KfW Award Bauen 2018 – Altstadthaus zum Wohnen und Arbeiten in Weiden
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Lichtflut in der Gasse

Ein im Lauf der Zeit stark verbautes Altstadthaus in Weiden ist jetzt lebenswert, hell und vielfältig nutzbar und gewinnt den zweiten Preis beim KfW Award Bauen 2018 in der Kategorie Bestand. Die Besonderheit des Gebäudes ist das Treppenhaus.

Haus mit Seele

In Weiden wurde ein Haus hell und großflächig renoviert. Besonderes Schmuckstück: das Treppenhaus (KfW Bankengruppe/n-tv).

Um die Ecke der Markt, in Sichtweite das Rathaus – zentraler als in der Oberen Bachgasse geht es kaum in Weiden, das im nordöstlichen Bayern liegt. Durch das nahe Stadttor führt der Weg gleich ins Grüne. Das stattliche Haus, das in der Gasse zum Verkauf stand, war zwar in der Erinnerung von Iris Müller „völlig verbaut“, doch sie verliebte sich auf Anhieb.

Bereits bei der Besichtigung lernten Iris und Christian Müller ihren künftigen Architekten Karlheinz Beer kennen. Beer hatte selbst mit dem Haus als Büro geliebäugelt: „Es ist ein Ackerbürgerhaus, das wohl aus dem 15. oder 16. Jahrhundert stammt. So etwas ist sehr selten auf dem Markt.“

Doch die Verkäufer entschieden sich für die Müllers. Schon immer wurde das Haus zum Wohnen genutzt – lange Zeit von Menschen, die geschützt innerhalb der Stadtmauern lebten und vor ihren Toren Landwirtschaft betrieben. Heute sind neue Bewohner in der Altstadt besonders erwünscht. Auch weil die Müllers mit den Nachbarn bereits befreundet waren, fühlt sich das Paar sehr wohl in der ruhigen Gasse.

KfW Award Bauen 2018 – Altstadthaus zum Wohnen und Arbeiten in Weiden
Heiteres Quartett

Familie Müller mit Hund im Treppenhaus.

Dunkel sei es im Haus gewesen, berichtet Christian Müller. Drei Parteien teilten sich zuletzt die drei Stockwerke. Entsprechend eng ging es im Treppenhaus zu, das quer durchs Haus zum kleinen Hof reicht. Ein überdachter Balkon verstellte zum Teil den Blick hinaus, und nur durch kleine Fenster schien die Nachmittagssonne.

Auch in den oberen Etagen war es eng. Gipskartonwände hatten die Räume zu niedrigen Schuhschachteln gemacht. Nach mehrjährigem Leerstand war außerdem der Dachstuhl marode. Das hatte zuvor viele Interessenten abgeschreckt – ebenso wie Auflagen des Denkmalschutzes.

Ein wichtiger Teil der Renovierung betraf das Treppenhaus. Beer befreite es von den Einbauten und öffnete es hin zu den Wohnräumen. Um auch diese großzügig gestalten zu können, wurde in den Wänden Stauraum geschaffen – sowie im Treppenauge, um das herum sich die Stufen winden. Darin steht ein hoher schmaler Block, der als heller Hohlraum bis unters Dach führt. Mal ist darin eine kleine Bank untergebracht, mal ist er offen und erlaubt Durchblick. Meist sind aber darin Schränke versteckt. Wo genau, bleibt ein Geheimnis, denn es gibt keine Griffe. Man muss ausprobieren und drücken, dann springt die Tür auf.

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Die Wand zum Hof ist großflächig durchbrochen. Tageslicht dringt durch das recht tiefe Haus in Flur und Treppenraum. Oberlichter im Dach tun ein Übriges, um das Innere mit Licht zu fluten – was für ein Kontrast zu vorher!

Leichtigkeit entsteht auch dadurch, dass das Obergeschoss keinen einheitlichen Boden hat, sondern die Wohnräume um eine halbe Etage versetzt sind. So führt der erste Treppenabsatz ins Arbeitszimmer, und acht Stufen weiter oben liegt die Wohnküche. Sie war zuvor ebenfalls in Kammern unterteilt. Jetzt erstreckt sie sich über die gesamte Hausbreite und strahlt Würde und Gemütlichkeit aus. Sie ist eindeutig der Mittelpunkt des Hauses, in dem schon ausgiebig „gefeiert und debattiert“ wurde, wie die Hausherrin erzählt.

Wo früher eine Gipskartondecke hing, sieht man nun wieder die mächtigen Querbalken, die den ganzen Raum überspannen. Unterm hohen Luftraum steht der schwarze Küchenblock frei im Raum, daneben eine lange Tafel. „Beim Kochen ist keiner mehr allein“, schwärmt Iris Müller.

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Noch eine halbe Treppe höher ist der Wohnraum, mit neuem Balkon und einer Sitznische zum Hinausschauen. Wie vielerorts im Haus kontrastiert honiggelbes Holz, meist Eiche, mit dem Weiß der Wände. Unterm Dach liegen die Schlafzimmer; hier hat auch Müllers erwachsener Sohn seinen Raum. Seit der alte Dachboden entfernt ist, weitet sich das neu errichtete Dach wie ein Zelt. Eine besondere Wirkung entfaltet es im Bad, das von zwei Oberlichtern im schrägen Dach erhellt ist.

Während die Fenster zum Hof neu und dreifach verglast sind, wurden die alten Doppelfenster zur Gasse hinaus aufgearbeitet. Der Architekt hielt es nicht nur gestalterisch, sondern auch ökologisch für geboten sinnvoll, so viel wie möglich von der Geschichte des Hauses zu erhalten. So hat er an vielen Stellen die Seitenwände in den Räumen freigelegt und das buckelige Mauerwerk aus Oberpfälzer Granit sichtbar gemacht – mal weiß geschlämmt, mal neu verfugt. Im Büro im Erdgeschoss, wo Iris Müller als Coach arbeitet, prangt ein alter Ziegelbogen hinter ihrem Stuhl, fast wie ein Heiligenschein. Dieser barrierefreie Raum ließe sich samt seinen Nebengelassen auch als Einliegerwohnung nutzen. Darunter liegt der Keller mit zwei Gewölben, der original erhalten blieb.

Die Fassaden des Hauses sind nun beige und kalkverputzt. Zum Hof sorgt eine neue Außendämmung für guten Wärmeschutz. Die komplette Haustechnik wurde erneuert; eine Gastherme heizt nun das Haus. Auf eine Lüftungsanlage verzichtete man auch aus gestalterischen Gründen. Die Offenheit des Hauses lässt die Luft gut zirkulieren.

Das Projekt in Stichworten

Quelle
Cover Bauen & Wohnen 2018

Dieser Artikel ist erschienen in bauen + wohnen 2018.

Zur Ausgabe

Projekt: Altstadthaus zum Wohnen und Arbeiten
Lage: Obere Bachgasse 14, Weiden (Oberpfalz)
Baujahr: vermutlich 15. oder 16. Jahrhundert
Bauherren: Iris und Christian Müller, Weiden
Architekten: Karl-Heinz Beer Architekt, Weiden
Fläche: 164 m² Grundstück, 230 m² Wohnfläche
Gesamtkosten/m²: 1.590 €
Qualitäten für die Bewohner: Stimmungsvolle, vielfältige und gut nutzbare Wohn- und Arbeitsräume in zentraler Lage
Qualitäten für die Gesellschaft: Stärkung der Altstadt, Aufwertung des Stadtbildes
Energiesparen: Haustechnik komplett erneuert, Gas-Brennwertkessel

Auf KfW Stories veröffentlicht am: Mittwoch, 30. Mai 2018

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Alle Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen verabschiedeten im Jahr 2015 die Agenda 2030. Ihr Herzstück ist ein Katalog mit 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung, den Sustainable Development Goals (SDGs). Unsere Welt soll sich in einen Ort verwandeln, an dem Menschen ökologisch verträglich, sozial gerecht und wirtschaftlich leistungsfähig in Frieden miteinander leben können.