Riesenschildkröte Galapagos
Naturschutz

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Invasion im Paradies

Die Galapagosinseln sind für ihre unberührte Natur und einzigartige Tierwelt berühmt. Doch unerwünschte Eindringlinge bedrohen die heimischen Arten. Ein Fonds zur Kontrolle der invasiven Spezies soll sie retten.

Artenschutz

Wie sich Naturschützer auf den Galapagosinseln für den Schutz der Tier- und Pflanzenwelt einsetzen.

Manchmal kommt die Gefahr winzig klein daher. Und doch, das weiß Luis Enrique Buitrón López, kann sie verheerende Ausmaße erreichen. Diesmal ist es ein Insekt, nur wenige Millimeter groß, das ihm Sorgen bereitet: die Fruchtfliege. Gesichtet wurde sie auf Isabela, der größten Insel des Galapagosarchipels. „Bevor sich die Tierchen dort ausbreiten wie Invasoren“, sagt Buitrón bestimmt, „muss gehandelt werden.“

Buitrón weiß, wovon er spricht. Als kommissarischer Leiter des FEIG, eines Fonds zur Kontrolle der invasiven Arten auf den Galapagosinseln, bekämpft er Pflanzen und Tiere, die – vereinfacht gesagt – auf der Inselgruppe im Pazifischen Ozean nichts zu suchen haben. Manche Tiere, wie Ratten, Schnecken oder Insekten, werden unbewusst eingeschleppt. Aber auch Haus- und Nutztiere, wie Hunde, Katzen oder Ziegen, können großen Schaden anrichten, wenn sie frei in der Natur streunen. Ebenso stellen gebietsfremde Pflanzen oder Pilze eine Bedrohung dar. „Diese Spezies können das sensible Ökosystem der Inselgruppe verändern und heimische Arten verdrängen“, sagt Buitrón.

Luis Enrique Buitrón López
Fliegenfalle

Luis Enrique Buitrón López will verhindern, dass Fruchtfliegen das ökologische Gleichgewicht auf den Galapagosinseln stören.

Ratten plündern die Nester der Vögel und Reptilien. Verwilderte Schweine buddeln die Eier der Meeresschildkröten aus. Ziegen fressen den berühmten Galapagos-Riesenschildkröten Gräser und Kräuter weg, Leguane werden von streunenden Hunden getötet und Fliegenlarven ernähren sich vom Blut der Darwinfinken-Küken, die diesen Angriff oft nicht überleben. „Die eingeschleppten Spezies zeigen teilweise dominantes Verhalten, gegen das einheimische Arten keine Chance haben“, erklärt Buitrón vom FEIG.

Sein Fonds pflegt eine Reihe von langfristigen, aber auch kurzfristigen Maßnahmen, um Herr über die Invasoren zu werden. Das fängt bei präventiven Aktionen an, wie dem Einsprühen ankommender Gepäckstücke auf den Inselflughäfen, und endet bei konkreten Maßnahmen zur Bekämpfung der fremden Spezies. So gelang es der Nationalparkverwaltung mithilfe der Charles-Darwin-Stiftung, die Insel Isabela vollständig von wilden Ziegenherden zu befreien.

Landschaft Galapagos
Raritäten

Fast die Hälfte der Pflanzen, die auf den Galapagosinseln wachsen, gibt es nur dort und sonst nirgends auf der Welt.

Bereits 2011 hat das ecuadorianische Umweltministerium diesen Fonds eingerichtet, der den Kampf gegen invasive Spezies vorantreibt. Er beläuft sich zurzeit auf eine Höhe von 20 Millionen US-Dollar und wurde von der KfW Entwicklungsbank aus Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung mit 2,5 Millionen Euro unterstützt.

Warum, erläutert Alexandra Mylius, KfW-Projektmanagerin im Bereich Landwirtschaft und Naturressourcen Lateinamerika und Karibik: „Uns war wichtig, die langfristige Arbeit des FEIG zu sichern.“ Deshalb ist der FEIG als Stiftungsfonds konzipiert. Das bedeutet, dass das Grundkapital nicht angetastet wird, sondern nur die Zinseinnahmen für Projekte genutzt werden, um auch in kommenden Jahren ausreichende Mittel zur Verfügung zu haben. „Denn leider“, sagt Alexandra Mylius, „verliert das Problem invasive Spezies nicht an Aktualität.“

Aufgrund ihrer abgeschiedenen Lage am Äquator, etwa 1.000 Kilometer westlich von Ecuador, konnten sich auf den Galapagosinseln Arten entwickeln, die man sonst nirgendwo auf der Welt antrifft. 80 Prozent der Landvögel, fast 100 Prozent der Schnecken, 56 Prozent der Insekten und 43 Prozent der Landpflanzen sind endemisch, also einzig auf diesen Inseln heimisch. Bereits vor 40 Jahren erklärte die UNESCO deshalb die Inselgruppe zum ersten Weltnaturerbe überhaupt. Besonders ihre prominenten Vertreter wie Riesenschildkröten, Meeres- und Landleguane, Seelöwen, aber auch Vögel wie Blaufußtölpel, Galapagos-Pinguine und Darwinfinken locken Jahr für Jahr mehr Touristen an.

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Das ist zwar gut für die Wirtschaft, aber mitunter eine Gefahr für die einzigartige Natur des Archipels, dessen Landfläche zu 97 Prozent und dessen Meeresgebiete zu 99 Prozent zum Nationalpark erklärt wurden. Der zunehmende Tourismus und das damit einhergehende Bevölkerungswachstum führten dazu, dass mehr Landwirtschaft betrieben wird und außerdem der Personen- und Güterverkehr zwischen dem ecuadorianischen Festland und den Inseln angestiegen ist. Dabei passiert es leicht, dass unerwünschte „Gäste“ auf die Inseln gelangen.

„Ein einziger eingeschleppter Samen kann Katastrophen auslösen“, sagt Walter Bustos, langjähriger Direktor des Nationalparks Galapagos, der gemeinsam mit der ABG, der Agentur für Kontroll- und Quarantänemaßnahmen auf den Inseln, die verschiedenen Aktivitäten des FEIG ausführt. Mehr als 500 Fremdpflanzen wurden bereits registriert. Etwa die Brombeere, die sich rasant verbreitet, weil Vögel die Beeren fressen und die Samen unverdaut überall auf den Inseln wieder ausscheiden. Oder das Wandelröschen, eine Zierblume, die die Brutplätze heimischer Vögel überwuchert. Oder der Chinarindenbaum, der die endemische Miconia-Vegetation bedroht.

Walter Bustos
Naturschützer

Walter Bustos leitet den Nationalpark Galapagos und setzt Kontroll- und Quarantänemaßnahmen zum Schutz einheimischer Arten um.

„Zucht- und Wiederansiedlungsprogramme für endemische Tierarten, etwa die Riesenschildkröte, gehen einher mit der Bekämpfung der invasiven Arten“, sagt Bustos. „Und zum Glück konnten wir schon viele Erfolge erzielen.“ Auch durch die langfristige Sicherung des FEIG. „Vor Schaffung des Fonds gab es für diese Maßnahmen kaum Finanzierung, sodass dieses Projekt eine wichtige Lücke schließt“, sagt Alexandra Mylius.

Die Wahl der Mittel gegen invasive Spezies ist oft heikel. Pestizide beispielsweise schaden nicht nur den Eindringlingen, sondern auch dem heimischen Ökosystem. Im Falle einer bestimmten Brombeerart, die besonders tief wurzelt und äußerst robust ist, will man neue Wege gehen. In einem ersten Schritt wurde bestimmt, um welche Art es sich handelt. „Man ging zunächst davon aus, dass sie aus Indien stammt“, sagt Buitrón, „aber es stellte sich mittels DNA-Analyse heraus, dass sie chinesischen Ursprungs ist.“

Vogel auf den Galapagosinseln
Rückzugsort

Die Galapagosinseln wurden schon vor 40 Jahren zum UNESCO-Weltnaturerbe erklärt. Ihr Status garantiert seltenen Tieren einen geschützten Lebensraum.

Jetzt sollen spezielle Pilze aus Asien importiert und im Labor getestet werden. Wenn die Pilzart die Pflanze zerstören kann, ohne dass dies Nebenwirkungen auf das Ökosystem der Inseln hat, kann man vielleicht einen der hartnäckigsten Eindringlinge erfolgreich bekämpfen. „Eine Pionierarbeit“, wie Buitrón betont. Auch die Invasion der Fruchtfliegen, die vermutlich durch Obstimporte nach Isabela gekommen sind, hofft er, bald in den Griff zu bekommen. „Dafür sorgt eine Fülle von manuellen und komplexen Aktionen“, sagt er. Zunächst müssen Anzahl und Ausbreitung der Insekten ermittelt und kartografiert werden. Dazu verwendet man Futter- und Pheromonfallen, die an Mandel- und Zitrusbäumen angebracht werden. Dann werden biologische Insektizide eingesetzt. In Zukunft könnten auch neuere Methoden zum Einsatz kommen, etwa gezielte Genmutationen, die zur Unfruchtbarkeit der männlichen Exemplare führen. Viel Aufwand für ein kleines Tier. Doch egal wie winzig die Gefahr daherkommt: Sie zu unterschätzen könnte das Ende für das einzigartige Ökosystem der Galapagosinseln bedeuten.

Auf KfW Stories veröffentlicht am: Donnerstag, 21. Juni 2018

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Alle Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen verabschiedeten im Jahr 2015 die Agenda 2030. Ihr Herzstück ist ein Katalog mit 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung, den Sustainable Development Goals (SDGs). Unsere Welt soll sich in einen Ort verwandeln, an dem Menschen ökologisch verträglich, sozial gerecht und wirtschaftlich leistungsfähig in Frieden miteinander leben können.