Ein schmales Haus im fränkischen Pappenheim gewinnt den ersten Preis beim KfW Award Bauen 2018
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Traum auf wenig Raum

In einer Altstadtgasse in Franken wurde ein schmales krummes Haus instandgesetzt. Es erzählt von seiner Geschichte und taugt bestens für heutige Zwecke. Ein Besuch beim Erstplatzierten des KfW Awards Bauen in der Kategorie Bestand.

Aufgefrischt

Wie der Architekt Michael Pichler ein schmales Reihenhaus neu belebte (KfW Bankengruppe/n-tv).

Pappenheim 75 Kilometer südlich von Nürnberg hat seine große Zeit längst hinter sich. In der Altstadt, malerisch in einer Fluss-Schleife der Altmühl gelegen, bröckelt es. Leerstand ist ein Problem. „Die Leute wohnen lieber am Stadtrand“, meint Michael Aurel Pichler. Der junge Architekt aber, eine Stunde südlich von hier zuhause, sah den Charme, das „Potenzial“ des fränkischen Fleckens und kaufte 2013 für wenig Geld ein unscheinbares Haus in der Stadtvogteigasse, gleich hinter dem Marktplatz. Es ein Reihenmittelhaus zu nennen, wirkt fast übertrieben, denn es ist nur gut vier Meter breit.

An einem schmalen seitlichen Stiegenhaus liegt jeweils eine Kammer nach vorn zur Gasse, eine nach hinten zum Hof, doch der gehört schon zum Nachbarn. Immerhin, eine verglaste Veranda schließt sich hier gen Süden an. Drei Stockwerke gibt es, dazu das Dachgeschoss.

1740, als die Residenz florierte, füllten ein Schneider und ein Schuhmacher die enge Baulücke, um nah am Hofe zu wohnen und zu arbeiten. Das Haus war voller Leben: Zwei Familien arrangierten sich auf vier mal zehn Meter Baugrund. Danach ging das Haus durch viele Hände.

Ein schmales Haus im fränkischen Pappenheim gewinnt den ersten Preis beim KfW Award Bauen 2018
Vier Meter, viele Ideen

Das schmale Haus belebt Pappenheims Altstadt. Beim KfW Award Bauen belegte es den ersten Platz in der Kategorie Bestand.

Im 19. Jahrhundert hatte Pappenheim eine rege jüdische Gemeinde. Deren Kultur prägte auch das kleine Haus: Laubhütten standen dann auf der Veranda, in denen die Männer, der Tradition entsprechend, zeitweise speisten und wohl auch schliefen.

In der Nachkriegszeit wurden die üblichen Normtüren und -fenster in das krumme Haus gezwängt. Wenigstens zum Hof blieben die alten, schlanken Profile mit mundgeblasenem Glas erhalten. Ein größerer Kamin und eine Zentralheizung wurden eingebaut, Zementputz aufgetragen. Und doch: Zuletzt galt das krumme Haus nur noch als „altes Gelumpe“ – man lebte fortan auf größerem Fuß.

Michael Pichler hat dieses „Constructum“ neu belebt. Er war weit herumgekommen, hatte in Innsbruck, London und Aquilea gelernt, dass Altes sehr moderne Strukturen haben kann. So nennt er die Kammern seines Hauses „Cluster“, die funktional nicht festgelegt sind, sondern sich nach Bedarf und Eigenschaft flexibel nutzen lassen. Fünf Personen könnten hier gut unterkommen. Zurzeit wohnt indes nur eine Person im Haus, Frau Dr. Hamulka, die neue aus Kroatien stammende Ärztin von Pappenheim. Sie schätzt die Ruhe und zentrale Lage des Hauses.

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Ein schmales Haus im fränkischen Pappenheim gewinnt den ersten Preis beim KfW Award Bauen 2018
Zart begrünt

An der Rückfassade rankt ein Spalier.

Auch die technische Konstruktion versteht Michael Aurel Pichler als weitsichtige, auf Langlebigkeit angelegte Arbeit seiner – unbekannten –Vorgänger, die vermutlich „nur“ Handwerker waren: Da der Baugrund zur Nässe neigte, wurde das Erdgeschoss aus Kalksteinen gefügt, die keine Feuchte aufsteigen lassen. Das platzsparende Fachwerk folgt erst darüber, wo man sich natürlich eng an die Nachbarhäuser schmiegte, um Außenfassaden zu sparen. Das Haus lässt sich so ziemlich mühelos heizen. Stellenweise führen skurrile Öffnungen hinüber zum Nachbarn. Im Neubau wären sie feuerpolizeilich verboten, doch hier konnten sie im Einvernehmen beider Eigentümer bleiben.

Pichler kennt und schätzt seine Pappenheimer: Von offizieller Seite ließ man den jungen Baumeister einfach machen. Die Umbauten bedurften keiner Genehmigung; Bauamt und Denkmalschutz mischten sich nicht ein. Vermutlich weiß man, was man an Pionieren wie Michael Pichler hat, verheißen sie dem Städtchen doch eine verjüngte, vitalere Mitte.

Auch gestalterisch brachte Pichler den Blick fürs Wesentliche mit: „Weiße Wände und Böden bilden eine einheitliche Kulisse für Artefakte (Gegenstände aus Menschenhand) vergangener und gegenwärtiger Tage“, notiert er in seinem Baubuch, das auch historische Pläne und Ansichten versammelt. „Alt und Neu sind Teile des Ganzen, doch bleiben erhaltene Zeitfragmente als solche erlebbar.“

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Sichtbar neu ist neben dem fast alles überziehenden Weiß, welches das Innere in der Tat sehr hell macht, das Treppengeländer aus Eichenholmen, getragen von einem Rost aus Kupferrohren. Historische Bauteile wie die Dielenböden aus dem 18. Jahrhundert, die originalen Hof-Fenster und die Steinlamellen aus Pappenheimer Jura in den Fensterlaibungen wurden sorgsam abgeschliffen und restauriert. Verwendet wurden haltbare, denkmalgerechte Materialien wie Kalkputz, Standöl und Hanfdichtung.

Allein die Fenster zur Straße, die original nicht mehr auffindbar waren, ersetzte Pichler mutig durch sprossen lose, den Rahmen nicht zeigende moderne Dreifachfenster. Die Straßenfassade gibt dadurch, zumal bei Nacht, ein auf interessante Weise irritierendes, abstraktes Bild ab. Eine Nachahmung des Alten, wie sie am Nachbarhaus in plumpen Isolierglas-Sprossenfenstern zu finden ist, lehnt der Planer ab. Auch Improvisation der „Marke Eigenbau“ ist seine Sache nicht. Der Bauherr-Architekt überließ alle Arbeiten den Fachleuten und übernahm nur die Bauleitung.

Angesichts der so zusammengekommenen beträchtlichen Baukosten von 165.000 Euro, was halb für ein „richtiges“ Reihenhaus gereicht hätte, war es keine Spekulation auf Wertzuwachs, die den Architekten trieb. Er wollte schlicht „die Geschichte des Hauses weitererzählen“. Und das brachte ihm viel Lob und Auszeichnungen, einen Lehrauftrag und nicht zuletzt Anfragen ein, auch anderswo zu bauen.

Das Projekt in Stichworten

Quelle
Cover Bauen & Wohnen 2018

Dieser Artikel ist erschienen in der Ausgabe bauen + wohnen 2018.

Zur Ausgabe

Projekt: Altstadthaus
Lage: Stadtvogteigasse 4, Pappenheim (Mittelfranken)
Baujahr: 1740
Bauherr und Architekt: Michael Aurel Pichler
Fläche: 38,76 m² Grundstück, 98,66 m² Wohnfläche
Gesamtkosten/m2: 1.672 €
Qualitäten für die Bewohner: Zentral gelegener Wohnraum, erlebbare Geschichte
Qualitäten für die Gesellschaft: Erhalt eines baulichen Zeugnisses, Belebung der Ortsmitte
Energiesparen: Kompaktheit, Pufferzone auf der Südseite, Brennwertkessel

Auf KfW Stories veröffentlicht am: Freitag, 18. Mai 2018

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Alle Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen verabschiedeten im Jahr 2015 die Agenda 2030. Ihr Herzstück ist ein Katalog mit 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung, den Sustainable Development Goals (SDGs). Unsere Welt soll sich in einen Ort verwandeln, an dem Menschen ökologisch verträglich, sozial gerecht und wirtschaftlich leistungsfähig in Frieden miteinander leben können.