Sarah Littek nimmt Preis auf der Bühne entgegen
KfW Capital Awards

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„Wir suchen nach großen Lösungen“

Manon Sarah Littek ist Co-Gründerin des Green Generation Fund und erste Gewinnerin des neuen KfW Capital Awards in der Kategorie Best Female Investor. Zum Best Impact Investor ist der Venture-Capital-Fonds Extantia Capital gekürt worden. KfW Stories traf Manon Sarah Littek und Sebastian Heitmann, Partner bei Extantia, um die jeweiligen Einsichten in den VC-Markt in Deutschland zu bekommen

Award-Gewinnerin Littek mit 2 weiteren Personen vor der Pressewand
Best Female Investor

v.l. Theresa Bardubitzki (Nachhaltigkeitsmanagerin KfW Capital), Dr. Manon Sarah Littek und Dr. Jörg Goschin (Geschäftsführer KfW Capital)

Frau Littek, Sie haben in diesem Sommer mit ihrer Geschäftspartnerin Janna Ensthaler den Green Generation Fund aufgelegt – mit einem Fondsvolumen von 100 Millionen Euro, was im Markt als großer Erfolg gewertet wurde. Wie sieht Ihr Investmentfokus aus?

MANON SARAH LITTEK Wir konzentrieren uns mit dem Green Generation Fund auf die Kategorien Food Tech und Green Tech. Das 1.5-Grad-Klimaziel werden wir nicht mehr erreichen und laut Experten ist das 2-Grad-Klimaziel bereits in Gefahr ohne Kurskorrektur. Auch im Bereich Ressourcenverbrauch und Biodiversität zeigt uns der Planet seine Grenzen auf. Wir müssen jetzt handeln. Wir sind davon überzeugt, dass Innovationen in den Bereichen Green Tech und Food hier maßgebliche Lösungen schaffen können und daher die wichtigsten Themen unserer Zeit sind. Unser Investmentfokus ist dabei stark von den Werdegängen von Janna Ensthaler und mir geprägt. Als Food-Investorin bin ich seit 2016 als General Partner aktiv und konnte durch meine Investitionen die Food Revolution in Europa und den USA von Anfang an mitgestalten. Daher liegt mein Investmentfokus auch künftig stark auf dem Agrifood Sektor im Bereich Advanced Alt Protein, Biomass- und Precision-Fermentation sowie Zellkultivierung und Food-as-a-Medicine. Janna Ensthaler war lange als Unternehmerin im klassischen Tech-Bereich tätig. Im Green Tech hat sie bisher vor allem in Plattform- und Software-Geschäftsmodelle investiert.

Dr. Manon Sarah Littek

ist KfW Capital Award Best Female Investor 2022. Littek hat an der FU Berlin promoviert und an der Universität Oxford studiert. Gemeinsam mit Seriengründerin Janna Ensthaler hat sie den Impact-Fonds Green Generation Fund gegründet, der nach einem überzeichneten ersten Closing bereits 100 Millionen Euro von über 30 Investoren eingesammelt hat. Der Green Generation Fund investiert frühphasig in Food-Tech- und Green-Tech-Start-ups. Littek ist Pionierin im Bereich Food Tech und seit 15 Jahren Lead-Investorin in Europa, den USA und Israel. Sie war CEO von Katjes Greenfood und Geschäftsführerin von DLD Ventures (Hubert Burda Media). Sie sitzt im Aufsichtsrat von Upfield, dem weltweit größten Unternehmen für pflanzliche Lebensmittel.

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Muss man heute noch Abstriche bei der Rendite hinnehmen, wenn man in Green Tech oder Food Tech investiert?

LITTEK Nein, im Gegenteil. Lösungen in Food Tech und Green Tech beeinflussen die entscheidendsten Ökosysteme unserer Zeit. Denken Sie an den Klimawandel, die Endlichkeit der natürlichen Ressourcen, aber auch an Lieferketten- und Ernährungssicherheit bei steigender Weltbevölkerung: Um hier positiv Einfluss zu nehmen, bedarf es extremer Fortschritte in beiden Bereichen. Im Gegensatz zu den meisten generalistischen Impact Funds investieren wir also fokussiert und erwarten Renditen vergleichbar mit den etablierten Tech Fonds. Das Interesse der Investoren ist hoch.

Sie investieren in Amerika, aber immer mit Blick auf Deutschland. Ihr Sitz ist in Berlin. Wie bewerten Sie die Gründerinnenszene in Deutschland – auch im Vergleich zu den USA und anderen Ländern?

LITTEK Im Food Tech gilt Deutschland international als Motor für Innovation und Fortschritt, was wir den starken Universitäten wie der TU München, der RWTH Aachen und Kooperationen mit Forschungsinstituten wie dem Fraunhofer Institut verdanken. Wir sehen gerade bei Deep Tech- und Bio Tech-Ansätzen frühphasig deutlich mehr Tiefe in der Entwicklung. Zudem hat sich hier eine starke Szene an Angel- und Frühphasen-Investoren etabliert. Im Vergleich zu Asien und den USA hinken wir kapitalseitig jedoch noch immer deutlich hinterher. Es mangelt in Deutschland noch immer an Wachstumskapital.

KfW Capital

KfW Capital zeichnet mit dem in diesem Jahr erstmals ausgelobten KfW Capital Award herausragende Persönlichkeiten aus dem Venture Capital (VC)-Ökosystem aus. Konkret prämiert KfW Capital mit dem KfW Capital Award Best Female Investor VC-Investorinnen, die u.a. erfolgreich in Start-ups und innovative Technologieunternehmen in Deutschland investieren. Beim KfW Capital Award Best Impact Investor liegt der Fokus auf Investorinnen und Investoren, die Impact als integralen Bestandteil ihrer Investmentstrategie festgelegt haben und u.a. in Start-ups und innovative Technologieunternehmen in Deutschland investieren.

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Sie interessieren sich schon seit Jahrzehnten für gesundes Essen, sind selbst Vegetarierin. Auch beruflich sind Sie fest mit dem Thema Food Tech verbunden. Warum haben Sie gerade dieses Thema zu Ihrem Beruf gemacht?

LITTEK Das stimmt: Ich habe mich schon als Kind für meine Ernährung interessiert und vieles hinterfragt. Als Vierjährige wurde ich zur Vegetarierin. Angefangen hat meine Überzeugung von rein pflanzlichen Produkten beim Thema Tierwohl, später ging es mir vor allem um einen gesunden Lebensstil, und dann kamen Themen wie Klima und Ernährung hinzu. Das erklärt meine Affinität. Als Investorin sehe ich, dass Food der größte Markt der Welt ist. Gleichzeitig wächst unsere Bevölkerung weiter, und wir sehen, dass die meisten Ressourcen auf unserer Erde irgendwann erschöpft sein werden. Es gibt in diesem Bereich viele spannende Innovationen und Technologien mit echtem Impact, die mein Interesse wecken, und ich bin von der rasanten Entwicklung der vergangenen Jahre und Monate begeistert.

Aus der Begründung der Jury

„Dr. Manon Sarah Littek bringt umfassende Investment- und Portfoliomanagement-Erfahrungen mit und hat über viele Jahre bewiesen, dass sie eine sehr erfolgreiche Investorin ist, der es immer wieder gelingt, hervorragende Geschäftsideen und Unternehmerpersönlichkeiten zu identifizieren. Seit über sechs Jahren investiert sie primär im Bereich Food Tech in Unternehmen, die den Fokus vor allem auf nachhaltigere und gesündere Ernährung legen und damit Konsumentenverhalten positiv transformieren.“

Können Sie uns erklären, was genau im Bereich Food Tech momentan besonders spannend ist?

LITTEK Ein großer Fokus im Markt liegt derzeit weiterhin – völlig zu Recht – auf alternativen Proteinquellen. Denn die Massentierhaltung und die traditionelle Landwirtschaft sind für ein Drittel der Klimakrise verantwortlich, sie verbrauchen 70 % des Frischwassers und 40 % des Landes. Bei steigender Weltbevölkerung von 8 auf 10 Milliarden Menschen werden wir die klassische Landwirtschaft massiv transformieren müssen, wenn wir alle ernähren und trotzdem den Planeten erhalten wollen. Die größten Hebel sind hierbei alternative Proteine, die nicht vom Tier stammen und eine Transformation in der Landwirtschaft in nachhaltiger und regenerativer Form. Unsere Portfolio Firma Neggst ist hier auch aktiv – und entwickelt das erste pflanzliche Ei mit Schale. Neggst ist übrigens ein Spin Out aus dem Fraunhofer Institut. Beim Thema New Protein gibt es auch spannende neue Technologieentwicklungen im Bereich Precision Fermentation und Mycelium. Milchproteine werden etwa in Stahlcontainer anstatt von Kühen durch Microorganismen als "Muttertier" hergestellt, wie bei unserer Portfoliofirma Change Foods. Diese Produktionsform bekommt in der Krise insbesondere starke Bedeutung, weil sie eine unabhängige regionale Lieferkette darstellt und gegen jeglichen Wettereinfluss resistent ist. Viele Staatsfonds im Mittleren Osten und Asien investieren gerade massiv in diesen Bereich. Ansonsten betrachte ich Themen wie Food-as-a-Medicine, Regenerative Landwirtschaft sowie Lösungen für die Bioökonomie als zentral für die nächsten Jahre.

Im Oktober haben Sie den KfW Capital Award „Best Female Investor“ erhalten. Was können Sie uns mit auf den Weg geben, wie man eine erfolgreiche Investorin wird?

LITTEK Ich lese sehr viel und sehr breit und bin generell ein neugieriger Mensch. Das ist wichtig, denn nur so bekommt man die nötige Marktkenntnis, um die heutigen Probleme und damit die Trends von morgen zu verstehen. Darum geht es als Investorin: Man muss ein gutes Gespür für künftige Entwicklungen haben, also die Geschäftsmodelle der Zukunft antizipieren. Außerdem benötigt man einen feinen Draht zu Menschen. Schließlich braucht man Durchhaltevermögen, gerade am Beginn der Karriere.

Award-Gewinner Heitmann und Weitere auf der Bühne
Best Impact Investor

v.l. Carola Ferstl (Moderatorin), Iris C. ten Have (Extantia Capital), Sebastian Heitmann (Extantia Capital) und Alexander Thees (Geschäftsführer KfW Capital)

Herr Heitmann, Sie investieren mit Extantia im Bereich Climate Tech. Wie sieht Ihr Investmentfokus aus?

SEBASTIAN HEITMANN Um einem klar definierten Nordstern zu folgen, rechnen wir unser Wirken in vermiedenes oder entzogenes CO2e um. Das „e“ steht hier für "äquivalent"; das ist dann wichtig, wenn andere Treibhausgase wie z.B. Methan das Ziel der Maßnahmen sind. Zwei Themen sind ausschlaggebend: Die Wirkung muss in einer gewissen Skala erzielt werden. Wir setzen uns zum Ziel, dass eine Technologie, in die wir investieren, das Potenzial haben muss, am Tag X mindestens 100 MT CO2e einzusparen oder zu entziehen. Das ist ambitioniert, wenn man bedenkt, dass Deutschland ca. 800MT/Jahr emittiert. Wir suchen also nach den großen Lösungen.

Der Zeitpunkt der Wirkung ist uns außerdem sehr wichtig: Wir müssen verhindern, dass gewisse Kipppunkte beim Klima erreicht werden, weil danach vieles sehr viel komplizierter und teurer ist. Wir gehen nach einem bekannten, aber etwas abgewandelten Prinzip vor. Wir nennen es den Zeitwert von CO2e. Eine Tonne CO2e, die wir heute vermeiden oder entziehen, ist deutlich mehr Wert, als wenn das im Jahr 2040 geschieht. Aus beiden Themen resultiert ein Investmentfokus, der viel Wert auf die Transformation bestehender Infrastrukturen legt.

Sebastian Heitmann

Der Sieger des KfW Capital Award Best Impact Investor ist der VC-Fonds Extantia Capital, dessen Name sich vom lateinischen Begriff existentia (Existenz) ableitet. Extantia Capital beteiligt sich ausschließlich an Start-ups, die mit ihrem Produkt einen signifikanten technologischen Beitrag zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes leisten. Dabei erwartet Extantia Capital als Impact-Fonds dieselben Renditen wie herkömmliche VC-Fonds. Zu seinem Team gehören drei weitere Partner und – seit diesem Jahr – auch eine Partnerin.

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Ein Blick in Ihr Portfolio: Was ist für Sie die innovativste Idee?

HEITMANN Schwierig zu entscheiden, da alle Firmen an sehr relevanten Themen arbeiten. Wenn ich die Frage dahin deuten darf, welche Firmen die potenziell größte Wirkung entfalten können, dann sind das Firmen, die an der Erschließung neuer Energiequellen arbeiten. Unser Grundproblem heute ist, dass nicht alle Elektronen im Netz gleich geschaffen wurden und wir heute eine mangelnde Verfügbarkeit von grundlastfähigen erneuerbaren Energiequellen haben. Zum Beispiel arbeitet unser Portfoliounternehmen „GA Drilling“ im Bereich der Geothermie und das Startup „Reversion“ im Bereich Biomasse/Biogas – beides Firmen, die mit sehr innovativer Technologie mehr grüne Elektronen ins Netz speisen wollen, immer dann, wenn die Sonne nicht scheint oder der Wind nicht weht.

Sie persönlich sind schon lange im Bereich Climate Tech unterwegs. Was hat sich am meisten im Umgang mit Investoren über die Jahre geändert?

HEITMANN Meine Beobachtung ist, dass eine neue Generation von Investoren zunehmend die Zügel in die Hand nimmt. Diese Generation ist mit dem Problem der Erderwärmung groß geworden und gewillt zu handeln. Hinzu kommt, dass es dank exzellenter Arbeit von Tausenden von Wissenschaftlern heute eine überwältigende Datenlage gibt, die keine anderen Rückschlüsse mehr zulässt. Gelingt es uns nicht, unseren Wohlstand vom CO2e-Konsum zu entkoppeln, bekommen wir ernsthafte Probleme.

Aus der Begründung der Jury

„Das Team von Extantia steht vollumfänglich hinter der Mission, die Dekarbonisierung voranzutreiben und damit den Klimawandel einzudämmen. Die persönliche und fachliche Erfahrung des Teams in den Bereichen Investments, Company Building und Portfoliomanagement sowie der Fokus auf Climate Tech und das Engagement von Extantia Capital im VC-Ökosystem zeigen, dass, ‚Impact‘ ein inhärenter Bestandteil ihrer Strategie ist. Extantia Capital hat herausragend demonstriert, dass sich Nachhaltigkeitsorientierung und Marktmäßigkeit nicht ausschließen, sondern gut miteinander harmonisieren und sich perspektivisch immer weiter bedingen.“

Deutschland als Investitionsort – wo sehen Sie die Stärken und wo die Schwächen?

HEITMANN Deutschland bietet im Bereich Climate Tech einen optimalen Nährboden. Mit der Vielzahl von technischen Universitäten und Instituten wie Leibniz, Helmholtz, Max-Planck oder Fraunhofer haben wir eine lange Tradition von Spitzenforschung im High Tech-Bereich. Auch in der Skalierung haben wir herausragende Firmen vom Mittelstand bis zum Dax-Konzern, die wissen, wie man Lösungen industrialisiert. Was uns bisher nicht ausreichend gelungen ist: dieses Wissen zu erfolgreichen kommerziellen Ausgründungen zu bringen. Die nächsten Amazons und Googles werden Climate Tech Unternehmen sein und Deutschland kann hier eine globale Vorreiterrolle einnehmen.

Ihr Team hat mit Extantia den KfW Capital Best Impact Investor erhalten – was macht Ihrer Meinung nach einen guten Impact-Fonds aus?

HEITMANN Transparenz und Messbarkeit sollten im Vordergrund stehen. Das Team sollte an der Erreichung der Wirkungsziele gemessen und vergütet werden. Am Ende sind es aber – wie so häufig – die einzelnen Teammitglieder und die Motivation eines jeden einzelnen, die den Ausschlag geben. Wir versuchen, beim Thema mit wenig Ideologie und einer guten Prise Pragmatismus zu agieren. Verbote und Einschränkungen sind auf globalen Level nicht effektiv genug. Unsere Rolle ist es, neuen Technologien beim Durchbruch zu helfen und bestehenden Industrien bei der Transformation den notwendigen Impuls zu geben.

Veröffentlicht auf KfW Stories am 10. November 2022.