Thomas Koch, DEG
Klimaschutz

Klimaschutz

Von einem, der vorangeht

Der Klimawandel verlangt sofortiges Handeln. DEG-Mitarbeiter Thomas Koch hat für sich Konsequenzen gezogen und seinen CO₂-Fußabdruck auf ein Minimum reduziert. Wie hat er das hinbekommen? Ein Hausbesuch.

Thomas Koch, DEG

Thomas Koch vor seinem Haus in Bonn. Auf dem Dach Solarpanels, unterm Rasen die Geothermieanlage, in seinen Händen das Tablet, mit dem er Energieerzeugung und -verbrauch kontrolliert.

Das Panorama aus dem Wohnzimmerfenster beeindruckt. Von hier oben blickt Thomas Koch über einen Wald am Rande des Siebengebirges, auf das Rheintal, auf die ehemalige Bundeshauptstadt. Und auf die Klimakatastrophe. Es wäre einfach, sich dem Idyll hinzugeben. Aber Thomas Koch macht sich nichts mehr vor.

„Wir schauen in nordwestliche Richtung.“ Er deutet auf den Horizont. Dort raucht das Kohlekraftwerk Garzweiler, bedient aus den klaffenden Löchern des rheinischen Reviers. Dort ist auch der Hambacher Forst, umkämpftes Symbol. „Ich weiß das alles“, sagt Thomas Koch, „und ich finde nicht in Ordnung, was da passiert.“

Der 60 Jahre alte Thomas Koch mag beruflich langsam dem Ruhestand entgegengehen – doch er hat sich nicht eingenistet. Seit einigen Jahren sind er und seine Frau Claudia damit beschäftigt, ihren Lebensstil von Grund auf umzubauen. Der Volkswirt reist seit Langem um die Welt, er ist Abteilungsdirektor für strategische Projekte bei der KfW-Tochter Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft (DEG) in Köln.

„Ich habe so viele dramatische Folgen des Klimawandels gesehen, die wir hier in Europa noch gar nicht richtig begriffen haben“, sagt Koch.

Das war der Ansporn, das eigene Handeln zu ändern. Stromerzeugung, Heizen, Pendeln, all das haben die beiden umgestellt. Koch ist ein freundlicher Mann, er trägt ein blau kariertes Hemd und einen Pullover über den Schultern, seine Stimme ist klar und ruhig. Den Besuch empfängt er schon draußen in der Einfahrt des 1965 fertiggestellten Einfamilienhauses in Bonn-Holzlar. Ein paar Meter weiter steht der schwarze VW e-Golf, mit dem vor etwa fünf Jahren die Reise in sein neues Leben begann. Der Elektro-Pkw hat mehr als 100.000 Kilometer auf dem Tacho.

„Ich war einer von denen, die man im Marketingchinesisch als Early Adopter bezeichnet“, sagt Koch, „inzwischen kann ich sagen: So ein Auto funktioniert wirklich.“ Er müsse nie wieder an einer Tankstelle anhalten. Das habe sein Leben verbessert.

Denn das Verbrennen fossiler Energie gehört in jenes Katastrophenbild, das sich die Kochs beim Besuch am Tagebau Hambach selbst vor Augen geführt haben – und das Thomas Koch erlebt, wo er zum Prüfen von Projektfinanzierungen war. Er erzählt von den veränderten Klimaphänomenen El Niño oder La Niña in Peru und Kolumbien, die unvorhersehbar und härter zuschlagen als früher; von versalzten Böden, die der steigende Meeresspiegel in Bangladesch hinterlässt und die Millionen Menschen die Lebensgrundlage entziehen; von der Dürre in Tansania, die Kleinbauern aus ihrer Heimat vertreibt – und so auch ein Projekt für erneuerbare Energie in Schieflage brachte. „Ich habe einige der Top-Ten-Länder des Klimawandels gesehen, so etwas packt einen und lässt einen nicht mehr los.“

Vom Elektroauto zur Photovoltaikanlage

Die Kochs leben gut. Es ist etwa 20 Grad warm, als sie am Holztisch in ihrer offenen Küche zum Gespräch Platz nehmen, draußen regnet es, drinnen ist es hell, und der Kaffee kommt aus einer nur Kompost hinterlassenden Maschine, die gerade den Kapselautomaten ersetzt hat. „Wir gehen Schritt für Schritt“, sagt Claudia Koch, die inzwischen auch ein E-Bike hat, um bei erträglichem Wetter die etwa elf Kilometer zu ihrem Arbeitgeber in die Bonner Innenstadt zu pendeln. Die beiden beschreiben es so: Das Bewusstsein erwacht, mehr und mehr wird infrage gestellt, man ändert Dinge.

„Es bleiben immer offene Baustellen“, sagt Claudia Koch. Sie essen saisonales Gemüse aus dem Garten, Biofleisch vom Bauern – aber eben auch „in der Stadt manchmal Currywurst“. Thomas Koch sagt das mit kleinlautem Ton. Er macht sein schlechtes Gewissen transparent. Zum Konsumverzicht möchte er allerdings nicht anregen:

„Als Entwicklungsbanker habe ich ein Störgefühl, wenn man das lokale Einkommen der Menschen gefährdet und etwa auf Kaffee oder Avocados vollständig verzichtet.“ Die Frage sei immer, wie nachhaltig gewirtschaftet wird.

Die Dinge sind komplex. Verzicht alleine ist keine Lösung, so scheint es aus dem Lebenswandel der Kochs hervor. Sein Leben ändern muss man schon. Das ging beim Renovieren los, bevor die Familie 2011 einzog. Die Schritte wirken unspektakulär: Solaranlage für die Heizungsunterstützung auf dem Dach, Dreifachverglasung, Dachisolierung, Wärmedämmverbundsystem. Als der e-Golf dann in der Garageneinfahrt stand, war es Zeit für den nächsten Schritt: eine Photovoltaikanlage. 91 Module sind dort seit 2015 verbaut, modernste Digital-Monitoring-Technik aus Israel.

Stromversorgung bei Thomas Koch

Mit ihrer Lebensweise erzeugen die Kochs oft mehr Strom als sie verbrauchen - besonders im Sommer.

Nicht nur in der Ferne, auch in der Heimatstadt hatte Thomas Koch ein Aha-Erlebnis. Das war Ende 2017, als die Weltklimakonferenz COP 23 in Bonn tagte. Damals gastierte ein Klimaaktivist aus Guinea bei den Kochs. Er machte den Bonner Banker zum Mitglied der Delegation seines Landes. Koch betrachtete das diplomatische Treiben im Plenum und wirkt noch heute bestürzt.

„Ich hatte den Eindruck, dass sich unter den Regierungen niemand wirklich an die Klimavereinbarungen hält.“

Während der Gast aus Guinea das Solarkraftwerk auf Kochs Dach bewunderte, dachte der Mann mit dem kurzen grauen Haar an seine Leiche im Keller: die Ölheizung, mit der er Jahr für Jahr 3.000 Liter verbrannte. Koch ließ Expertengutachten anfertigen und in seinem Vorgarten bohren. Die Nachbarn scherzten: „Bohrt ihr nach Öl?“ Aber nichts lag Koch ferner. Seit 2018 betreibt die Familie nun eine Erdwärmepumpe, die an kalten Tagen anspringt und komprimierte Wärme abgibt.

Thomas Koch hat Spaß an der Technik. Er führt durch den Keller, zeigt die Batterie, Zweirichtungszähler, Wasserleitungen, Pumpen und Regler. Insgesamt, so berechnete der Hauseigentümer, werden im Vergleich zur alten Technik mit der Kombination Photovoltaik, Erdwärme und E-Mobilität elf Tonnen Kohlenstoffemissionen pro Jahr vermieden – eine enorme Menge. Koch zeigt auf iPad und Laptop. Wie sieht die Stromerzeugung aktuell aus? Es regnet, es ist kalt, es ist grau, aber immerhin, vom Dach kommen in diesem Moment gut 200 Watt, genug für Kühlschrank und das Licht im Haus. Er zeigt die App seiner Heizung, über die er für jedes Zimmer die Temperatur in Echtzeit sieht und regulieren kann. Kochs nächste Idee: ein kleines Windkraftwerk auf dem Dach. Er fragt die elektronische Assistentin: „Wie ist der Wind?“ Eine App meldet: 0,6 Meter pro Sekunde, heute ziemlich mau.

„Zero Emission“-Haushalt

Thomas Koch und seine Frau auf dem Fahrrad

Claudia und Thomas Koch lassen das Auto gern stehen und fahren mit ihrem Tandem zum nahegelegenen Biomarkt.

Schritt für Schritt haben es die Kochs geschafft, sich immer unabhängiger vom Netz zu machen: Ihre Autarkie-Quote, so heißt das, beträgt über 60 Prozent für den gesamten Zero Emission-Haushalt inklusive Elektroauto. Oft liefern sie mehr Strom, als sie verbrauchen. Doch gerade im Winter, wenn die Heizung Strom für die Wärmepumpe braucht, fehlt Sonnenkraft. Dafür könnte Wind eine Lösung sein, sagt Koch. Er erfasst seit Anfang 2019 die Winddaten – noch 2020 möchte er entscheiden.

Koch ist Finanzmensch, Analytiker. Er weiß, dass man für den Klimaschutz Geld braucht. Die Investitionen habe er sauber durchgerechnet. Für das Solardach waren es etwa 20.000 Euro, 6.000 aus eigenen Ersparnissen, der Rest aus Darlehen und einem Tilgungszuschuss. Die Wärmepumpe bedeutete ein Investment von 30.000 Euro, allein 10.000 für das Bohren – die Kochs brachten ein Drittel Eigenkapital ein, nahmen Darlehen auf und profitierten von Fördermitteln. Beide Investments, sagt Koch ohne Zweifel, lohnen sich. Er spricht als Kraftwerksunternehmer von sieben bis neun Prozent Rentabilität pro Jahr über die gesamte Nutzungsdauer der Anlagen.

„Aber das Wichtigste ist, dass ich ein gutes Gefühl habe. Das ist unbezahlbar.“

Thomas und Claudia Koch sind weder Asketen noch Heilige. Die Klimabilanz ließe sich weiter verbessern: Die beruflichen Langstreckenflüge bedeuten enorme CO₂-Ausstöße, die jedoch der Arbeitgeber in Klimaschutzprojekten kompensieren lässt. Auch ihre Urlaubsflüge gleichen die Kochs inzwischen über Atmosfair-Zertifikate aus. Früher ging es allerdings regelmäßig zu den Marathons von New York, Boston oder Peking. 24-mal lief Thomas Koch die 42,19 Kilometer. Dabei hinterließ er einiges an Klimaspuren, die ihn heute nachdenklich stimmen. Aber beim Laufen lernte er auch, was es bedeutet, auf lange Sicht durchzuhalten.

Die Kochs machen sich nichts vor. Der Klimawandel ist unabwendbar. Die Politik stecke in alten Fängen, geprägt von Interessen und Traditionen.

„Es wird noch dauern, bis das Umdenken in den Köpfen der Menschen ankommt“, glaubt Thomas Koch, zumal es Deutschland klimatisch weniger hart treffen dürfte.

Aber die Folgen werden global sein, und Koch fordert entsprechende Regeln, etwa deutlich höhere Emissionspreise. Doch er weiß auch: Die Politik wird langsamer sein, als sie sein sollte. Also stecken die Kochs Freunde und Nachbarn an, die sich für die Batterie im Keller oder die Photovoltaikmodule auf dem Dach interessieren. Thomas Koch denkt an seinen Sohn und an dessen mögliche Kinder, deren Zukunft er nicht verbauen möchte. Und er denkt an den Bürgerverein in Bonn-Roleber. Dort hat man ihn zur Jahreshauptversammlung eingeladen, damit er seinen Weg erklärt. Er hat natürlich sofort zugesagt. Koch wird vom dringend notwendigen Klimaschutz sprechen, ruhig, geduldig, überzeugend. Und man wird merken: Er hat Spaß daran.

Auf KfW Stories veröffentlicht am 6. September 2021.

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Alle Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen verabschiedeten im Jahr 2015 die Agenda 2030. Ihr Herzstück ist ein Katalog mit 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung, den Sustainable Development Goals (SDGs). Unsere Welt soll sich in einen Ort verwandeln, an dem Menschen ökologisch verträglich, sozial gerecht und wirtschaftlich leistungsfähig in Frieden miteinander leben können.