Katharina Herrmann
Inlandsförderung

Inlandsförderung

"Der Wohnungsmarkt muss sich nachhaltiger aufstellen."

KfW-Inlandsvorständin Katharina Herrmann über gestiegene Bauzinsen, klimafreundliche Neubauförderung und den Wohnungssektor der Zukunft.

Wie blicken Sie auf die aktuellen Entwicklungen im Wohnungsmarkt?

KATHARINA HERRMANN Es ist offensichtlich, dass das Marktumfeld heute deutlich herausfordernder ist als in den vergangenen Jahren. Die stark gestiegenen Bauzinsen und Baukosten sowie Lieferkettenprobleme hinterlassen tiefe Spuren im Wohnungsbau. So liegen die Baugenehmigungen rund 30% unter dem Vorjahresniveau. Die Situation wird dadurch verschärft, dass die Nachfrage nach Wohnungen das Angebot deutlich übersteigt. Sowohl der Wohnungsbau als auch die Sanierungsquote bleiben hinter den gesteckten Zielen zurück. Experten rechnen mit rund 700.000 fehlenden Wohneinheiten. Deshalb ist es wichtig, dass zügigneuer Wohnraum geschaffen wird. Dafür gibt es erste positive Signale: Der Anstieg der Baupreise scheint sich abzuschwächen; die Immobilienpreise waren zuletzt wieder etwas moderater. Es gibt aber noch keinen Grund aufzuatmen.

Wie bringen wir den Gebäudesektor auf den Pfad der Klimaneutralität und sorgen gleichzeitig dafür, dass Wohnen bezahlbar bleibt?

Der Wohnungsmarkt steht vor der großen Aufgabe, sich nachhaltiger aufzustellen. Die Klimaziele im Gebäudebereich sind bislang verfehlt worden. Deshalb braucht es klare Nachhaltigkeitsstandards für die Branche, flankiert durch Unterstützung, die dafür sorgt, dass klimafreundliches Bauen kein Luxus ist. Die Anfang 2023 neu aufgestellte Neubauförderung von Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen und KfW war hier ein wichtiger und richtiger Schritt. Aber dabei soll es nicht bleiben. Wir stehen in ständigem Austausch mit der Politik, unseren Finanzierungspartnern sowie Vertretern der Baubranche, um weitere wichtige Hebel zu identifizieren. Ein Ansatz könnte zum Beispiel die Umwandlung von ungenutztenBüroflächen in Wohnraum sein.

Katharina Herrmann
Portrait der KfW-Vorständin Katharina Herrmann

ist seit April 2023 im KfW-Vorstand für die Inlandsförderung zuständig.

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Mit welchen Instrumenten kann die KfW als Förderbank bei den Herausforderungen unterstützen und wo ist die Politik gefragt?

Grundsätzlich bestimmt die Politik die Zielrichtung und Rahmenbedingungen und unterstützt gewünschte Entwicklungen mit verschiedenen Maßnahmen. Die KfW-Förderung ist dabei ein wichtiger Baustein. Unser Job ist es, für die politischen Ziele marktgängige Finanzinstrumente zu schaffen. Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten der Förderung, um die verschiedenen Kundenbedürfnisse abzudecken, zum Beispiel Förderkredite, die wir über unsere Finanzierungspartner ausgeben: Dabei geben wir zusätzlich Zinsvorteile aus eigenen Mitteln weiter, hebeln Haushaltsmittel und setzen somit Anreize für nachhaltige Investitionen. Eine weitere Option sind Investitionszuschüsse, zum Beispiel für Maßnahmen zur Barrierereduzierung an Wohngebäuden, damit Menschen länger in ihren eigenen vier Wänden bleiben können. Wir verstehen unsere Rolle auch als Beraterin der Bundesministerien, wobei der Fokus immer auf der Frage liegt, wie wir knappe Fördermittel am wirkungsvollsten einsetzen können.

Im ersten Halbjahr 2023 hat die KfW mit den Programmen „Klimafreundlicher Neubau“ und „Wohneigentum für Familien“ ihr Angebot im Bereich der Neubauförderung weiterentwickelt. Beide Programme sind an noch anspruchsvollere Nachhaltigkeitskriterien geknüpft. Welche Ziele stehen dahinter?

Deutschland hat sich verpflichtet, bis 2045 klimaneutral zu werden, deshalb muss sich auch der Wohnungsmarkt nachhaltiger aufstellen.Der KfW wurde die Aufgabe übertragen, die Neubauförderung auf besonders klimafreundliche Gebäude zu fokussieren, dem haben wir mit unserer Neuaufstellung Rechnung getragen: Im Programm „Klimafreundlicher Neubau“, der für alle Investoren offen ist, liegt der Fokus erstmals auf CO2-Emissionen im gesamten Lebenszyklus des Gebäudes. Seit Juni gibt es eine ergänzende Förderung für Familien mit Kindern und geringem oder mittlerem Einkommen, die ebenfalls auf hohe Nachhaltigkeitsstandards ausgerichtet ist. Mit der neuen Förderung unterstützen wir die Schaffung von Wohnraum, der sowohl nachhaltig als auch bezahlbar ist.

Wie bewerten Sie den Erfolg nach den ersten Monaten?

Trotz des sehr schwierigen Marktumfelds wird das Programm „Klimafreundlicher Neubau“ seit Programmstart gut nachgefragt. Per 31.08.2023 wurden 9.300 Darlehen in Höhe von 3,6 Mrd. EUR zugesagt – für 23.200 Wohneinheiten. Sehr positiv dabei ist, dass rund 40 Prozent der Wohneinheiten im ambitioniertesten Standard „mit QNG-Nachhaltigkeitssiegel“ gefördert werden. Demgegenüber ist die Nachfrage im Programm „Wohneigentum für Familien“ aktuell noch verhalten.

Die KfW fördert

Für neue Häuser und Eigentumswohnungen stehen ebenso Fördermittel der KfW zur Verfügung wie bei bereits bestehenden Immobilien.

Zur Förderung der KfW

Wenn sich nicht alle Herausforderungen mit Fördermitteln bewältigen lassen: Welche innovativen Ansätze gibt es aus Ihrer Sicht noch, die schwierige Lage auf dem Wohnungsmarkt zu entspannen?

Es wird nicht möglich sein, den erforderlichen nachhaltigen Wohnraum komplett durch Haushaltsmittel zu finanzieren. Daher braucht es einerseits eine gezielte und effiziente Förderung und andererseits innovative Konzepte, um mit der veränderten Lage bestmöglich umzugehen. Eine solche Innovation ist zum Beispiel das Recycling von Baumaterial, wie es etwa das junge Stuttgarter Unternehmen Concular praktiziert, oder das serielle Sanieren mit modular vorgefertigten Elementen. Darüber hinaus nutzen wir unsere Expertise, um abseits des klassischen Bankengeschäfts innovative Lösungswege zu entwickeln. Ein Beispiel sind Beratungstools wie der KfW-Sanierungsrechner, den wir gerade erfolgreich mit zwei Finanzierungspartnern pilotiert haben.

Wie sieht Ihrer Meinung nach der Wohnungssektor der Zukunft aus?

Aus meiner Sicht ist dieser durch drei wesentliche Merkmale gekennzeichnet: Klimafreundlich, sozial und innovativ. Mit „klimafreundlich“ meine ich, dass das Bauen und Sanieren der Zukunft mit deutlich weniger Ressourcen und ohne Emissionen auskommt und nachhaltige Materialien nutzt. Unter „sozial“ verstehe ich ein angemessenes und bezahlbares Wohnraumangebot für alle Menschen in Deutschland. „Innovativ“ wird der Wohnsektor unter anderem durch die Vernetzung und Automatisierung, mit der wir in Zukunft Energie sparen und zugleich unseren Komfort zu Hause und auf der Arbeit steigern.

Auf KfW Stories veröffentlicht am 6. November 2023.