleren und höheren Führungspositionen mit Frauen besetzt. In größeren Unternehmen und in Spitzenpositionen ist der Frauenanteil noch geringer. Es gibt allerdings länderspezifische Unterschiede. Insbesondere in den skandinavischen und baltischen Ländern sowie in Osteuropa sind Frauen stärker im Management vertreten. Schwächer steht Deutschland da. Schlusslichter sind Italien und – erstaunlicherweise – Luxemburg.

Herr Schwartz, Sie haben in Ihrer Studie das Augenmerk auf Deutschland gelegt. Wie ist hier die aktuelle Lage?

MICHAEL SCHWARTZ: Wir bei KfW Research beobachten regelmäßig, wie sich der Frauenanteil an der Spitze der mittelständischen Unternehmen in Deutschland entwickelt. Und da sehen wir seit einigen Jahren sogar einen rückläufigen Trend, dass sich also trotz der positiven gesamtgesellschaftlichen Entwicklung immer weniger Frauen dafür entscheiden, ein kleines oder mittleres Unternehmen zu führen.

Zur Person
Michael Schwartz

Dr. Michael Schwartz ist seit 2012 KfW-Ökonom. Der Schwerpunkt seiner Studie liegt auf Frauen in den Chefetagen von mittelständischen Unternehmen in Deutschland.

Wie erklären Sie sich das?

SCHWARTZ: Es mag etwas paradox klingen, aber wir führen den negativen Trend weitgehend auf die hervorragende Lage am Arbeitsmarkt zurück, die wir seit ein paar Jahren in Deutschland haben. Im Zuge dessen ist die Erwerbsbeteiligung von Frauen deutlich stärker gestiegen als die der Männer. Gleichzeitig hat sich der Anteil von Frauen verringert, die sich selbstständig machen und das Risiko einer Existenzgründung eingehen. Eine Anstellung wird dann häufiger als sicherere und attraktivere Alternative in Betracht gezogen.

Denken Sie, dass in naher Zukunft mehr Frauen in Führungspositionen aufsteigen werden?

SCHWARTZ: Grundsätzlich steht ein Szenario, in dem Frauen künftig genauso häufig an der Spitze eines Unternehmens stehen wie Männer, noch vor vielen Hürden. Das hängt unter anderem mit traditionellen Rollenbildern zusammen. Ein ganz wesentlicher Punkt sind nach wie vor die oft fehlenden Möglichkeiten zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Denn Kinderbetreuung liegt noch immer meistens in den Händen der Frauen. Auch das trägt dazu bei, dass weniger Frauen in Chefsesseln sitzen.

ABEL-KOCH: Natürlich ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf wichtig. Doch obwohl die politischen Rahmenbedingungen dafür zum Beispiel in den USA deutlich schlechter sind als in vielen europäischen Ländern, gibt es dort einen viel höheren Frauenanteil. Das allein ist demnach nicht ausschlaggebend.

Welche Ansätze bewerten Sie als vielversprechend, um mehr Frauen den Wechsel in Führungspositionen zu ermöglichen?

ABEL-KOCH: Empirische Studien belegen, dass es einen signifikant höheren Frauenanteil gibt in Unternehmen, die Führung in Teilzeit, beispielsweise in einem Tandemmodell, anbieten. Das erfordert eine entsprechende Unternehmenskultur. Es gibt natürlich noch viele weitere Ansätze, am kontroversesten wird sicherlich über die Quote diskutiert. Sie könnte vielleicht letztlich einen Wandel in einer Unternehmenskultur herbeiführen, ist aber auch mit Schwierigkeiten verbunden. Ich sehe sie daher eher kritisch.

SCHWARTZ: Wandel ist ein langfristiger Prozess. Dass festgefahrene Rollenbilder sich verändern, braucht einfach Zeit. Man kann die Rahmenbedingungen setzen und dafür sorgen, dass alle Personen zumindest die gleichen Chancen haben. Es gibt keinen Grund, warum das nicht so sein sollte. Wenn wir uns die derzeitigen Inhaberinnen genauer anschauen, wird auch klar: Frauen sind im Durchschnitt besser ausgebildet als männliche Chefs. Sie haben beispielweise wesentlich häufiger einen Hochschulabschluss. An der Qualifikation kann es also nicht liegen, dass Frauen seltener ein Unternehmen führen.

Konnten Sie in Ihren Studien deutliche Unterschiede zwischen Großkonzernen und mittelständischen Unternehmen ausmachen?

ABEL-KOCH: Nicht für alle Länder gibt es vergleichbare Daten für kleine, mittlere und große Unternehmen. Aber tendenziell gilt: Je größer das Unternehmen und je höher die Führungsposition, desto geringer ist der Frauenanteil. Deutschland macht hier keine Ausnahme. Liegt der Anteil der Chefinnen im deutschen Mittelstand noch bei rund 15 Prozent, hat von den 30 größten börsennotierten Unternehmen hierzulande kein einziges einen weiblichen CEO. Der EU-Durchschnitt liegt ungefähr bei 6,5 Prozent. Das ist immer noch sehr wenig, aber immerhin nicht null.

SCHWARTZ: Auch innerhalb des deutschen Mittelstands gilt: Mit zunehmender Unternehmensgröße sinkt der Anteil an Frauen, die das Unternehmen lenken. Das hat auch wieder verschiedene Ursachen. Eine ist, dass sich Frauen selbst in kleinere Unternehmensstrukturen selektieren. Das dürfen wir nicht unterschätzen.

Wie ist das genau zu verstehen?

SCHWARTZ: Wir müssen uns die Branchen ansehen, in denen Frauen häufiger an der Unternehmensspitze stehen. Ungefähr ein Drittel aller frauengeführten Unternehmen sind im Bereich der persönlichen Dienstleistungen zu finden, also Pflege, Aus- und Weiterbildung, Kultur. Dann gibt es noch einmal ein Drittel unternehmensnahe Dienstleistungen, zum Beispiel Rechtsanwaltskanzleien, Architektur- und Ingenieurbüros, Finanzberatung und dergleichen. Das macht alleine schon zwei Drittel aus. Diese Unternehmen sind im Schnitt nicht besonders groß und wachsen tendenziell auch eher langsam. Auch das ist somit ein Grund dafür, dass Frauen seltener an der Spitze von größeren Unternehmen stehen.

Wer hat zurzeit die Nase vorn, wenn es um den Anteil an Frauen in Führungspositionen geht, der Mittelstand oder die Großunternehmen?

SCHWARTZ: Lediglich die Aufsichtsräte der börsennotierten Unternehmen erfüllen die vorgegebene Quote ganz knapp. Bei Vorstandsmitgliedern liegt der Anteil dagegen nur bei etwa acht Prozent. Das ist natürlich erheblich geringer, als wir das im Mittelstand sehen. Da sind die kleinen und mittelständischen Unternehmen in Deutschland schon deutlich weiter.

Auf KfW Stories veröffentlicht am: Donnerstag, 28. Februar 2019