KfW Award Bauen 2018 – ein barockes Amtshaus in Jettenbach
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Juwel für Jettenbach

Ein barockes Amtshaus in Bayern erstrahlt in alt-neuem Glanz – und ist das Startprojekt für die Neubelebung des ganzen Orts. Dafür erhält das Denkmal den 3. Preis beim KfW Award Bauen 2018 in der Kategorie Bestand.

Gebäude mit Geschichte

Ein repräsentatives Barockgebäude wurde mit KfW-Mitteln umfangreich und denkmalgerecht renoviert (KfW Bankengruppe/n-tv).

Haus mit vier Wohnungen und Friseursalon in zentraler Dorflage: Das klingt erstmal nicht sehr aufregend. Es ist aber spannend, wenn das Haus mehr als 250 Jahre alt ist. Wenn ein experimentierfreudiger Designer, eine Pastorenfamilie mit Baby und eine Jungmänner-Wohngemeinschaft hinter derselben historischen Hülle extrem unterschiedliche individuelle Wohnideen realisieren. Und wenn das Haus ebenso wie ein Großteil des Dorfes einer Adelssippe mit 900-jähriger Geschichte gehört, für die das Haus Test- und Pilotprojekt für die anstehende Sanierung eines ganzen Schlossbergs ist – einschließlich Herrensitz, Kirche, Brauerei, Wohn- und Pavillonbauten.

Der Barockbau im Inntal eine Stunde östlich von München diente den darüber im Schloss residierenden Grafen als Amtshaus. Hier arbeiteten und wohnten die Verwalter ihres örtlichen Besitzes – Felder, Wälder, Wiesen, Brauereien, Mühlen und mehr. Doch nach und nach verlor der Bau seine Funktion. Im Erdgeschoss zogen Post, Sparkasse, Polizei und Töpferei ein und wieder aus. Darüber mochte in Wohnräume mit dem Standard des 18. Jahrhunderts am Ende niemand mehr leben. Der Eigentümer Ignaz Graf zu Toerring-Jettenbach engagierte den Architekten Josef Anglhuber aus dem nahen Kraiburg, einen leidenschaftlichen Denkmal-Spezialisten. Fünf Jahre dauerte der ganze Prozess von der ersten Bestandsaufnahme über bauhistorische Untersuchungen, Abstimmungen mit Denkmalschutz- und Bauamt und Handwerksarbeiten. Anglhuber: „Da habe ich für jede Aufgabe den Besten engagiert, der zu finden war“ – unterschiedliche Tischler, Zimmerleute und Holzrestauratoren für Türen, Fenster, Treppen und den Dachstuhl.

KfW Award Bauen 2018 – ein barockes Amtshaus in Jettenbach
Haus mit Geschichte

Jedes Zimmer hat seinen ganz eigenen Charme.

Graf Toerring sagt offenherzig: „Es war anfangs nicht klar, ob und zu welchen Mieten sich die Wohnungen im Haus vermieten lassen würden.“ Jettenbach hat 700 Einwohner, keinen Lebensmittelladen und keine Schule. Aber das Amtshaus fand rasch Mieter, die sich in den schmucken Altbau verguckten.

Unten zog der Friseur Christian Gerstner wieder ein, der schon vorher hier gearbeitet hatte. Sein feiner, kleiner Salon in drei Barockräumen dürfte zu den feinsten Dorfcoiffeur-Studios im ganzen Land gehören. Gegenüber nahm der Werbedesigner Manuel Reber die Zwei-Zimmer-Parterre-Wohnung und richtete sie mit einer mutigen Kombination aus antiquarisch-modern, exotisch-gediegen und cool-gemütlich ein. Ganz anders sieht es eine Etage höher bei der jungen Familie Berger aus: Sie hat sich einen Wohntraum in Weiß und sanften Pastelltönen verwirklicht, mit wenigen eigenen Möbeln, sodass die historischen Räume ihre freundlich-bergende Wirkung besonders stark entfalten. Fast punktgenau zum Einzug – genau eine Woche vorher – kam ihre Tochter Sophia Grace auf die Welt.

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Im gleichen Denkmal, doch in wieder ganz anderer Atmosphäre lebt die Wohngemeinschaft aus zwei jungen Physiotherapeuten und einem Schlosser oben im Dach. Ihre 200-Quadratmeter-Wohnung ist ein riesiger Altbauloft mit sehr viel Freifläche, zwei Küchenzeilen, Sitzecke mit 65-Zoll-Bildschirm, schwarzer Schäferhündin sowie drei Terrarien mit Kornnattern und einer afrikanischen Eierschlange (ungiftig). „Zuerst habe ich es alleine besichtigt“, erzählt der Schlosser Alois Ertl. „Dafür war es zu groß, aber ich wollte unbedingt rein und habe noch zwei Freunde dazu gebracht.“ Graf Toerring ist entzückt über den architektonischen wie wirtschaftlichen Erfolg. „Jetzt werden wir nach und nach den Schlossberg anpacken. Das Amtshaus ist das gelungene Startprojekt für die Erneuerung des ganzen Orts.“

Das Projekt in Stichworten

Quelle
Cover Bauen & Wohnen 2018

Dieser Artikel ist erschienen in bauen + wohnen 2018.

Zur Ausgabe

Projekt: Wohnen und Gewerbe im ehemaligen Amtshaus eines bayerischen Dorfes
Lage: Grünthaler Str.1, Jettenbach
Baujahr: ca. 1750/2017
Bauherr: Ignaz Graf zu Toerring-Jettenbach
Architekt: Josef Anglhuber, aris architekten, Kraiburg
Fläche Grundstück: 2.151m²,
Wohnungen: 4
Baukosten/m²: ca. 1.800 € (Kostengruppe 300, 400)
Qualitäten für die Bewohner: Individuelles Wohnen in dörflich-barockem Ambiente
Qualitäten für die Gesellschaft: Wiederbelebung eines Denkmals im Ortskern
Energiesparen: Eigenes Wasserkraftwerk im Gumpenbach, Wärmepumpe, damit autarke und CO₂-neutrale Energieversorgung

Auf KfW Stories veröffentlicht am: Mittwoch, 6. Juni 2018

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Alle Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen verabschiedeten im Jahr 2015 die Agenda 2030. Ihr Herzstück ist ein Katalog mit 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung, den Sustainable Development Goals (SDGs). Unsere Welt soll sich in einen Ort verwandeln, an dem Menschen ökologisch verträglich, sozial gerecht und wirtschaftlich leistungsfähig in Frieden miteinander leben können.