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Meldung vom 13.02.2014 / KfW

Altbundeskanzler Helmut Schmidt bei der KfW

Auftakt zur KfW Zukunftswerkstatt mit Diskussion zu Europas Rolle im globalen demografischen Wandel

Am 11. Februar 2014 war Altbundeskanzler Helmut Schmidt Gast in den Räumen der Berliner Niederlassung der KfW. Im Rahmen einer Kooperationsveranstaltung mit dem Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung diskutierte er mit hochrangigen Podiumsgästen über die Rolle und Verantwortung Europas vor dem Hintergrund des globalen demografischen Wandels.

Helmut Gauges, Leiter des Bereichs Konzernentwicklung der KfW, erinnerte in seinem Grußwort daran, dass Helmut Schmidt einst Mitglied des Verwaltungsrates der KfW gewesen war – von 1974 bis 1975, also auch während seiner Zeit als Bundeskanzler, war er dessen Vorsitzender. Gauges verwies ferner auf die zahlreichen Förderprogramme der KfW mit Bezug auf den demografischen Wandel.

Der Direktor des Berlin-Instituts, Dr. Reiner Klingholz, informierte über die wichtigsten globalen demografischen Trends, die Helmut Schmidt weitsichtig kommentierte. Die Bevölkerungsexplosion sei in vollem Gange und konzentriere sich auf Sub-Sahara Afrika, eine Region die schon heute vielfältig mit Europa verbunden ist. Für Schmidt hängt die zukünftige Rolle Europas entscheidend davon ab, wie gut Europa die derzeitige institutionelle Krise überwinde. Schmidt lobte die Reformen der Agenda 2010, die die Weichen für die gegenwärtige wirtschaftliche Stärke Deutschlands gestellt habe. Auch andere EU-Mitgliedstaaten könnten und müssten ähnliche Reformen anpacken. Der deutsche Sozialstaat müsse aber der Alterung und Schrumpfung der Bevölkerung weiter angepasst werden. Hier mahnte Schmidt insbesondere ein höheres Renteneintrittsalter an.

Schmidt betonte, auch China werde deutlich an Bevölkerung verlieren und in noch stärkerem Ausmaß als Deutschland mit der Überalterung seiner Gesellschaft zu kämpfen haben. Kurzfristig stelle in diesem Zusammenhang jedoch die Verstädterung ein erhebliches Problem dar, die nicht nur in chinesischen Megacities, sondern überall auf der Welt wie Rio de Janeiro, Mexico City, Lagos, Mumbai oder Kairo neue Probleme der Regierbarkeit schaffe.

Kontrovers wurde Schmidts These diskutiert, dass die sprachliche Vielfalt Europas zukünftig zu einem Handicap werden könne. Der stv. Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Dr. Andreas Schockenhoff, widersprach, indem er den Pluralismus als identitätsstiftendes Wesensmerkmal Europas darstellte, der die Union auch global integrations- und zukunftsfähig mache. Die stv. Vorsitzende der Bundestagsfraktion von Bündnis90/Die Grünen, Kerstin Andreae, betonte, dass diese Vielfalt gerade auch (wirtschaftliche) Chancen mit sich bringe.

Jens Bullerjahn, stellvertretender Ministerpräsident und Finanzminister des Landes Sachsen-Anhalt, wies darauf hin, dass der demografische Wandel in Sachsen-Anhalt nicht aufzuhalten sei. Allein seit 1990 sei die Bevölkerung Sachsen-Anhalts von drei auf zwei Millionen Einwohner gesunken. Der Grundsatz der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse sei nirgends in Deutschland ganz einlösbar, dennoch gehe es den Menschen auf dem Land heute so gut wie noch nie in der deutschen Geschichte. Vor diesem Hintergrund einer verstreuten und alternden Gesellschaft spielten die Themen Mobilität und Bildung eine entscheidende Rolle.

Dr. Jörg Zeuner, Chefvolkswirt der KfW, verdeutlichte, welche dämpfenden Impulse von der demografischen Entwicklung in Deutschland auf das Wirtschaftswachstum ausgehen könnten. Immerhin würde die Zahl der Erwerbstätigen bis 2030 jährlich um 270.000 abnehmen, oder „jährlich einmal VW“, wie es Zeuner ausdrückte. Um den Wohlstand in Deutschland dennoch zu halten, müssten staatliche und private Investitionen steigen, und ein ganzes Bündel von Maßnahmen ergriffen werden. In den Schwellenländern und besonders in Afrika seien Produktivitätsfortschritte zu verzeichnen, die entscheidend mit der technologischen Entwicklung in diesen Ländern zusammenhingen. Die neuen Mittelschichten dort seien mit ihrer beträchtlichen Kaufkraft Treiber von Innovation in ihren Staaten. Zeuner stellte die zentrale Bedeutung des Privatsektors für Entwicklung heraus.

Andreae machte deutlich, dass die globale Bevölkerungsentwicklung eng mit dem Ressourcenverbrauch und dem Klimawandel zusammenhänge. Die demografische Entwicklung sei nicht umzukehren, aber die technologische Entwicklung spiele eine wichtige Rolle, um den Energieverbrauch nachhaltiger zu gestalten und von der demografischen Entwicklung zu entkoppeln. Sie betonte in der Demografiefrage die Wichtigkeit von Zukunftsinvestitionen, vor allem in Bildung. Auf dem Podium bestand denn auch weitgehend Einigkeit, dass verstärkte gemeinsame Bildungsanstrengungen in Nord und Süd erforderlich seien, da Bildung nicht nur Grundlage der wirtschaftlichen Innovationsfähigkeit in den Staaten sei, sondern auch die wichtigste Voraussetzung für das Abbremsen eines galoppierenden Bevölkerungswachstums.

Schockenhoff betonte, dass die Staaten Afrikas nicht mehr eindimensional als Zielländer von Entwicklungszusammenarbeit zu betrachten seien. Die Europäer müssten vielmehr eine umfassende außen- und sicherheitspolitische Strategie entwickeln, die dem ganzen Spektrum der schon heute herrschenden Verzahnung mit Afrika in der Ressourcen-, der Umwelt-, Energie-, Migrations- oder Sicherheitsfrage gerecht werde. Eine positive Entwicklung in dieser Weltregion zu befördern liege im eigenen Interesse Europas, denn afrikanische Probleme strahlten auch in die EU aus, umgekehrt lägen aber für beide Weltregionen auch Chancen in dieser Verbindung.

Abschließend plädierte Schmidt dafür, auf europäischer Ebene schnell die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit in den Krisenstaaten wie Spanien und Griechenland anzugehen, sich den Themen Bankenunion und gemeinsame Bankenaufsicht zu widmen und auch für eine gemeinsame, qualifikationsorientierte Einwanderungspolitik einzutreten.

Die Veranstaltung war zugleich der Auftakt zu einer Zukunftswerkstatt in Kooperation mit dem Berlin-Institut, bei der künftig Vertreter aus Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und der KfW selbst aktuelle Megatrends diskutieren und Anregungen für die KfW formulieren sollen.

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