Dr. Jörg Goschin und Alexander Thees
KfW Capital

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Starkes Wachstum und viel Rückenwind

Fünf Jahre KfW Capital: ein Doppelinterview mit dem Geschäftsführerduo Dr. Jörg Goschin und Alexander Thees

Am 15. Oktober 2018 startete KfW Capital in den europäischen VC-Markt: 20 Mitarbeitende, teils aus der KfW, teils vom Markt rekrutiert waren in der Start-Aufstellung. Auch bei der Geschäftsführung kam Jörg Goschin von extern, Alexander Thees aus der KfW.

Jörg, Alex, welche persönliche Erinnerungen habt Ihr noch an diese Anfangsstimmung?

JÖRG GOSCHIN: Ich sehe zum Beispiel noch ganz genau unsere Auftaktveranstaltung vor mir, mit dem damaligen Bundesminister Peter Altmaier in Berlin, das war am 9. Oktober 2018, also ein paar Tage vor unserem Markteintritt. Wir standen dabei das erste Mal in der Öffentlichkeit mit unserem KfW Capital-Logo. Das war für mich ein besonderer Moment. Endlich ging es nach einer intensiven Projektphase los: Der Markt-Launch von KfW Capital.

ALEXANDER THEES: Die Zeit davor war ebenfalls sehr ereignisreich: Wir hatten am Go-live mit Hochdruck gearbeitet, fast wöchentlich kamen neue Kolleginnen und Kollegen aus der KfW und dem Markt für das Startteam zusammen. Wir mussten die verschiedenen Funktionen aufbauen – Investment-, Risikomanagement und Kommunikation, um nur einige zu nennen. Als es dann losging, waren wir glücklich, es herrschte eine enorme Aufbruchstimmung. Gleichzeitig fragten wir uns: Wie wird der Markt auf uns reagieren? Ich erinnere mich sehr gern an das positive Feedback, das wir von vielen Seiten nach dem Start bekommen haben.

Zum Start war die Aufgabe von KfW Capital, das Volumen des bisherigen Beteiligungsgeschäfts der KfW auf 200 Millionen Euro pro Jahr anzuheben. Durch mehr Kapital in Venture Capital-Fonds sollte die Finanzierungssituation von Start-ups in Deutschland verbessert werden. Warum war eine solche Ausweitung überhaupt notwendig?

THEES: Verschiedene Studien zeigten, dass es in Deutschland insbesondere im spätphasigen Bereich bei der Finanzierung von innovativen Start-ups eine große Finanzierungslücke gab. Gemessen an den Investments in Venture Capital und dem BIP lag Deutschland deutlich unter dem europäischen Durchschnitt. Eine Tatsache, die damals viele Markteilnehmende und auch die Politik alarmierte. Wir sind hier noch immer nicht am Ziel, aber erfreulicherweise sehen wir, dass sich der deutsche VC-Markt in die richtige Richtung bewegt.

GOSCHIN: Der Bedarf ist da: Um die digitale und nachhaltige Transformation der deutschen Wirtschaft zu einem Erfolg zu führen, benötigen wir auch heute noch, fünf Jahre nach dem Start von KfW Capital, dringend mehr disruptive technologische Innovationen, die das Potenzial haben, neue, bahnbrechende Lösungen für die großen Herausforderungen unserer Zeit zu schaffen. Für ihre Finanzierung braucht es mehr Risikokapital. Dies wird häufig von Venture Capital-Fonds bereitgestellt. Daher gilt es, den Sektor zu stärken! In unserem Jahrzehnt der Entscheidung, von dem der CEO der KfW und Aufsichtsratschef Stefan Wintels von KfW Capital zurecht spricht, muss daher ausreichend Venture Capital zur Finanzierung des Wachstums von innovativen Start-ups und Technologieunternehmen zur Verfügung stehen.

Dieses Jahr investiert KfW Capital knapp 500 Millionen Euro, weit mehr also wie zu Beginn. Während der Pandemie hat KfW Capital die Corona-Matching-Fazilität als Teil des ersten Hilfspakets für Start-ups während einer Finanzkrise strukturiert und erfolgreich umgesetzt. Außerdem koordiniert KfW Capital im Auftrag des Bundes den Zukunftsfonds des Bundes, der mehr als 10 Milliarden Euro zusätzlich für Venture Capital-Investments bereitstellt und substanziell privates Kapital hebelt. Fast scheint es, als wäre das alles so geplant gewesen…

Portrait von Dr. Jörg Goschin
Dr. Jörg Goschin

Geschäftsführer von KfW Capital seit 2018.

GOSCHIN: KfW Capital wurde im Rückblick genau zum richtigen Zeitpunkt gegründet. Die Dringlichkeit der digitalen und nachhaltigen Transformation ist seit 2018 stetig deutlicher geworden, und damit auch die Notwendigkeit, den Venture Capital-Markt entsprechend zu stärken. In der Corona-Pandemie war zudem schnelles und konsequentes Handeln gefragt, um das sich entwickelnde Start-up-Ökosystem nicht zu gefährden. Da war es sehr hilfreich, ein auf Venture Capital-Fonds-Investments spezialisiertes Institut in Deutschland zu haben, das in der Lage war, das Hilfspaket des Bundes sehr schnell zu strukturieren und gemeinsam mit dem Europäischen Investitionsfonds die Mittel zu investieren. Nun konzipieren wir neben unserer Investitionstätigkeit im Auftrag des Bundes und in enger Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) und dem Bundesministerum der Finanzen (BMF) sowie dem Europäischen Investitionsfonds (EIF), dem Deep Tech and Climate Fund (DTCF) und dem High Tech-Gründerfonds die Bausteine des Zukunftsfonds.

Ist KfW Capital also fünf Jahre nach dem Start zur Allzweckwaffe für Venture Capital geworden?

Portrait von Alexander Thees
Alexander Thees

Geschäftsführer von KfW Capital seit 2018.

THEES: So würde ich uns nicht bezeichnen. Aber unser Aufgabenspektrum hat sich sicher noch schneller als gedacht erweitert, sowohl operativ als auch in der Marktentwicklung. Dies ging und geht mit einem ebenso schnellen Wachstum unseres Unternehmens einher. Die verschiedenen Funktionen sind ausdifferenzierter als am Anfang und wir sind inzwischen ein mittleres Wertpapierinstitut und als solches direkt von der BaFin beaufsichtigt. Vor allem hat sich unser Team laufend vergrößert. Die Integration der neuen Mitarbeitenden ist uns sehr wichtig und war gerade in der Pandemiezeit eine ganz besondere Herausforderung. Beim personellen Wachstum achten wir auf Diversität. Heute ist unser starkes und interdisziplinär aufgestelltes Team zum Beispiel zu 50 Prozent weiblich und es sind sieben Nationalitäten vertreten. Zudem haben wir einen guten Mix aus Seniors und Juniors.

KfW Capital investiert ausschließlich in Venture Capital Fonds – warum?

GOSCHIN: Wir nutzen auf diese Weise die bereits vorhandene Expertise im Markt sehr gut: Als „quasi“- Dachfonds haben wir die Möglichkeit, das VC-Ökosystem effizient zu stärken – damit hebeln wir unsere Förderwirkung. Mit Zahlen unterlegt heißt das: Wir haben bislang in rd. 100 VC-Fonds investiert, diese haben mehr als 1.900 Start-ups finanziert. Im Rahmen unserer professionellen Due Diligence, zu der auch ein umfangreiches ESG-Assessment gehört, prüfen wir sorgfältig, ob die Zielfonds in der Lage sind, die aussichtsreichsten Start-ups zu identifizieren und zu finanzieren.

THEES: Bis vor kurzem haben wir dabei zu 100 Prozent phasen- und sektoragnostisch investiert. Mit der Green Transition Facility, die wir im Juni dieses Jahres eingeführt haben, investieren wir zum ersten Mal zusätzlich fokussiert in einen Sektor, nämlich in den wichtigen Climate Tech-Sektor.

Inwiefern ist die Erweiterung des Investmentansatzes sinnvoll?

GOSCHIN: Unser sektor- und phasenagnostischer Ansatz zielt seit dem Start darauf ab, den Wagniskapitalmarkt in seiner ganzen Breite zu stärken. Bei elementaren Zukunftsthemen wie „Umwelt und Klimaschutz“ – übrigens ebenso ein zentraler Förderansatz der KfW – ist es sinnvoll, zusätzliches Kapital für spezielle Investments bereitzustellen, um hier einen besonderen Boost in den Markt zu geben. Neben dem kontinuierlichen Investieren in allen Sektoren und Phasen, auch und vor allem in schwierigen Zeiten, erweitern wir also unseren Investitionsansatz, indem wir bei speziellen Förderbedarfen zusätzliche Mittel bereitstellen.

THEES: Diese strukturelle Erweiterung unseres Ansatzes ermöglicht es, auch weitere Themen, bei denen Marktschwächen bestehen, zielgerichtet zu adressieren. Hierzu sind wir bereits im engen Austausch mit den Ministerien und der KfW.

Die Zeiten, es klang schon an, sind herausfordernd. Wie blickt Ihr auf den Markt?

GOSCHIN: Für mich hat der Venture Capital-Markt in den vergangenen Jahren gezeigt, wie widerstandsfähig und stets in der Lage er ist, sich schnell auf neue Herausforderungen einzustellen. Wir sehen in Deutschland eine zunehmend hohe Professionalität auf Seiten der Start-ups wie auf Seiten der VC-Fonds. Die Renditen der vergangenen Jahre sind denen, die in Amerika erzielt werden, beispielsweise mindestens ebenbürtig. Das sehen zunehmend auch wichtige Investorengruppen wie Pensionsfonds oder Versicherer, die in der Vergangenheit in der Assetklasse Venture Capital eher zurückhaltend waren. Und das ist auch wichtig, denn um Innovationskraft in Deutschland nachhaltig zu stärken, brauchen wir neben staatlichem auch privates Kapital. Mit unserer Investitionstätigkeit wollen wir daher auch immer ein Signal für Investoren aus dem privaten Sektor setzen.

THEES: Die Resilienz des Marktes sehen wir beispielsweise auch an der deutlichen Verbesserung des VC-Klimas, das KfW Research mit dem BVK quartalsweise erhebt. Trotz eines herausfordernden Umfeldes hat sich die Stimmung zur Jahresmitte verbessert, die Investoren blicken deutlich optimistischer auf den Rest des Jahres. Auch die Investments in deutsche Start up’s sind im Verlauf des Jahres wieder gestiegen. Das Jahr 2021 war für die Assetklasse VC ein Jahr der Superlative – nun sehen wir eine Normalisierung und entsprechende Korrekturen der Bewertungen. Dieser Prozess ist vermutlich noch nicht abgeschlossen, bislang geht der Markt hiermit in unserer Wahrnehmung professionell um.

Wo sehen Sie den größten Verbesserungsbedarf für den Markt?

GOSCHIN: Wir benötigen noch mehr und insb. auch größere VC-Fonds in Deutschland und Europa, die in der Lage sind, auch große bis sehr große Finanzierungsrunden mitzugehen, so dass die Start-ups für die Skalierung und Internationalisierung ihrer Innovationen ausreichend Kapital zur Verfügung haben. Dazu bedarf es auch weiterer Unterstützung aus der Politik sowie mehr privates Kapital. Darüber hinaus sind mehr Transparenz, also speziell Informationen über die VC-Fonds und ihre Portfolio-Unternehmen sowie mehr Liquidität im Markt auch durch Sekundärtransaktionen wünschenswert.

THEES: Noch weiter an Bedeutung gewinnen muss auch das Thema ESG ( Environmental, Social, Governance). Denn ohne eine schlüssige ESG-Strategie, die auch die Portfolioauswahl berücksichtigt, wird es künftig fast unmöglich sein, Investoren zu finden. Bei uns selbst gehört das Thema ESG seit Jahren zum festen Bestandteil unserer Prüfung der Fonds und wir sind auch mit unseren Bestandsfonds aktiv im Gespräch dazu. KfW Capital bietet außerdem auch ESG-Schulungen mit unseren Partnern VentureESG und der BMW Stiftung an, die sehr gut nachgefragt werden. Wir verstehen uns dabei ein stückweit als Marktentwickler.

KfW Capital
Signet von 5 Jahre KfW Capital

investiert in deutsche und europäische Venture Capital-Fonds, die sich an Unternehmen in der Wachstumsphase in Deutschland beteiligen und so deren Kapitalbasis stärken.

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Zum Schluss: Fünf vielseitige KfW Capital-Jahre liegen hinter Euch - ein Moment zum Genießen?

GOSCHIN: Uns erreichen tatsächlich in diesen Tagen viele Glückwünsche, u.a. von Bundeswirtschaftsminister Habeck und Bundesfinanzminister Lindner. Das freut uns sehr. Aber das Jubiläum ist für uns auch ein Moment, um unsererseits Danke zu sagen: für das Vertrauen und den großen Support der Politik, der Kolleginnen und Kollegen in den Ministerien, unserem Aufsichtsrat unter dem Vorsitz von Stefan Wintels, unserem exzellenten Beirat sowie bei allen Marktteilnehmerinnen und -nehmern. Wir wissen diese großartige Unterstützung sehr zu schätzen. Darüber hinaus spornt sie uns an, als verlässlicher Partner und Investor das VC-Ökosystem in Deutschland und Europa stetig weiterzuentwickeln – in konjunkturell guten wie in schwierigen Zeiten!

THEES: Natürlich bedanken wir uns auch bei den vielen Kolleginnen und Kollegen aus der KfW, von denen wir herausragend unterstützt werden. Unser größter Dank gilt unserem motivierten und motivierenden Team, auf das wir sehr stolz sind. Ohne dessen großes Engagement und Ideenreichtum wäre KfW Capital nicht das, was es ist.

Veröffentlicht auf KfW Stories am 12. Oktober 2023.