KfW Award Bauen 2018 – Wohnstätte der Lebenshilfe in Berlin
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Gebaute Lebenshilfe

Eine Wohnstätte in Berlin bietet 40 Behinderten ein angenehmes, anregendes Leben – mit guter Gestaltung, durchdachter Ausstattung und einem vielfältigen Gartenraum. Porträt des Drittplatzierten beim KfW Award Bauen 2018 – Neubau.

Neue Wohnstätte der Lebenshilfe

40 Menschen mit Behinderung bekamen ein neues Zuhause in Berlin-Lichtenfelde (KfW Bankengruppe/n-tv).

Dirk Munsonius, 45, hat jetzt endlich ein Zimmer mit ausreichend Platz für seine kleine Modellbahn, für ein Regal mit Waggon-Modellen und – passenderweise – mit Blick auf eine echte ICE-Strecke, wo die Züge hinter einer halbhohen Schallschutzwand leise vorbeirauschen. Munsonius kann alle Zugtypen aufzählen, sitzt gern auf dem nahe gelegenen Regionalbahnhof und beschwert sich laut, wenn eine Bahn mal Verspätung hat. Doch bald kehrt er zurück ins Heim und freut sich über seine neue Umgebung: „Das Haus ist so schön gebaut.“

Munsonius ist einer von 40 Menschen, die in der Wohnstätte Brauerstraße der Lebenshilfe gGmbH Berlin eingezogen sind. Die meisten sind geistig und mehrfach behindert. In der Brauerstraße können diese Menschen ein würdiges, im Rahmen ihrer Möglichkeiten selbstständiges und anregendes Leben führen – in einem freundlichen und lichten Ensemble aus zwei Häusern im Grünen, aber nahe dem Stadtteilzentrum rund um den Kranoldplatz. Gruppen von vier bis sechs Bewohnern haben jeweils Einzelzimmer mit privaten Bädern und einen gemütlichen Gemeinschaftsraum mit Küche. Betreuer sind rund um die Uhr im Haus und – wenn nötig – direkt in den Gruppen präsent.

„Für die Bewohner und Betreuer ist das Haus eine riesige Verbesserung“, freut sich Ines Schrage, Projektleiterin bei der Lebenshilfe. „Früher lebten sie in einer maroden, für unsere Zwecke ziemlich unpraktischen alten Villa. Jetzt genießen hier alle ein echtes Wohlfühl-Ambiente.“ Luxus? Nein, eine Selbstverständlichkeit: „Nicht wenige unserer Bewohner werden einen großen Teil ihres Lebens in dieser Wohnstätte verbringen. Darum ist eine architektonische und gestalterische Qualität von besonderer Bedeutung.“

Dafür sorgte als Sieger eines Wettbewerbs das Berliner Architekturbüro „urbane prozesse“. „Es war manchmal ziemlich knifflig. Wir wollten einerseits Raum für möglichst viele Menschen schaffen, andererseits aber den lockeren, großzügigen Vorstadtcharakter der Umgebung bewahren“, sagt der Büro-Mitinhaber Daniel Dickmann. Das schafften die Architekten mit zwei Gebäuden, die frei, aber nahe beieinander auf einer Rasenfläche stehen und die so geschickt gegliedert sind, dass nirgendwo das Gefühl von Enge entsteht. Dazu tragen auch die hellen Fassadenklinker bei, die nicht nur hochwertig aussehen und pflegeleicht sind, sondern sich auch beim Berühren angenehm anfühlen.

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Zum Gelingen habe auch das Bauamt beigetragen, lobt Dickmann: „Es hat die Grenzen des Erlaubten ziemlich großzügig ausgelegt.“ Und Wohnstättenleiter Dirk Wiesner hat etwas erlebt, das bei solchen Einrichtungen keineswegs selbstverständlich ist: „Die Nachbarn habe das Vorhaben begrüßt. Sie tolerieren, dass unsere Bewohner auch mal etwas lauter sein können. Eine Dame von nebenan hat mir neulich sogar erzählt, dass sie immer wieder mit Bewohnern so nette Abendgespräche führt.“

Mit geschickt geplanten Grundrissen haben es die Architekten geschafft, dass alle Bewohner Bäder mit Tageslicht haben. Es fällt durch kleine Fenster mit Lochblechen, durch die Aus-, aber kaum Einblick möglich ist. Jedes Zimmer hat eine bodentiefe verglaste Außentür – vom Erdgeschoss führt sie direkt in den Garten, in den oberen Etagen ist sie durch ein Gitter gesichert. Für Balkone war nach den Bauvorschriften zu wenig Freiraum zwischen den Häusern und zu den Nachbarn.

Die Fläche zwischen den Häusern ist kein Verlegenheits-Rasen, im Planerdeutsch „Abstandsgrün“ genannt, sondern eine einladende Freifläche, auf der Bewohner und Betreuer Fußball spielen, in einem Strandkobrb sitzen, grillen und in Hochbeeten Erdbeeren oder Kürbisse ziehen. Apfelbäume laden im Herbst zur Ernte ein. Und auch Rollstuhl-Benutzer können sich auf Wegen und Plätzen frei bewegen.

Das Projekt in Stichworten

Quelle
Cover Bauen & Wohnen 2018

Dieser Artikel ist erschienen in bauen + wohnen 2018.

Zur Ausgabe

Projekt: Wohnstätte und inklusives Wohnen für geistig und mehrfach Behinderte
Lage: Brauerstr. 2–3, Berlin-Lichterfelde
Baujahr: 2016
Bauherren: Lebenshilfe gGmbH Berlin
Architekten: büro urbane prozesse, Berlin
Fläche Grundstück: 3.136 m²
Gruppenwohnungen: 8, Bewohner 40
Baukosten/m²: 1.100 € (KG 300, 400)
Qualitäten für die Bewohner: Großzügiges gemeinschatliches Wohnen Behinderter nahe einem Stadteilzentrum Berlins
Qualitäten für die Gesellschaft : Ansehnliche, den grünen Villenvorort bereichernde moderne Architektur
Energiesparen: Blockheizkraftwerk, hoher Dämmstandard
Barrierefreiheit: Freiraum, Wohnhäuser, Zimmer und Bäder barrierefrei

Auf KfW Stories veröffentlicht am: Mittwoch, 6. Juni 2018

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Alle Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen verabschiedeten im Jahr 2015 die Agenda 2030. Ihr Herzstück ist ein Katalog mit 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung, den Sustainable Development Goals (SDGs). Unsere Welt soll sich in einen Ort verwandeln, an dem Menschen ökologisch verträglich, sozial gerecht und wirtschaftlich leistungsfähig in Frieden miteinander leben können.