Porträt von Julia Schnitzler
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„Mein Vater hat mir das von Anfang an zugetraut“

Julia Schnitzler führt den Maschinenbauer Strassburger Filter in vierter Generation. Wie die Verfahrenstechnikerin in dieser Männerbranche besteht und was sie anders macht als ihr Vater.

Wann stand für Sie fest, dass Sie in die Fußstapfen Ihres Vaters treten würden?

Das war für mich immer schon klar. Bereits als Kind bin ich im Unternehmen ein und aus gegangen. Wir wohnten direkt nebenan.

Ihr Vater entstammt einer Generation, für die eine Frau auf dem Chefsessel ungewöhnlich ist. Hat sich das auf Ihre Zusammenarbeit ausgewirkt?

Mein Vater hat mir von Anfang an zugetraut, eines Tages seine Rolle einzunehmen. Bei der Übergabe gab es keine Schwierigkeiten. Wir sind immer super miteinander klargekommen. Ich hatte aber auch keine Konkurrenz durch einen Bruder.

Strassburger Filter bietet individuelle Filtrationslösungen
Exportschlager

Strassburger Filter bietet maßgeschneiderte Filterapparate und -lösungen an, mittlerweile in 60 Ländern. Als das Unternehmen 1919 in Rheinhessen gegründet wurde, waren die Kunden überwiegend Weinbauern. Heute kaufen Chemie- und Pharmaunternehmen im Familienbetrieb ein.

Wie reagierten die langjährigen Mitarbeiter auf die neue Chefin? Schließlich kannten die Sie ja schon als Dreikäsehoch.

Sie wussten aber auch, dass ich schon als Schülerin und Studentin in der Firma mitgearbeitet hatte. Auch in der Fertigung, wo richtig zugepackt werden muss. Ihnen war von Anfang an klar, dass ich weiß, wovon ich rede. Außerdem brachte ich Wissen von außen mit. Ich war ja vorher mehrere Jahre lang für einen großen Mittelständler im Geschäftsfeld Kraftwerks- und Umwelttechnik tätig. Das erwies sich als gute Kombination.

In vielen kleineren mittelständischen Unternehmen hat der Chef einen engen Vertrauten im Betrieb. Sie auch? Ist es vielleicht sogar derselbe wie der Ihres Vaters?

Jein. Zum einen gibt es natürlich langjährige Mitarbeiter, die Know-how-Träger sind. Auf die bin ich angewiesen. Aber ich habe auch neue enge Kontakte aufgebaut. Meine wichtigsten Vertrauten sind jedoch meine Eltern. Meine Mutter arbeitet sogar noch in der Firma mit.

Wie unterscheidet sich Ihr Führungsstil von dem Ihres Vaters?

Ich glaube, ich überlasse weniger den Mitarbeitern, nehme mehr selbst in die Hand. Ein Mitarbeiter hat meinen Führungsstil sogar mal als patriarchalisch bezeichnet (lacht).

Julia und Rolf Schnitzler von Strassburger Filter
Freundliche Übernahme

Rolf Schnitzler stand von 1968 bis 2005 an der Spitze von Strassburger Filter, die letzten beiden Jahre gemeinsam mit Tochter Julia. Inzwischen hat sie bei dem Maschinenbauer mit zirka 40 Beschäftgten alleine das Sagen. Die Büste erinnert an den Firmengründer Hermann Strassburger.

Diesen Eindruck machen Sie aber überhaupt nicht.

Na ja, vielleicht haben manche Männer dann doch ein Problem damit, wenn Frauen etwas nicht genau so machen, wie sie es sich vorstellen. Tatsächlich versuche ich immer, die Mitarbeiter einzubeziehen. Das tut einem Unternehmen gut.

Was haben Sie als Chefin verändert?

Mein Vater hat nicht mehr allzu viele Dinge neu angepackt, das lag sicherlich auch am Alter. Es war nun meine Aufgabe, darüber nachzudenken, wie ich das Unternehmen für die Zukunft wappne. Ich musste das Controlling verbessern, eine Marketingstrategie entwickeln und vor allem entscheiden, welche Produkte die richtigen für die Zukunft sind. Ich musste nach vorne blicken und durfte mich nicht auf das beschränken, was wir schon hatten.

Ihr Unternehmen stellt Filtrationssysteme zur Fest-Flüssig-Trennung her. Haben Sie dafür neue Kunden gewinnen können?

Früher waren unsere Kunden überwiegend Weinbauern. Ich habe dann irgendwann gemerkt, im Weinbau tut sich nicht mehr viel. Da ist der Markt mehr oder weniger gesättigt. Pharma und Chemie hingegen bieten Wachstumschancen. In diesen Branchen erwirtschaften wir inzwischen zirka 60 bis 70 Prozent unseres Umsatzes.

KfW Research

Bis zum Jahr 2022 planen mehr als 500.000 Inhaber von kleinen und mittleren Unternehmen ihren Betrieb abzugeben. Laut KfW-Mittelstandspanel mangelt es oft an einem Nachfolger.

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Im Jahr 2012 gehörten Sie als Chefin eines kleinen mittelständischen Unternehmens einer Wirtschaftsdelegation an, die Bundeskanzlerin Angela Merkel nach China begleitete. Wie kam es dazu?

Ganz einfach: Ich habe mich dafür beworben. Ich hatte schon länger Interesse am chinesischen Markt. Wir waren dort seinerzeit nur über einen Vertriebspartner engagiert. Bald nach der China-Reise eröffneten wir eine Repräsentanz, die erste von Strassburger Filter im Ausland überhaupt. Inzwischen haben wir im Reich der Mitte sogar ein Unternehmen gegründet. Wir zählen zu den wholly foreign-owned enterprises, das sind GmbHs nach chinesischem Recht, die ausschließlich ausländische Besitzer haben. Im Rückblick kann ich sagen, die Reise mit der Kanzlerin war eine Initialzündung für mich.

Konnten Sie schon während der Reise Geschäfte anbahnen?

Das nicht, aber gemeinsame Fotos mit der Kanzlerin oder dem damaligen chinesischen Premierminister Wen Jiabao wirken noch Jahre später vertrauensbildend. Die sind wie eine Referenz.

Filter bei Strassburger Filter
In neuem Gewand

In den Anfangsjahren des Unternehmens wurden Filterapparate aus Holz hergestellt, heute bestehen sie größtenteils aus Edelstahl.

Warum ist der chinesische Markt so wichtig für Sie?

Es ist schlicht und einfach der Markt mit dem größten Wachstumspotenzial. Wir sind dort mit unseren Filtrationssystemen in der Blutplasmafraktionierung gefragt. China kann im Moment nur 50 Prozent seines Bedarfs selbst decken und muss den Rest auf dem Weltmarkt einkaufen. Die Chinesen sind dabei, ihre eigene Produktion einem ständig wachsenden Bedarf anzupassen.

Ihr Geschäft läuft also gut?

Mit der Blutplasmafraktionierung haben wir seinerzeit auf das richtige Geschäftsfeld gesetzt. Nicht nur in China, weltweit werden aktuell Produktionskapazitäten erweitert. Auch in Deutschland und der Schweiz. Davon profitieren wir als Filterhersteller. Unser Umsatz stieg in den vergangenen drei Jahren um 30 Prozent. Wir werden unsere Fertigungskapazitäten daher nochmals ausbauen. Andernfalls könnten wir mit der wachsenden Nachfrage nicht Schritt halten.

Die KfW fördert

Das Unternehmen Strassburger Filter wurde mit Mitteln aus dem KfW-Unternehmerkredit (037) finanziert.

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Welche Rolle spielen Förderbanken wie die KfW für Sie?

Eine große Rolle. Wir haben mit einem KfW-Unternehmerkredit beispielsweise eine Montagehalle errichtet. Zuvor hatte uns bereits die Investitions- und Strukturbank Rheinland-Pfalz mit einem Darlehen geholfen. Solche Förderkredite sind absolut notwendig, damit ein kleines Unternehmen wie unseres wachsen kann.

Was antworten Sie auf die Frage, wie Sie als dreifache Mutter Beruf und Familie vereinbaren?

Darauf kann es nur eine Antwort geben: Würden Sie diese Frage auch einem Mann stellen? Aber im Ernst: Ich bin Manager und muss das organisieren, das ist kein Problem für mich.

Wird eines Ihrer Kinder irgendwann die Firma führen?

Da kann ich nur drauf hoffen. Aber wenn die Entscheidung ansteht, werde ich es wie meine Eltern halten und keinen Druck ausüben. Man muss es selbst wollen.

Viele Mittelständler suchen im Familienkreis vergeblich nach einem Nachfolger. Was müsste in Deutschland passieren, damit sich das ändert?

Grundsätzlich sollte in unserer Gesellschaft stärker die Bereitschaft gefördert werden, Risiken zu übernehmen. Wir müssen uns wieder mehr trauen. Es muss ein erstrebenswertes Ziel sein, Unternehmer zu werden.

Können Sie sich vorstellen, das Unternehmen eines Tages zu verkaufen?

Da müsste man mir schon sehr viel bieten (lacht). Nein, ich tue momentan genau das, was ich möchte. Ich denke nicht daran zu verkaufen.

Auf KfW Stories veröffentlicht am 13. Februar 2018, aktualisiert am 17. April 2023.