Die Gründer Anna und Ran Yona sitzen auf einem Regal voller Schuhkartons
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Freiheit für die Füße

Die Kinder von Anna und Ran Yona wachsen barfuß auf dem Land nahe der israelischen Großstadt Haifa auf. Als die Familie 2013 nach Deutschland zieht, sind die hier üblichen festen Kinderschuhe für die Kinder eine Qual. Kurzerhand näht Anna Yona ihrem Nachwuchs weiche Schuhe mit besonders dünner Sohle – und entdeckt eine Marktlücke. Sie und ihr Mann bauen mit Wildling Shoes ein erfolgreiches Unternehmen auf, prämiert mit dem KfW Award Gründen 2019 für Nordrhein-Westfalen.

Video: Zu Besuch bei Wildling Shoes, dem Landessieger NRW beim KfW Award Gründen 2019 (KfW Bankengruppe/n-tv).

Die meisten Arbeitstage von Anna Yona beginnen mit Blick auf den Kirschbaum im überwucherten Garten. Die Gründerin von Wildling Shoes arbeitet im Homeoffice und gehört damit wie ihre 120 Mitarbeiter zu einer großen virtuellen Familie. Ergeben hat sich diese Unternehmensform so natürlich wie die Gründung selbst.

Als Anna Yona als Studentin nach Israel aufbrach, konnte sie nicht ahnen, dass sie viele Jahre bleiben sollte. In Tel Aviv lernte sie ihren Mann Ran kennen. Zusammen mit dem Sporttherapeuten betrieb sie ein Fitnessstudio und arbeitete zusätzlich als Übersetzerin. Doch immer mehr wuchs die Sehnsucht nach der Familie in Deutschland, und auch Ran konnte sich ein Leben dort vorstellen. Das Sportstudio wurde verkauft, die Koffer wurden gepackt, und das Paar zog mit seinen drei Kindern in das freistehende Elternhaus von Anna im Oberbergischen Land.

Familie Yona zwischen Regalen mit Schuhkartons

Entstanden ist die Geschäftsidee nach dem Umzug von Israel nach Deutschland. Die Kinder der Gründer waren barfuß aufgewachsen und es gab keine passenden Schuhe für sie.

Von der Idee zur Marktreife

Im Herbst brauchten die drei Kinder ihre ersten Schuhe. Bisher waren sie barfuß aufgewachsen. Viele Untersuchungen bestätigen, was auch die Eltern beobachten konnten: Kinder, die viel barfuß laufen, haben oft eine stabilere Körperhaltung und stärkere Muskulatur. Und der Fuß entwickelt sich besser, wenn er so viel Freiheit hat. Herkömmliche Kinderschuhe überzeugten Anna und Ran nicht. Und damit war die Idee für die Gründung geboren – umweltfreundliche Minimalschuhe wollten sie herstellen.

Die Gründungsberatung half bei den ersten Schritten, die Teilnahme an einem regionalen Businessplanwettbewerb brachte das Konzept voran. Hier wurde ihnen die KfW als Finanzierungspartner empfohlen. Eine zusätzliche Crowdfundingkampagne brachte nicht nur Geld, sondern ermöglichte den frühen Aufbau der Marke und einer Community.

KfW Award Gründen

Der KfW Award Gründen zeichnete im Oktober 2019 die 16 Landessieger und einen Bundessieger für ihre Geschäftsideen aus.

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Die Kundeneinbindung zahlt sich aus

Ausgezahlt hat sich die frühe Netzwerkarbeit bei der ersten Krise: 300 Paare waren ausgeliefert, 800 bereits auf dem Weg von der Produktion in Portugal nach Deutschland, als Berichte über einen Defekt eintrafen. Ein verwendeter Kleber löste bei Nässe die Farbe. Nicht nur die Schuhe, auch Füße und Strümpfe verfärbten sich. Anna Yona denkt mit Grauen daran zurück: „Ich war total verzweifelt. Wir hätten unseren Kunden das Geld nicht zurückzahlen können. Dann haben wir sie informiert, den Fehler erklärt. Mittlerweile war klar, dass sich die Farbe nach zwei Waschgängen nicht mehr löst.“ Die Kunden reagierten überwiegend mit großem Verständnis. „Die restliche Serie haben wir online mit 30 Prozent Rabatt verkauft und kein einziges Paar ist übrig geblieben.“

Die viele Arbeit mit der Herstellung, dem Onlineshop und der Kundenbetreuung war eine Herausforderung für das Paar. Anna Yona klappte ihren Laptop auf, sobald die Kinder im Kindergarten oder in der Schule waren. Ran Yona, der die Produktentwicklung vorantrieb, hatte die besten Ideen beim Joggen im Wald hinterm Haus. Weil sie selbst so am besten arbeiten konnten, war es für die Gründer nur logisch, Mitarbeiter einzustellen, die ebenfalls flexibel und im Homeoffice arbeiteten.

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Der Showroom von Wildling Shoes durch die Schaufensterscheibe fotografiert

„Wildlinge“ gehören zu den leichtesten Schuhen der Welt. Erhältlich sind sie in den Showrooms in Köln und Berlin sowie im Onlineshop.

Transparenz, flache Hierarchien, klare Ziele

Regelmäßig trafen sich die Yonas mit ihren ersten Angestellten. Zusammen bauten sie Strukturen auf, erprobten Prozesse, entwarfen Kommunikationsregeln. Flache Hierarchien, klare Ziele und Transparenz zeichnen Wildling Shoes bis heute aus. „Unsere Art des Arbeitens klappt wunderbar. Ich habe mich mit innovativen Methoden beschäftigt, vieles ist aber auch eine Entscheidung aus dem Bauch heraus gewesen“, berichtet Anna Yona. Alle sechs Wochen kommt das Team zusammen. Denn die Yonas haben die Erfahrung gemacht, dass ein Bildschirm die persönliche Begegnung nicht ersetzen kann. Mittlerweile ist das Team zu groß für nur ein Treffen. „Wir teilen die Gruppe auf zwei Tage auf, da unser Tagungshaus aus allen Nähten platzt“, erklärt Anna Yona.

Produziert werden die Wildling-Schuhe in Portugal. Hier gelten faire Arbeitsbedingungen, und es gibt Traditionsunternehmen, die auf handgefertigte Schuhe spezialisiert sind. Bei der Auswahl der Partner legen Anna und Ran Yona besonders viel Wert auf die Einhaltung von Umweltstandards.

Wirtschaftliches Wachstum ist nicht ihr primäres Ziel, längst sehen sie Wildling als Möglichkeit, Verantwortung für die Umwelt zu übernehmen. So besteht der Schuh komplett aus Naturmaterialien aus nachhaltigem Anbau, und viele Sozial- und Umweltprojekte werden aktiv unterstützt. „Wildling soll einen Nutzen für alle haben. Das können wir mit unseren Entscheidungen beeinflussen. Als Angestellte wäre das nicht möglich“, weiß Anna Yona. Das gilt auch für ihren Mann, der die Freiheit der Arbeitsform unglaublich schätzt. Im Großraumbüro hätte er keine Ideen, gibt er lachend zu. Nur eins vermisst er in seiner neuen Heimat: das Meer. Daher darf auf seinen Reisen zu ihren Produktionsstätten in Portugal ein besonderes Gepäckstück nie fehlen: sein Surfbrett.

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Alle Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen verabschiedeten im Jahr 2015 die Agenda 2030. Ihr Herzstück ist ein Katalog mit 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung, den Sustainable Development Goals (SDGs). Unsere Welt soll sich in einen Ort verwandeln, an dem Menschen ökologisch verträglich, sozial gerecht und wirtschaftlich leistungsfähig in Frieden miteinander leben können.

Auf KfW Stories veröffentlicht am 14. November 2019.