Porträt von Lenna Koszarny
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„Ich bin eine Ausnahme“

Private Equity ist eine Männerdomäne. Weltweit ist nur jede zehnte Führungsposition in der Branche mit einer Frau besetzt. Lenna Koszarny ist eine von ihnen. Als CEO der Private-Equity-Gesellschaft Horizon Capital managt die Kanadierin mit ukrainischen Wurzeln den Emerging Europe Growth Fund III, an dem die KfW-Tochter DEG beteiligt ist. Nebenbei nimmt die 49-Jährige jede Gelegenheit wahr, um sich für mehr Frauen in Führungspositionen einzusetzen.

Lenny Koszarny im ukrainischen Haus Davos
Zur Person

Lenna Koszarny (hier rechts im Bild im Ukraine House Davos) ist CEO von Horizon Capital, einer führenden Private-Equity-Firma in der Ukraine. Sie setzt sich dafür ein, dass Frauen sich vernetzen und Führungsrollen übernehmen. Die Kanadierin mit ukrainischen Wurzeln lebt mit ihrem Mann und ihren Kindern seit 25 Jahren in der Ukraine.

Sie sind Gründungsmitglied von Horizon Capital und leiten das Unternehmen seit vielen Jahren als CEO. Sind Sie als Frau in dieser Position mit besonderen Herausforderungen konfrontiert?

LENNA KOSZARNY: Ich bin stolz darauf, dass Horizon Capital als Private-Equity-Gesellschaft unter der Leitung einer Frau steht und bin der Meinung, dass jedes Teammitglied – egal ob männlich oder weiblich – einen Beitrag zu unserem Erfolg leistet. Wenn ich von mir persönlich ausgehe, kann ich nicht behaupten, dass ich mich in bestimmten Situationen offen diskriminiert gefühlt hätte. Ich weiß allerdings, dass es Studien zum Thema Fundraising gegeben hat. Demnach reagieren zwei Drittel der Befragten bei einer Präsentation mit einer höheren Wahrscheinlichkeit positiv auf einen Mann als Vortragenden und nur ein Drittel auf eine Frau – auch wenn die Präsentation völlig identisch ist. Also, wer weiß? Vielleicht gab es eine solche Art von Diskriminierung, als wir das Kapital für den Emerging Europe Growth Fund III (EEGF III) beschafften. Letztlich haben wir jedoch den Hard-Cap für den Fonds erreicht und damit auch die maximal mögliche Kapitalmenge beschafft.

Ihr Beispiel zeigt jedenfalls, dass mit diesen Vorurteilen aufgeräumt werden muss.

Auf jeden Fall. Für den neuen Fonds haben wir ursprünglich ein Finanzierungsziel von 150 Millionen US-Dollar formuliert. Schließlich erreichten wir aber sogar 200 Millionen Dollar. Die Investoren stehen offensichtlich hinter uns, also hinter einer von einer Frau geführten Private-Equity-Gesellschaft.

Nach Ihrem Universitätsabschluss und Ihrer Tätigkeit als Wirtschaftsprüferin verließen Sie die vertraute Umgebung Ihres Heimatlandes Kanada, um eine Karriere in der Ukraine zu beginnen. Wie kam es dazu?

Meine Großmutter Olena war der Grund dafür. Nach dem Zerfall der Sowjetunion wollte sie in die Ukraine reisen, um ihre Familie zu besuchen, und sie bat mich, sie zu begleiten. Und so kam es dann auch. Ich reiste im August 1993 in die Ukraine und habe mich in das Land und seine Leute verliebt. Mir wurde klar, dass ich vor einer Richtungsentscheidung in meinem Leben stand und ich der Ukraine, einem gerade unabhängig gewordenen Land in einer Zeit des historischen Umbruchs, etwas zu geben hatte. Und ich war mir sicher, dass Kanada auch ohne mich zurechtkommen und meine Arbeit dort keine große Aufmerksamkeit erregen würde. Ich war überzeugt, dass mein Leben und meine Arbeit mit der Ukraine verbunden waren. Daher beschloss ich, mir dort einen Job zu suchen. Zunächst wollte ich eigentlich nur ein paar Jahre bleiben. Aber im letzten Dezember feierte ich mein 25-jähriges Jubiläum in der Ukraine. Mein Ehemann und ich ziehen unsere Kinder dort groß und haben nicht vor, wegzugehen.

Der Fonds

Der EEGF III investiert in exportorientierte Branchen, insbesondere IT, sowie Leicht- und Nahrungsmittelindustrie. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf Unternehmen aus den Bereichen E-commerce und Gesundheit und anderen auf den Binnenmarkt ausgerichteten Branchen. Die DEG hat den EEGF III von Anfang an unterstützt. Dies war wesentlich, um den Fonds für private Anleger attraktiv zu machen. Private Blue-Chip-Investoren stehen hinter dem Fonds, wobei die EEGF III-Investoren insgesamt über einen Kapitalstock von über 350 Mrd. US-Dollar verfügen.

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Waren Sie sich Ihrer ukrainischen Wurzeln auch bereits in Kanada bewusst?

Ja, sehr. Da die Ukraine lange Zeit nicht unabhängig, sondern Teil der Sowjetunion war, gibt es auf der ganzen Welt starke ukrainische Diaspora-Gemeinschaften. In Kanada ist diese Gruppe mit 1,4 Millionen Menschen eine der größten überhaupt. Etwa einer von 23 Bewohnern Kanadas ist ukrainischer Abstammung. Im westlichen Teil von Kanada ist es sogar jeder Vierte. Ich bin sowohl mit Ukrainisch als auch Englisch aufgewachsen. Uns war immer bewusst, dass wir die Sprache und Kultur bewahren mussten, da sie seinerzeit in der Ukraine nicht gepflegt wurden. So erziehen die meisten ukrainischen Auswanderer ihre Kinder. Und so bin auch ich aufgewachsen.

Sie kennen sowohl die Welt des Westens als auch des Ostens. Gibt es große Unterschiede bei der Rolle der Frauen?

In der Ukraine gibt es das Bild von der starken ukrainischen Frau. Jeder, mit dem man spricht und der sich in diesem Land aufhält, versteht, dass Frauen das Rückgrat des Landes bilden. Frauen haben dort immer gearbeitet. Dies geht noch auf Sowjetzeiten zurück, als alle arbeiten mussten. Gleichzeitig übernehmen sie auch die Kinderbetreuung und kümmern sich um das Zuhause – also die klassischen Frauenrollen. Aber wie überall auf der Welt gelangen nur wenige an die Spitze. Das ist ein Problem. Ein Beispiel ist das Parlament: Dort beträgt der Frauenanteil gerade einmal 12 Prozent. Im Private-Equity-Bereich sind weniger als 10 Prozent der Firmenchefs Frauen. Dies ist heute noch der Status quo, auch wenn sich das in Zukunft sicher ändern wird.

Pressekonferenz
Engagement für Frauen

„Wenn man mich zu einer Konferenz einlädt oder mich als Rednerin engagieren möchte, frage ich immer, wie viele Frauen bei der Veranstaltung als Rednerin auftreten“, erzählt Lenna Koszarny.

Dafür engagieren Sie sich ja auch persönlich. Sie sind Mitglied des Private Equity Women Investor Network PEWIN. Inwiefern hilft Ihnen das bei Ihrem Einsatz für die Sache der Frauen?

Netzwerke zu knüpfen ist in dieser Branche unerlässlich. Wenn 90 Prozent der Firmenchefs Männer sind, entstehen ausschließlich aus Männern bestehende Netzwerke, die sich über Jahrzehnte hinweg etablieren. Bei PEWIN geht es darum, dass Frauen sich mit anderen Frauen vernetzen. Es ist ein Forum für gegenseitiges Kennenlernen. Wir sprechen über Private Equity, Trends, Schwellenländer sowie unsere persönlichen Ziele und Pläne. Man kann dort hervorragend persönliche Netzwerke pflegen. Ich habe auf diese Art sehr viele Kontakte geknüpft.

Sie setzen sich auch dafür ein, dass ukrainische Frauen verstärkt in der Exportbranche tätig werden. Wieso und wie gehen Sie dabei vor?

Für die Ukraine sind Exporte lebenswichtig. Der Handel mit der EU bietet hierbei naheliegende Chancen, die auch bereits vielerorts genutzt werden. So sind die ukrainischen Warenexporte im vergangenen Jahr um 16 % gestiegen. Ich möchte Frauen, die kleine und mittelständische Unternehmen gegründet haben, dazu ermutigen, über den Tellerrand ihrer Heimatmärkte hinauszublicken und auch über Exportmöglichkeiten nachzudenken. Genesis zum Beispiel, ein IT-Unternehmen, in das wir über den EEGF III Fonds investiert haben, der Fonds, an dem auch die DEG beteiligt ist. Genesis hat mit „BetterMe“ eine Gesundheitsapp entwickelt, die zu den fünf beliebtesten in den USA zählt. Die App wurde unter der Leitung einer Frau, Victoria Repa, entwickelt und betrieben, die von Gründern und Investoren volle Unterstützung erfährt.

Sehen Sie sich als Vorbild für andere Frauen?

Wissen Sie, ein Vorbild zu sein empfinde ich als sehr passiv. Da lebt man einfach sein Leben und behauptet von sich: Ich bin ein Vorbild. Als Fürsprecherin ist man dagegen stärker handlungsorientiert, und so würde auch ich mich gerne sehen.

Wir finanzieren

In der Ukraine ist das Angebot an Eigenkapital für mittelständische Unternehmen eingeschränkt. Das hindert ihr Wachstum. Hier setzt der Emerging Europe Growth Fund III (EEGF III) von Horizon Capital an. Der Fonds investiert vor allem in exportorientierte Industrien. Die DEG – Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft mbH hat sich mit zehn Millionen US-Dollar am EEGF III beteiligt.

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Wie meinen Sie das?

Wenn ich die sprichwörtlichen gläsernen Decken sehe, dann durchbreche ich sie. Ich wurde zum Beispiel gefragt, ob ich den Vorsitz der amerikanischen Handelskammer übernehmen möchte. Ich bin eine vielbeschäftigte Frau. Ich hätte auch einfach aus Zeitgründen absagen können. Aber ich entschied mich anders: Ich übernahm den Vorsitz, um damit andere Frauen zu inspirieren. Damit übernahm nach 26 Jahren erstmals eine Frau den Vorsitz der amerikanischen Handelskammer, die in der Ukraine großen Einfluss besitzt.

Klingt, als wäre diese Fürsprecherrolle typisch für Ihre Laufbahn.

Das stimmt. Ich setze mich dafür ein, dass mehr Frauen in den Vorstand der amerikanischen Handelskammer in der Ukraine aufgenommen werden. Ich setze mich dafür ein, dass mehr Frauen im Exportgeschäft tätig werden und Unternehmen leiten. Ich setze mich dafür ein, dass mehr Frauen eine Laufbahn in der Private-Equity-Branche einschlagen. Das betrachte ich als meine Aufgabe. Wenn man mich zu einer Konferenz einlädt oder mich als Rednerin engagieren möchte, frage ich immer, wie viele Frauen bei der Veranstaltung als Rednerin auftreten. Wie viele sind im Forum vertreten? Ich schlage dann großartige Frauen vor, denen man zuhören sollte, denn wenn sonst nur Männer dort auftreten sollen, bin ich nicht interessiert.

Wahrnehmung und Wirklichkeit

Viele Investoren sehen die Ukraine immer noch durch das Prisma des Konflikts mit Russland. Und das obwohl die Konfliktregion nur sieben Prozent der Fläche der Ukraine umfasst. Investoren, die sich mit der Ukraine auskennen, ziehen Nutzen aus den Kostenvorteilen, der Nähe zu Europa und den unternehmerischen Talenten. Das Bildungsniveau der Ukraine ist weltweit gesehen auf Platz 4; mehr als siebzig Prozent der Bevölkerung verfügen über zwei Abschlüsse.

Wie reagieren die Menschen, wenn Sie ihnen so begegnen? Manche Männer sind doch bestimmt eingeschüchtert.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich andere Menschen einschüchtere. Jedenfalls hat mir das noch niemand gesagt. Ich habe mich einer Mission verschrieben. Ich bin überzeugt von dem, was ich tue, verfolge meinen Plan und schreibe niemandem vor, was er mit seinem Leben anzufangen hat. Darüber denke ich überhaupt nicht nach. Ich möchte einfach nur meinen Weg gehen und dazu gehört, mich für Frauen einzusetzen. Ich weiß, dass ich damit eine Ausnahme bin. Ich habe eine Verantwortung und möchte dieser Verantwortung auch jederzeit gerecht werden.

Man braucht viel Kraft, wenn man sich von anderen Menschen unterscheidet. Wie sind Sie zu so einer starken Frau geworden?

Das liegt mit Sicherheit an meiner Erziehung. Ich weiß noch, dass meine Mutter immer großen Wert darauf gelegt hat, dass wir unabhängig sind, unser eigenes Geld verdienen und unsere eigene Karriere anstreben. Das war damals ungewöhnlich. Ich wurde 1969 zusammen mit einer Zwillingsschwester geboren und wir wurden beide so erzogen, dass wir alles erreichen können, was wir uns wünschen. Wir griffen quasi nach den Sternen. Für uns zählten Fleiß, gute Noten und Leidenschaft. Meine Schwester entschied sich für eine Laufbahn als Ingenieurin. Nur vier Prozent der Teilnehmer ihres Studiengangs waren Frauen. Ich ging in die Wirtschaft. Und das habe ich auch nie bereut.

Auf KfW Stories veröffentlicht am: Dienstag, 5. März 2019