Zwei junge Stuttgarter Familien krempelten mit viel Elan einen abbruchreifen Altbau um und machten aus drei dunklen Wohnungen zwei offene Haushälften voller Licht. Damit errangen sie den ersten Preis in der Kategorie Bestand beim KfW Award Bauen 2020.
Video: Wie zwei Familien in Stuttgart ein in die Jahre gekommenes Haus aus dem Dornröschenschlaf erweckt haben (KfW Bankengruppe/n-tv).
Das Haus war, untypisch für die sonst begehrten Stuttgarter Halbhöhenlagen, ein Ladenhüter. Von Gestrüpp zugewuchert, stand es jahrelang leer. „Wir konnten noch nicht einmal hingehen, so verwildert war der Hang“, erzählt Maria Frey. Mit Theresa Roth, einer Spielplatzbekanntschaft, war sie schon länger auf der Suche nach einer größeren Bleibe für ihre Familien. Mit Mitte dreißig wohnten sie zur Miete ohne Garten, und jede hatte zwei kleine Kinder. Jetzt taten sie sich zusammen und weckten das alte Haus auf.
200 Tonnen Schutt trugen die Familien den Hang hinab. Jeder half mit, auch die Kinder. „Das macht man nur einmal im Leben“, meint Philippe Frey, Marias Mann. Ganze Wände, die Schlackefüllung der Decken, alles musste heraus. Öffnungen wurden versetzt oder vergrößert. Am Ende stand das Haus auf einem Wald aus provisorischen Stützen. Der Garten, so stellte sich heraus, war ein alter Weinberg mit Mauern und Treppen. „Alles war schon da. Wir mussten es nur freilegen“, schwärmt Maria Frey.
Eiche Natur und alter Besenstrichputz
Als Architekten hatten die Freys gerade ihr eigenes Büro gegründet, „unten“ in der Stadt, zu Fuß nur fünf Minuten von hier. Wohnhäuser, schlicht und hell, sind ihre Kernkompetenz. Für sich selbst machten sie aus zuvor drei Wohnungen im Haus zwei Hälften, eine zum Tal, die andere zum Berg orientiert. Die neue Trennwand trägt die Treppen, die aus massivem Holz sind und fast wie eine Skulptur wirken. Unten im Erdgeschoss wird offen gewohnt, die Kinderzimmer liegen in der Mitte, und oben unterm alten Dachgebälk schlafen die Eltern. Rings ums Haus gibt es Terrassen und Decks, mal sonnig, mal im Schatten erhalten gebliebener alter Bäume.
Die beiden Hälften sind im Grundriss weitgehend gleich, nur eben gespiegelt. Und in der Materialwahl gibt es feine Unterschiede: Bei Freys gibt es zum Beispiel Fließestrich, bei Roths Parkett. Eiche, sogar an den Fenstern naturbelassen, steht in beiden Einheiten im Kontrast zu weißem Putz, der außen wie früher mit dem Besen bearbeitet wurde. „Es sollte nicht wie ein Neubau aussehen“, erläutern die Architekten. Das Dach ist deshalb wie bei den Nachbarhäusern aus der Gründerzeit auch mit roten Biberschwanzziegeln gedeckt, die Solaranlage unauffällig integriert. Gemeinsam betreiben die Bauherren eine Gasbrennwerttherme.
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Das Grundstück, auf dem das preisgekrönte Gebäude steht, ist ein alter Weinberg. Mauern und Treppen waren bereits angelegt und sind zur Freude der Familien beim Roden der Büsche wieder zum Vorschein gekommen.
Im Sockel gibt es noch Reserven. Das ist auch gut so, denn, kaum war der Umbau fertig, wurden beide Frauen nochmals schwanger, und aus Familien mit jeweils zwei Kindern wurden Familien mit jeweils drei Kindern. Zu Corona-Zeiten waren alle froh über diesen friedlichen Ort und halfen einander: „Wir sind gerade wie ein Haushalt.“ Die Kids flitzen fröhlich durch den großen Wiesengarten und haben ein Baumhaus am oberen Ende des Hangs, selbst gezimmert. Von dort geht der Blick über die Dächer des Stadtteils Heslach. Stuttgart sei wie ein großes Dorf, heißt es ja. Hier stimmt das vollkommen.
Das Projekt in Stichworten
Projekt: Umbau eines Mehrfamilienhauses zu einem Doppelhaus
Lage: 70199 Stuttgart
Baujahr: 1938/2018
Bauherren: Familien Frey und Roth
Architekten und Energieberater: Frey Architekten, Stuttgart
Wohnfläche: 270 Quadratmeter
Grundstück: 990 Quadratmeter
Qualitäten für die Bewohner: Stadtnahes, familiengerechtes Wohnen mit Garten
Qualitäten für die Gesellschaft: Freilegen und Beleben eines historischen Haustyps, kein Flächenverbrauch
Energiesparen: Wiederverwendung alter Bausubstanz, natürliche Materialien
KfW-Förderung: Sanierung EBS, KfW 100
KfW-Standard: Effizienzhaus 100
Auf KfW Stories veröffentlicht am 3. Juli 2020.
Zu diesen Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen leistet das dargestellte Projekt einen Beitrag
Ziel 11: Nachhaltige Städte und Siedlungen
Schon heute lebt mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung in Städten. Doch Städte heizen die Erderwärmung an. Sie sind für jeweils rund 70 Prozent des Energieverbrauchs und der energiebezogenen Treibhausgasemissionen verantwortlich. Dichter Verkehr, intensive Bautätigkeit bei gleichzeitig starker Zersiedelung, hoher Energiebedarf und enorme Mengen an Müll und Abwässern: In den Städten trifft alles aufeinander. Ihre große Dichte macht Städte aber auch zum idealen Ansatzpunkt beim Kampf gegen den Klimawandel. Denn sie können in großem Maßstab Ressourcen schonen und Nachhaltigkeit vorleben, etwa dank flächensparender und kompakter Stadtstrukturen, emissionsarmer Verkehrssysteme, energieeffizienter Gebäude und einer geregelten Abfallentsorgung. Quelle: www.17ziele.de
Alle Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen verabschiedeten im Jahr 2015 die Agenda 2030. Ihr Herzstück ist ein Katalog mit 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung, den Sustainable Development Goals (SDGs). Unsere Welt soll sich in einen Ort verwandeln, an dem Menschen ökologisch verträglich, sozial gerecht und wirtschaftlich leistungsfähig in Frieden miteinander leben können.
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